Hochschule: Türöffner für ausländische Fachkräfte
Um den Fachkräftemangel zu bekämpfen, braucht Deutschland qualifizierte Zuwanderer aus dem Ausland. Vor allem junge Menschen sollten schon vor Beginn ihrer akademischen Laufbahn vom Studium in der Bundesrepublik überzeugt und im Anschluss auf dem hiesigen Arbeitsmarkt gehalten werden.
- Um den Fachkräftemangel abzuschwächen, sollte Deutschland stärker darauf bauen, junge Menschen aus dem Ausland an die heimischen Hochschulen zu holen und nach dem Studium im Land zu halten.
- Zum Studium zugewanderte Fachkräfte sind überdurchschnittlich gut qualifiziert und haben häufiger einen Abschluss in MINT-Berufen.
- Um mehr angehende Akademiker für Deutschland zu gewinnen, sollte die Regierung vermehrt Stipendien- oder Bürgschaftsprogramme auflegen und für Bildungszuwanderer aus Drittstaaten einen spezifischen Aufenthaltstitel schaffen.
Der Fachkräftemangel in Deutschland ist mittlerweile allgegenwärtig. Unternehmen aus zahlreichen Branchen fällt es zunehmend schwerer, ihre Stellen passend zu besetzen. Der demografische Wandel wird das Problem verschärfen: So lebten Ende des Jahres 2021 rund 12,8 Millionen 55- bis 64-Jährige in Deutschland, die den Arbeitsmarkt in den kommenden Jahren altersbedingt verlassen dürften oder dies bereits getan haben. Demgegenüber stehen aber nur 8,3 Millionen 15- bis 24-Jährige, die nachrücken können.
Ein wichtiges Mittel, um den Fachkräftemangel abzuschwächen, ist die Zuwanderung von Akademikern aus dem Ausland. Doch das ist leichter gesagt als getan. Zunächst müssen gut qualifizierte Personen bereit sein, ihr Herkunftsland zu verlassen. Und dann gibt es neben Deutschland noch viele andere Länder, die ein ebenso starkes Interesse daran haben, diese Fachkräfte für sich zu gewinnen.
Deswegen sollte die Bundesrepublik schon früher ansetzen und stärker darauf bauen, junge Menschen vor Beginn ihrer akademischen Laufbahn ins Land zu holen – mit dem Ziel, sie später als Fachkräfte zu halten. Bislang kommen die meisten qualifizierten Zuwanderer erst nach dem Studium (Grafik):
Von den rund 2,3 Millionen zugewanderten Akademikern im Alter zwischen 25 und 64 Jahren, die 2019 in Deutschland lebten, ließen sich mehr als zwei Drittel erst nach ihrem akademischen Abschluss in der Bundesrepublik nieder.
Damit machte diese Zuwanderungsgruppe gut 15 Prozent aller Akademiker in Deutschland aus. Zugewanderte Personen, die ihren akademischen Abschluss in Deutschland machten, vereinten mit rund 4 Prozent einen deutlich geringeren Anteil auf sich.
Um den Fachkräftemangel abzuschwächen, sollte Deutschland stärker darauf bauen, junge Menschen aus dem Ausland an die heimischen Hochschulen zu holen und nach dem Studium im Land zu halten.
Welche Chance darin liegt, Ausländer vom Studium in der Bundesrepublik zu überzeugen, zeigt unter anderem der Blick auf das Qualifikationsniveau: Während der Anteil der Personen mit einem Masterabschluss oder einer Promotion unter den heimischen Akademikern 2019 rund 16 Prozent betrug, lag er bei den zum Studium zugewanderten Fachkräften mit gut 40 Prozent weit höher. Zudem haben die ausländischen Akademiker häufiger einen Abschluss in Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften oder Technik – und in den sogenannten MINT-Berufen ist der Fachkräftemangel besonders groß.
Auffällig ist: Rund ein Drittel aller zugewanderten Akademiker ist jünger als 35 Jahre. Für den deutschen Arbeitsmarkt hat das sowohl Vor- als auch Nachteile. Einerseits wird ein großer Teil von ihnen voraussichtlich noch mehrere Jahrzehnte arbeiten. Andererseits muss dies nicht unbedingt in Deutschland der Fall sein, da jüngere Menschen häufiger das Gastland wieder verlassen.
Auch um dieser Abwanderung entgegenzuwirken, hat die Ampelkoalition kürzlich eine Reform auf den Weg gebracht, mit der die Wartezeit bis zur Einbürgerung von acht auf fünf Jahre verkürzt werden soll. Zur Einordnung: 2019 besaßen rund 57 Prozent der zum Studium Zugewanderten nicht die deutsche Staatsbürgerschaft. Betrachtet man ihre Herkunftsländer, zeigt sich ein breites Spektrum (Grafik):
Die meisten der Akademiker, die zum Studium nach Deutschland kamen, stammten aus China und Russland oder waren gebürtige Deutsche, die aus dem Ausland zurückkehrten. Dahinter folgen viele Länder mit kleinen Anteilen.
Für die langfristige Fachkräftesicherung in Deutschland ist die große Streuung von Vorteil. Gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Veränderungen in einzelnen Ländern wirken sich so weniger stark auf die Zuwanderung aus.
Was zu tun ist
Um mehr angehende Akademiker für Deutschland zu gewinnen, muss vor allem der Zugang für Interessenten aus Drittstaaten vereinfacht werden. Aktuell müssen diese Zuwanderer für den Aufenthalt in Deutschland einen gesicherten Lebensunterhalt in ihrer Heimat nachweisen. Diese Regelung benachteiligt Studenten aus ärmeren Familien und aus Ländern mit niedrigem Wohlstandsniveau stark und schließt sie bereits von vornherein vom Studium in Deutschland aus.
Dass hierzulande kaum Studiengebühren erhoben werden, ist in diesem Fall sogar von Nachteil – denn dadurch hat sich kein so ausgeprägtes Stipendiensystem wie beispielsweise in den USA entwickelt, das den Lebensunterhalt von leistungsstarken Studenten aus Drittstaaten gegebenenfalls sichern könnte.
An diesem Punkt sollte die Regierung ansetzen und vermehrt Stipendien- oder Bürgschaftsprogramme auflegen. Zudem wäre es sinnvoll, für die Bildungszuwanderer aus Drittstaaten einen spezifischen Aufenthaltstitel für die Zeit zwischen Studienabschluss und dauerhafter Niederlassungserlaubnis zu schaffen. Dies würde es auch leichter machen, das Studium und den nachfolgenden Einstieg in den deutschen Arbeitsmarkt im Ausland zu bewerben.