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Interview: „Arbeitgeber warten oft zu lange und lassen Konflikte eskalieren“

Mithilfe der Mediation lassen sich oft langwierige juristische Verfahren vermeiden, auch im Wirtschaftsleben. Doch Mediation ist vor allem bei arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen eher die Ausnahme als die Regel. Jürgen Vogel, Fachanwalt für Arbeits- und Sozialrecht und Mediator, sieht in erster Linie die Führungskräfte in der Pflicht, die Konflikte mit Mitarbeitern nicht eskalieren zu lassen.

Kernaussagen in Kürze:
  • Mediation wird im Arbeitsrecht noch selten genutzt. Lediglich bei Teamkonflikten nimmt Mediation schon jetzt einen breiteren Raum ein, sagt der Rechtsanwalt und Mediator Jürgen Vogel.
  • Ist die Situation schon eskaliert, die Kündigung beispielsweise schon ausgesprochen, sei es für ein Mediationsverfahren zu spät.
  • Bei hoch emotionalisierten Konflikten versagt die Mediation. Laut Vogel bedarf es dann der Intervention eines entscheidungsbefugten Dritten, im Zweifel eines Richters, um zu einer Lösung zu kommen.
Zur detaillierten Fassung

Warum wird das Verfahren der Mediation im Arbeitsrecht so selten genutzt?

Das hat vor allem zwei Gründe: Zum einen ist die Situation oft schon eskaliert, die Kündigung beispielsweise schon ausgesprochen. Mediation bietet sich aber eher im Vorfeld von Kündigungen an. Bedauerlicherweise warten Arbeitgeber oft zu lange, wenn es Anlass zu Kritik an einzelnen Mitarbeitern gibt. Wünschenswert wäre, dass Vorgesetzte in solchen Fällen ihre Führungsverantwortung wahrnehmen und steuernd eingreifen, bevor der Konflikt eskaliert.

Mediation setzt voraus, dass der Auftraggeber bereits dann kommt, wenn die Situation vielleicht schon kritisch, aber noch zu retten ist, also dass eine einvernehmliche Regelung gefunden werden kann.

Zum anderen sind die arbeitsgerichtlichen Verfahren mit vier, fünf Wochen bis zum Gütetermin recht schnell, da ist der Druck für ein Mediationsverfahren nach einer ausgesprochenen Kündigung nicht mehr so groß.

Wo Mediation schon jetzt einen breiteren Raum einnimmt, ist im Kontext von Teamkonflikten. Das heißt dann nicht unbedingt Mediation, sondern Teamcoaching oder Training, aber auch das erfordert ja häufig mediative Kompetenzen.

Rechtsanwalt und Mediator; Foto: privat Sie sagen, Vorgesetzte würden ihrer Führungsverantwortung bei Konflikten im Arbeitsleben oftmals nicht rechtzeitig nachkommen. Arbeitnehmer könnten doch genauso gut initiativ werden, wenn sie beispielsweise abgemahnt werden.

Das passiert durchaus, das läuft dann nur nicht unbedingt unter dem Begriff der Mediation, wo sich alle Parteien gleichzeitig an einen Tisch setzen, sondern verläuft eher dialogisch.

Hat die geringe Verbreitung von Mediation auch damit zu tun, dass sie – zumindest für Anwälte – nicht sonderlich lukrativ ist?

Etwa ein Drittel derjenigen, die Mediation anbieten, sind Anwälte. Das mag so sein, dass Anwälte Mediation selten anregen. Ein solcher Schritt setzt aber voraus, dass der Auftraggeber bereits dann kommt, wenn die Situation vielleicht schon kritisch, aber noch zu retten ist, also dass eine einvernehmliche Regelung gefunden werden kann.

Bieten Sie Mediation automatisch in solchen Fällen im Rahmen einer Erstberatung an?

Ja, natürlich.

Für welche Streitigkeiten im Wirtschaftsleben eignet sich die Mediation?

Im Kölner Raum hat sich die Mediation im Baubereich durchgesetzt. Bei Großbaustellen etwa bietet sich dieses Verfahren einfach stark an, wenn es Probleme mit einem Betrieb gibt und deshalb möglicherweise die ganze Baustelle stillzustehen droht. Da ist es einfach zwingend, eine zeitnahe Regelung hinzubekommen, die die Weiterarbeit ermöglicht. Und das gelingt mithilfe der Mediation gut.

Und wo versagt die Mediation?

Immer dann, wenn Konflikte bereits über die Maßen eskaliert sind. Irgendwann bedarf es der Intervention eines entscheidungsbefugten Dritten, im Zweifel eines Richters, um zu einer Lösung zu kommen. Es gibt ja die neun Stufen der Konflikteskalation nach Friedrich Glasl. Vereinfacht ausgedrückt kann man sagen: Bei den ersten drei Stufen kriegen die Parteien eine Lösung noch selbst hin, das mittlere Feld ist für Mediation geeignet und in den Stufen sieben bis neun bedarf es eines Dritten mit Entscheidungskompetenz. „Der Rosenkrieg“ mit Michael Douglas und Kathleen Turner ist übrigens die ideale fiktive filmische Darstellung dieses Eskalationsmodells. Der Spielfilm zeigt wunderbar, dass vor allem hoch emotionalisierte Konflikte sehr schwer aufzuarbeiten sind.

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