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Fitnessstudios trotzen Pandemie

Lockdowns, monatelange Studioschließungen und strenge Zugangsbeschränkungen haben der Fitnessbranche in den vergangenen zwei Jahren stark zugesetzt. Es gab Kurzarbeit, viele Mitgliedschaften wurden gekündigt und einzelne Studios gaben den Betrieb auf. Im Jahr 2022 geht es aufgrund zahlreicher Lockerungen nun zwar bergauf, doch die Pandemie hat Spuren hinterlassen.

Kernaussagen in Kürze:
  • Die Pandemie hat die Fitnessbranche hart getroffen. Insgesamt verloren Fitnessstudios deutschlandweit mehr als 20 Prozent ihrer Mitglieder.
  • Die große Pleitewelle blieb allerdings aus. Nur 2 Prozent der deutschen Studios mussten komplett schließen.
  • Mithilfe von Rücklagen aus den umsatzstarken Jahren vor der Pandemie sowie staatlichen Hilfen konnte der Großteil der Studios überleben.
Zur detaillierten Fassung

„Die Fitnessbranche ist auf Wachstumskurs. Im Jahr 2020 rechnen wir deutschlandweit mit zwölf Millionen Studio-Mitgliedern.“ Das prognostizierte der Arbeitgeberverband deutscher Fitness- und Gesundheits-Anlagen (DSSV) im April 2018. Es kam anders.

In der Pandemie verloren Fitnessstudios deutschlandweit mehr als 20 Prozent ihrer Mitglieder. Dank guter Rücklagen, Hilfsgeldern und neuer Geschäftsmodelle konnte sich ein Großteil der Studios über Wasser halten – lediglich 2 Prozent mussten den Betrieb ganz aufgeben.

Dabei war der Optimismus der Branche selbst 2019 noch völlig berechtigt – es war das bisher erfolgreichste Jahr für die deutschen Fitnessstudios. Umsatz-, Mitglieder- und Studiozahlen kannten nur eine Richtung: nach oben. Und das bereits im 30. Jahr in Folge. Auch im europäischen Vergleich kletterte die Bundesrepublik laut der Organisation EuropeActive im Jahr vor der Corona-Krise in jenen drei Kategorien auf Platz eins.

Im Jahr 2019 erwirtschaftete die deutsche Fitnessbranche laut DSSV rund 5,5 Milliarden Euro Umsatz – ein Anstieg um 45 Prozent verglichen mit 2010.

Keine Mitglieder, keine Einnahmen

Dann änderte die Pandemie die Lage über Nacht: Fitnessstudiobesitzer, Trainer und Mitarbeiter durften von einem Tag auf den anderen ihren Job nicht mehr ausüben. Es folgten Monate der Ungewissheit mit großer Sorge um die berufliche Existenz. Denn Miete, andere laufende Kosten und später dann Investitionen in Hygienemaßnahmen mussten bezahlt werden – während immer mehr Mitglieder kündigten und den Studios damit Einnahmen wegbrachen (Grafik):

Nach Angaben des DSSV verloren deutsche Fitnessstudios von 2019 bis 2021 rund 2,4 Millionen Mitglieder, ein Minus von mehr als 20 Prozent.

So viele Millionen Mitgliedschaften zählten deutsche Fitnessstudios Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Vor allem im zweiten Lockdown, der von November 2020 bis Mai 2021 fast ein halbes Jahr lang das öffentliche Leben stark einschränkte, überrollte eine gewaltige Kündigungswelle die Fitnessstudios. Viele Mitglieder waren nicht mehr bereit, Beiträge zu zahlen, ohne eine Leistung zu erhalten. Im Jahr 2021 erreichte die Fitnessbranche laut DSSV mit 2,2 Milliarden Euro nicht einmal mehr die Hälfte des Umsatzes aus dem Jahr 2019.

Allerdings blieb die befürchtete Pleitewelle aus (Grafik):

Von 2019 bis 2021 mussten in Deutschland laut DSSV 177 Fitnessstudios schließen – ein Rückgang um lediglich 2 Prozent.

Zahl der Fitnessstudios in Deutschland Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Wie haben die Betriebe überlebt?

Wie haben es so viele Studios geschafft, den massiven Rückgang der Mitgliederzahl und des Umsatzes zu überleben? Es gibt mehrere Erklärungen:

Rücklagen. Die Megajahre vor der Pandemie – vor allem 2019 – hatten für gute Finanzpolster bei vielen Einzelstudios und Fitnessketten gesorgt, sodass ausbleibende Mitgliedsbeiträge zumindest kurzfristig kompensiert werden konnten.

Hilfsgelder. Trotz weit verbreiteter Kritik an der nur langsam anrollenden staatlichen Unterstützung für Firmen flossen auch an die Fitnessbranche Corona-Hilfen – wenn auch mit Verspätung. Laut DSSV bestand ein Drittel des Umsatzes seiner Mitgliedsfirmen in den vergangenen zwei Jahren aus staatlichem Geld.

Neue Einnahmequellen. Viele Studiobetreiber sind über das verbreitete Online-Kursangebot hinaus kreativ geworden: Sie vermieteten beispielsweise Fitnessgeräte für den Heimgebrauch und trafen damit genau den Puls der Zeit. Nicht nur gemietet, auch gekauft wurde viel, wie eine Umfrage des Deutschen Industrieverbands für Fitness und Gesundheit zeigt:

Die Hälfte der Haushalte, die bereits im Jahr 2020 ein eigenes Fitnessgerät zu Hause hatten, kaufte 2021 noch ein zweites. Das entsprach 14,3 Millionen Haushalten in Deutschland.

Auch für 2022 planen 31 Prozent, weitere Geräte anzuschaffen.

Flexible Vertragslaufzeiten. Seit März 2022 hat der Gesetzgeber die rechtlichen Möglichkeiten für lange Vertragsbindungen eingeschränkt, auch bei Fitnessstudios. Doch die haben im Angesicht der Pandemie ohnehin ihr Angebot an kürzeren Laufzeiten sowie flexiblere Kündigungsmöglichkeiten für Verträge ausgeweitet. Damit – so das Kalkül – können sie potenzielle Kunden in weiterhin unsicheren Zeiten eher zum Vertragsabschluss bewegen.

Darüber hinaus gibt es im Rückblick auf die Pandemie-Jahre einzelne Fitnessbetriebe, die allen Widrigkeiten zum Trotz wachsen konnten – die Kette Cleverfit beispielsweise. Zwar sank die Zahl ihrer Studios 2020 kurz, 2021 legte sie allerdings direkt wieder zu – und das sogar über das Niveau des Erfolgsjahres 2019 hinaus. Nach Auskunft der Kette half ihr ihr Franchisekonzept, auch in der Krise zu wachsen, da die Investitionen auf mehreren Schultern verteilt werden konnten.

Doch auch wenn die Branche aktuell langsam aufatmet, stecken den Studios die vergangenen zwei Jahre noch in den Knochen. Es bleibt zudem abzuwarten, inwieweit sie bereits erhaltene Hilfsgelder zurückzahlen müssen.

Trotzdem blicken Studiobetreiber laut einer Umfrage des Medienunternehmens bodyLIFE optimistisch in die Zukunft, weil sie auf das in der Pandemie gestiegene Gesundheitsbewusstsein der Menschen setzen. Neue Einschränkungen im Herbst oder Winter kann die Branche allerdings nicht gebrauchen.

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