Berufsausbildung Lesezeit 3 Min.

Interview: „In manchen Unternehmen ist eine Remote-Ausbildung schwer umsetzbar“

Obwohl die Corona-Pandemie zu Lernrückständen bei den Auszubildenden geführt hat, warnt Paula Risius davor, Teile der dualen Berufsausbildung verpflichtend zu digitalisieren. In manchen Berufen sei das schwer umsetzbar, findet die Researcherin für digitale Bildung und Fachkräftesicherung im IW.

Kernaussagen in Kürze:
  • Viele Auszubildende weisen coronabedingte Lernrückstände auf. Dennoch sollte die duale Berufsausbildung nicht zwangsdigitalisiert werden, sagt Paula Risius, Researcherin für digitale Bildung und Fachkräftesicherung im IW.
  • Gegen eine verpflichtende Digitalisierung spreche, dass manche Tätigkeiten wie etwa im Verkauf oder in der Arztpraxis nicht remote funktionieren.
  • Hinzu kommt, so Risius, dass nicht alle Azubis ein digitales Endgerät oder eine ungestörte Lernumgebung haben.
Zur detaillierten Fassung

Immer weniger Schulabsolventen wollen eine duale Berufsausbildung machen. Hat Corona diesen Trend noch verstärkt?

Das ist schwer zu beantworten, weil die Datenlage dazu dünn ist.

Aber es ist schon so, dass sich die Unternehmen fragen, wo all die jungen Leute hin sind. Wir sehen sie weder bei den Ausbildungsanfängern, noch haben wir sonderlich stark steigende Studienanfängerzahlen. Es sind zwar ein paar mehr junge Leute auf dem Arbeitsmarkt, aber wo die Schulabgänger wirklich bleiben, lässt sich derzeit nicht sagen.

Trotz Pandemie bietet jedes dritte ausbildende Unternehmen seinen Azubis keine Möglichkeit des Distanzlernens an. Das erscheint nicht sonderlich vorausschauend.

Paula Risius ist Researcherin für digitale Bildung und Fachkräftesicherung im IW; Foto: IW Medien In manchen Unternehmen ist Remote-Arbeit schwer umsetzbar. Wenn man beispielsweise an Tätigkeiten im Verkauf denkt, in der Pflege, in Arztpraxen – wie soll das remote funktionieren? Viele Arbeiten müssen nun mal vor Ort stattfinden. Deswegen wundert es mich wenig, wenn nicht alle Betriebe „Juhu“ schreien, wenn sie remote ausbilden sollen. Digitale Lernangebote wiederum können natürlich auch dort genutzt werden – das bietet oft sogar mehr Möglichkeiten als analoges Lernen.

Viele Unternehmen unterstützen ihre Azubis darin, coronabedingte Lernrückstände aufzuholen. Was tun die Betriebe, damit nicht erneut Wissenslücken entstehen, falls es wieder zu Einschränkungen kommt?

Die Sensibilität der Unternehmen für das Thema Lernrückstände ist definitiv gestiegen und viele Betriebe – sicherlich auch solche, bei denen Distanzlernen nicht gut möglich ist – haben sich zwischenzeitlich überlegt, was man zusätzlich online anbieten kann, um Lernausfälle möglichst gering zu halten.

Sollte es in Deutschland eine Pflicht geben, zumindest Teile der Berufsausbildung generell zu digitalisieren?

Davon halte ich nichts, denn für manche Berufe und Unternehmen ist das kaum praktikabel. Außerdem haben auch nicht alle Azubis ein geeignetes digitales Endgerät oder eine ungestörte Umgebung, um digital lernen und arbeiten zu können. Es würden also nicht alle Auszubildenden adäquat von zu Hause aus lernen können.

In manchen Unternehmen ist Remote-Arbeit schwer umsetzbar. Wenn man beispielsweise an Tätigkeiten im Verkauf denkt, in der Pflege, in Arztpraxen – wie soll das remote funktionieren?

Die Auszubildenden selbst sind meist online-affin. Was könnten die Betriebe in dieser Hinsicht von den jungen Leuten lernen?

Ganz viel! Grundsätzlich können Unternehmen von ihrem Nachwuchs Offenheit lernen – für neue Trends und neue Technik etwa. Betriebe, die beispielsweise Schwierigkeiten haben, Azubis zu rekrutieren, könnten auf ihre bereits vorhandenen Azubis zurückgreifen, weil die viel Zeit in den sozialen Medien verbringen und im Gefühl haben, was dort gut funktioniert und was nicht.

Viele Azubis sind ihren Ausbildern und Berufsschullehrern bei der Anwendung digitaler Technologien höchstwahrscheinlich überlegen. Was spricht dagegen, die Auszubildenden hier regelmäßig und als fest verankerten Bestandteil im Ausbildungsplan zum Lehrmeister zu machen?

Nichts spricht dagegen, Reverse Mentoring ist sogar recht beliebt: 44 Prozent der Ausbilder geben an, dass sie diese Lernform regelmäßig einsetzen. Kollegiales, also hierarchiefreies Lernen, wo beispielsweise Auszubildende anderen Auszubildenden etwas beibringen, beobachten sogar 74 Prozent der von uns befragten Ausbilder. Das Lernen voneinander wird in den Betrieben also zunehmend gelebt.

Bei den Digitalkenntnissen gibt es nur eine Wissenslücke unter den Azubis: beim Datenschutz. Woran liegt das?

Datenschutz ist sehr komplex. Eine andere IW-Studie hat aber auch gezeigt, dass die Jugendlichen eigentlich recht genau wissen, wieviel Macht ihre Daten Unternehmen geben – das Nutzungsverhalten folgt dem aber nicht.

Was kann man dagegen tun?

Über Datenschutz und Datensicherheit sollte man immer wieder sprechen und auf Gefahren aufmerksam machen. Wichtig ist auch, mit eindrücklichen, lebensnahen Beispielen zu arbeiten – also etwa zu zeigen, wie einfach man Informationen über eine Person online finden kann.

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