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Führt Corona zu mehr Arbeitslosigkeit?

Der Lockdown und die damit einhergehenden Einschränkungen der wirtschaftlichen Aktivitäten machen dem deutschen Arbeitsmarkt immer mehr zu schaffen. Zwar gibt es bislang nur relativ wenige Entlassungen, dafür geht aber die Zahl der Neueinstellungen spürbar zurück.

Kernaussagen in Kürze:
  • Im Februar 2021 gab es in Deutschland gut 1 Million Langzeitarbeitslose – 41 Prozent mehr als im gleichen Monat des Vorjahres.
  • Ein wesentlicher Grund für diesen Anstieg ist die gesunkene Zahl an offenen Stellen.
  • Vor allem für die unter 35-Jährigen hat sich die Lage deutlich verschärft.
Zur detaillierten Fassung

Als die Bundesagentur für Arbeit (BA) Anfang März ihre neuen Zahlen veröffentlichte, zeigte sich die Behörde professionell optimistisch. Im Februar gab es zwar über eine halbe Million Arbeitslose mehr als im Februar 2020, doch der deutsche Arbeitsmarkt, so die BA, zeige sich bislang sehr widerstandsfähig. Mit anderen Worten: Es hätte alles auch viel schlimmer kommen können.

Das größte Problem für den deutschen Arbeitsmarkt ist derzeit nicht, dass die Unternehmen Mitarbeiter entlassen, sondern dass sie kaum noch Arbeitskräfte suchen.

Gemessen daran, dass sich viele Branchen nun schon seit einem Jahr – die einen mehr, die anderen weniger – im Lockdown befinden, ist die aktuelle Lage tatsächlich besser als befürchtet, allerdings geben einzelne Kennziffern durchaus Anlass zur Sorge.

Arbeitslosigkeit. Nach wie vor kommt es bisher selten zu Entlassungen – auch wenn es zwischenzeitlich einen spürbaren Anstieg gegeben hat (Grafik):

Im April 2020 stiegen die Neuzugänge in Arbeitslosigkeit aus regulärer Beschäftigung um mehr als 50 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat, im Mai noch einmal um rund 26 Prozent – seitdem liegen die Werte fast durchgängig unter dem Vorjahresniveau.

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Bei den Arbeitslosenzahlen insgesamt war der Anstieg mit bis zu rund 29 Prozent gegenüber den Vorjahresmonaten ebenfalls im Frühjahr und Sommer 2020 am höchsten. Damit sind die Fortschritte der vergangenen fünf Jahre verloren gegangen. Im Januar dieses Jahres wurde die 20-Prozent-Marke dann zwar unterschritten. Da schon einen Monat später aber wieder ein Plus von mehr als 21 Prozent zu Buche stand, kann dies als erster Effekt des zweiten Lockdowns gewertet werden. Besonders hart getroffen hat es die Langzeitarbeitslosen.

Nach Qualifikation geordnet zeigt sich ein Bild, das nicht unbedingt zu erwarten gewesen wäre:

Spezialisten hatten mit gut 40 Prozent von Januar 2020 bis Januar 2021 den größten Zuwachs an Arbeitslosen, auch die noch höher qualifizierten Experten lagen mit rund 27 Prozent über den Werten von Fachkräften (15 Prozent) und Helfern (20 Prozent).

Der zunächst kräftige Aufbau der Kurzarbeit – von Februar bis April 2020 stieg die Zahl von 134.000 auf fast sechs Millionen – ist dagegen rasch wieder abgeflacht. Der einsetzende Abbau kam dann wiederum im November zum Stillstand und für die Folgemonate ist erneut ein Anstieg der Kurzarbeit zu erwarten.

Fast 740.000 weniger Erwerbstätige

Fasst man die Arbeitsmarktzahlen seit Ausbruch der Corona-Pandemie zusammen, ergibt sich das Ausmaß an Unterbeschäftigung. Zu dieser Gruppe zählen im Wesentlichen alle Arbeitslosen einschließlich der Teilnehmer an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen sowie Krankgemeldete, nicht aber geförderte Existenzgründer und Kurzarbeiter. Das Ergebnis: Lag die Zahl der Unterbeschäftigten im Februar 2020 nur um 0,7 Prozent über dem Wert des Vorjahresmonats, vergrößerte sich die Spreizung anschließend deutlich – im August betrug der Zuwachs im Vorjahresvergleich 15,5 Prozent. Anschließend sank er bis Februar 2021 auf knapp 11 Prozent.

Beschäftigung. 2019 zählte Deutschland erstmals mehr als 45 Millionen Erwerbstätige – dann kam Corona (Grafik):

Im Januar 2021 gab es fast 740.000 Erwerbstätige weniger als im Januar 2020.

Veränderung gegenüber Vorjahresmonat in 1.000 Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Auch hinter dieser Zahl stecken ganz verschiedene Entwicklungen. So ist die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten dank der Kurzarbeit relativ stabil geblieben: Im Dezember 2020 gab es rund 52.000 weniger als im Dezember des Vorjahres. Vor allem viele geringfügig Beschäftigte haben dagegen ihre Arbeit verloren. Die Zahl derer, die ausschließlich Minijobs haben, lag im Dezember 2020 um 370.000 unter der des Vorjahresmonats – das war ein Minus von fast 9 Prozent.

Minijobber und Selbstständige haben es schwer

Zwar sah es zwischenzeitlich – etwa ab den Sommermonaten – so aus, als könnten die Minijobber etwas aufatmen, doch die erneuten Schließungen in der Gastronomie und im Einzelhandel haben diese Hoffnung schnell wieder zunichtegemacht.

Auch Selbstständige geraten zunehmend unter Druck. Seit Mai 2020 mussten jeden Monat mehr Selbstständige sogenannte ergänzende Leistungen der Grundsicherung beantragen – im September, also noch vor dem zweiten Lockdown, waren 12 Prozent mehr Selbstständige darauf angewiesen als ein Jahr zuvor.

Noch unklar ist in diesem Zusammenhang die Entwicklung der Insolvenzen, denn die Aussetzung der Antragspflicht ist bis Ende April dieses Jahres verlängert worden.

Das größte Problem für den deutschen Arbeitsmarkt ist derzeit, dass die Unternehmen kaum noch Arbeitskräfte suchen. Seit Februar 2020 liegt die Zahl der gemeldeten offenen Stellen durchgängig unter dem jeweiligen Wert des Vorjahresmonats. So wurden im zweiten Quartal 2020 nur 1,8 Millionen neue Stellen besetzt – rund 700.000 weniger als im Vorjahresquartal. In die gleiche Kerbe schlägt das Problem, dass zunehmend mehr Schülerinnen und Schüler sowie Studentinnen und Studenten nach ihrem Abschluss keine Arbeit finden.

Die Corona-Pandemie kostet die Bundesbürger nicht nur viel Nerven, sondern auch Geld. Zwar federt das Kurzarbeitergeld die Einkommensverluste für viele Beschäftigte ab, dennoch zeigen Daten des Statistischen Bundesamts, dass die Arbeitnehmerverdienste erstmals seit Beginn der Zeitreihe und anders als in der Finanzkrise 2008/2009 sinken: Im dritten Quartal 2020 lagen die Reallöhne um 1,3 Prozent unter dem Niveau des Vorjahresquartals.

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