MINT-Frühjahrsreport Lesezeit 4 Min.

Hunderttausende Fachkräfte fehlen

Noch nie seit Beginn der Erfassung im Jahr 2011 war der Mangel an MINT-Fachkräften in einem April so ausgeprägt wie in diesem Jahr. Ohne erste Erfolge bei der Zuwanderung wäre die Lücke sogar fast doppelt so groß ausgefallen.

Kernaussagen in Kürze:
  • Im April 2022 fehlten in Deutschland gut 320.000 MINT-Arbeitskräfte – so viele wie nie zuvor in einem April seit 2011.
  • Ohne den Beschäftigungszuwachs durch ausländische MINT-Fachkräfte wäre die Fachkräftelücke mit mehr als 600.000 fast doppelt so groß.
  • Um die Fachkräftelücke zu verkleinern, müssen unter anderem die MINT-Bildung in den Schulen gestärkt, Frauen gezielt gefördert und die Zuwanderung in MINT-Berufe vereinfacht werden.
Zur detaillierten Fassung

Im April 2022 gab es in den MINT-Berufen – also in den Fachrichtungen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik – nahezu eine halbe Million unbesetzte Stellen. Gleichzeitig waren rund 180.000 Frauen und Männer mit einer Ausbildung oder einem Studium in einem MINT-Beruf arbeitslos. Daraus ergibt sich eine große Lücke (Grafik):

Im April 2022 fehlten gut 320.000 MINT-Arbeitskräfte – so viele wie nie zuvor in einem April seit 2011.

So viele MINT-Fachkräfte fehlten in Deutschland Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Mit fast 150.000 war der Engpass bei MINT-Facharbeitern, also Personen mit abgeschlossener Berufsausbildung, am größten. Schaut man sich die einzelnen Berufsgruppen an, dann zeigen sich die größten Engpässe in den Energie-/Elektroberufen mit 82.500 und in den IT-Berufen mit 60.600 fehlenden Arbeitskräften. Auch in den Bauberufen und in den Berufen der Maschinen- und Fahrzeugtechnik gibt es große Engpässe. Wie ernst das Problem ist, verdeutlicht auch eine andere Zahl:

Ohne den Beschäftigungszuwachs durch ausländische MINT-Fachkräfte wäre die Fachkräftelücke mit mehr als 600.000 fast doppelt so groß.

Denn während die Zahl der deutschen Beschäftigten in MINT-Berufen vom vierten Quartal 2012 bis zum dritten Quartal 2021 nur um 7 Prozent gestiegen ist, nahm die Beschäftigung von Ausländern in MINT-Berufen im gleichen Zeitraum um rund 80 Prozent zu. In den kommenden Jahren wird der Bedarf an MINT-Kräften vor allem durch drei Entwicklungen geprägt:

Im April 2022 fehlten in Deutschland gut 320.000 MINT-Arbeitskräfte - ohne den Beschäftigungszuwachs durch ausländische MINT-Fachkräfte wäre die Fachkräftelücke mit mehr als 600.000 fast doppelt so groß.

Demografie. Bis zum Jahr 2024 gehen jedes Jahr rund 274.000 MINT-Facharbeiter in Rente, von 2025 bis 2029 steigt der jährliche Ersatzbedarf auf 291.900. Dem steht allerdings nur ein jährliches Neuangebot an MINT-Fachkräften von 130.000 bis 140.000 gegenüber. Im akademischen Bereich lag die Zahl der Absolventen mit einem MINT-Studium zuletzt mit rund 93.000 zwar über dem für die kommenden Jahre zu erwartenden Ersatzbedarf von jährlich 65.000 bis 72.000. Hinzu kommt durch Digitalisierung und Dekarbonisierung bei den MINT-Akademikern aber noch ein jährlicher Expansionsbedarf von 93.000, der somit nicht gedeckt werden kann. Zusätzlich droht sich die Lage zu verschlechtern, weil es immer weniger akademischen Nachwuchs gibt (Grafik):

Die Zahl der Erstsemester in den Ingenieurwissenschaften und der Informatik ist seit 2016/2017 um fast 15 Prozent gesunken, in der Mathematik und den Naturwissenschaften beträgt das Minus 9 Prozent.

Studentinnen und Studenten im ersten Hochschulsemester in Deutschland Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Dekarbonisierung. Um das Klima zu schützen, müssen die Unternehmen entsprechende Technologien und Produkte entwickeln – und dafür braucht es MINT-Experten. Vor allem IT-Spezialisten sind gefragt, denn zur Steigerung der Ressourceneffizienz und für die Energiewende ist die Digitalisierung ein wichtiger Hebel.

Rund ein Drittel aller Unternehmen erwartet, dass sich allein zur Entwicklung klimafreundlicher Technologien und Produkte der Bedarf an IT-Experten in den kommenden fünf Jahren erhöhen wird.

Ein weiteres Fünftel rechnet mit einer steigenden Nachfrage nach (Umwelt-)Ingenieuren.

Digitalisierung. Nicht nur für den Klimaschutz ist die Digitalisierung unabdingbar, auch datengetriebene Geschäftsmodelle werden aus Sicht der Unternehmen immer wichtiger. Kleine und mittlere Betriebe tun sich jedoch noch immer schwer damit – über die Hälfte von ihnen gibt als Grund dafür den Mangel an entsprechenden Experten an.

Die steigende Nachfrage insbesondere nach IT-Experten ist keineswegs neu:

Während die Beschäftigung in den MINT-Expertenberufen von Ende 2012 bis Herbst 2021 insgesamt um rund 40 Prozent gestiegen ist, nahm die Zahl der IT-Experten um fast 106 Prozent zu.

Was getan werden kann

Deutschland steht also bei der Bereitstellung von MINT-Arbeitsplätzen vor einer gewaltigen Herausforderung – und die ist nur mit einem ganzen Bündel an Maßnahmen zu bestehen. Die wichtigsten Stichpunkte:

Digitalisierung der Bildungseinrichtungen voranbringen. Dass die digitale Infrastruktur ausgebaut werden muss, ist eine Selbstverständlichkeit. Darüber hinaus braucht es sowohl für die Administration als auch zur Unterstützung der Lehrkräfte zusätzliche IT-Stellen an den Schulen. Die Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer sollte zudem um informations- und computerbezogene Aspekte erweitert und es müssen zusätzliche Weiterbildungsangebote geschaffen werden.

MINT-Bildung stärken. Das Schulfach Informatik muss ausgebaut werden. Dazu braucht es eine entsprechende Ausbildung der Lehrkräfte.

Frauen fördern. In Deutschland entscheiden sich noch immer deutlich weniger Frauen für einen MINT-Beruf oder ein MINT-Studium als Männer. Ein Grund dafür ist, dass sich Mädchen im Vergleich zu Jungen in den MINT-Fächern als schlechter einschätzen – und in dieser Wahrnehmung von den Eltern oft noch bestärkt werden. Um dem entgegenzusteuern, braucht es eine klischeefreie Studien- und Berufsorientierung, Kontakte zu Mentoren und eine Unterstützung in den sozialen Netzwerken.

Zuwanderung vereinfachen. Seit März 2020 bietet das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz auch für die Zuwanderung in MINT-Facharbeiterberufen bessere Regeln. Um diese zu nutzen, müssen die bürokratischen Prozesse vereinfacht werden. Gleichzeitig können durch die Zuwanderung über die Hochschulen Netzwerke in Drittstaaten aufgebaut werden, aus denen sich künftig weitere Experten rekrutieren ließen. Und schließlich gilt es, auch Kinder mit Migrationshintergrund besser zu fördern.

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