Fachkräftemangel in Digitalisierungsberufen
Um digitaler zu werden, braucht Deutschland entsprechend ausgebildete Arbeitskräfte. Zwar arbeiten immer mehr Menschen in Digitalisierungsberufen, dennoch wird die Fachkräftelücke dort größer. Politik und Unternehmen müssen dringend mehr Menschen für einen digitalen Job begeistern – und sollten dabei über die deutschen Grenzen hinausschauen.
- Die Zahl der Arbeitnehmer in Digitalisierungsberufen ist in den vergangenen Jahren überdurchschnittlich gestiegen.
- Trotzdem wird die Fachkräftelücke in diesem Bereich größer: Ende 2022 gab es in Deutschland in den Digitalisierungsberufen rund 123.400 offene Stellen ohne passend qualifizierte Arbeitslose, fünf Jahre zuvor war die Lücke noch um rund ein Drittel kleiner.
- Um kurzfristig die bestehende Fachkräftelücke zu verkleinern, ist mehr qualifizierte Zuwanderung essenziell. Ein wichtiger Schritt dahin war die Novellierung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes.
Produktionsprozesse automatisieren, Behördengänge im Internet erledigen können oder smart heizen: Wenn Deutschland digitaler werden will, braucht es kluge Köpfe. Gefragt sind beispielsweise Informatiker, Elektroingenieure oder technische Systemplaner. Diese Jobs sind alle sogenannte Digitalisierungsberufe. Das sind Berufe, in denen die Beschäftigten neue digitale Schlüsseltechnologien herstellen oder durch besondere technische Kenntnisse deren Nutzung und Verbreitung ermöglichen. Die Zahl der Arbeitnehmer in diesen Berufen ist in den vergangenen Jahren überdurchschnittlich gestiegen (Grafik):
Von 2013 bis 2022 wuchs die Beschäftigung in Digitalisierungsberufen um 21 Prozent, der durchschnittliche Zuwachs in allen Berufen lag bei 17 Prozent.
Laut der IW-Arbeitsmarktfortschreibung, die auf der Basis detaillierter Daten zeigt, wie sich die Beschäftigung in Deutschland entwickeln würde, wenn die empirischen Trends des Zeitraums 2016 bis 2022 anhielten, gäbe es 2027 bereits mehr als drei Millionen Beschäftigte in Digitalisierungsberufen.
Doch die steigenden Beschäftigungszahlen reichen bei Weitem nicht, um die immer stärkere Nachfrage nach digitalen Fachkräften zu decken. Im Gegenteil: Die Fachkräftelücke ist in den vergangenen Jahren immens gewachsen (Grafik):
Ende 2022 gab es in Deutschland in den Digitalisierungsberufen rund 123.400 offene Stellen ohne passend qualifizierte Arbeitslose. Fünf Jahre zuvor war die Lücke noch um rund ein Drittel kleiner.
Der Anteil der offenen Stellen, die rein rechnerisch nicht besetzt werden konnten – die sogenannte Stellenüberhangsquote –, betrug zuletzt 63 Prozent. Das heißt, für mehr als sechs von zehn der offenen Stellen gab es deutschlandweit keine passend qualifizierten Arbeitslosen. Bis zum Jahr 2027 könnte die Quote auf 64 Prozent ansteigen – für diesen Zeitpunkt rechnet das IW mit 128.000 fehlenden Fachkräften.
Die Fachkräftelücke in Digitalisierungsberufen wächst. Die meisten Arbeitskräfte fehlen auf Expertenniveau.
Beim Blick auf das gesuchte Qualifikationsniveau fällt auf, dass die meisten Arbeitskräfte auf Expertenniveau fehlen – also Menschen mit einem Masterabschluss oder einer vergleichbaren Qualifikation. Laut Arbeitsmarktfortschreibung wird es im Jahr 2027 in Digitalisierungsberufen an mehr als 62.000 entprechend ausgebildeten Personen mangeln. Die Zahl der fehlenden Fachkräfte mit Berufsausbildung dürfte in drei Jahren mit rund 54.600 etwas niedriger sein, für Spezialisten – das sind Menschen mit Fortbildung oder Bachelorabschluss – erwartet das IW eine relativ kleine Fachkräftelücke von gut 11.600 Personen. Das könnte daran liegen, dass fast die Hälfte der Bachelorabsolventen in Deutschland anschließend keinen Masterabschluss macht und sich das Arbeitsangebot an Spezialisten damit am stärksten erhöht hat.
Was jetzt zu tun ist
Angesichts der immer größeren Fachkräftelücke in Digitalisierungsberufen gilt es dringend gegenzusteuern. Langfristig muss dafür die Berufsorientierung weiterentwickelt werden, damit sich mehr Fachkräfte von morgen für entsprechende Berufe entscheiden. Es sollte einen standardisierten Prozess geben, der über die Vielzahl der Berufe – darunter auch weniger bekannte Mangelberufe – informiert und längere Praktika möglich macht, sodass sich Schülerinnen und Schüler in den Jobs ausprobieren können. Zudem sollten Arbeitslose vermehrt auf Mangelberufe umgeschult und Teilqualifizierungen stärker gefördert werden, um Quereinsteiger aus anderen Branchen für Digitalisierungsberufe fit zu machen.
Um kurzfristig die bestehende Fachkräftelücke zu verkleinern, ist darüber hinaus mehr qualifizierte Zuwanderung essenziell.
Da Fachkräfte in Digitalisierungsberufen weltweit begehrt sind, muss die Politik es ihnen so einfach wie möglich machen, sich für Deutschland zu entscheiden.
Ein wichtiger Schritt dahin war die Novellierung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes: Seit März dieses Jahres können qualifizierte ausländische Fachkräfte leichter nach Deutschland einreisen, die berufliche Anerkennung für nicht akademische Fachkräfte soll zudem künftig schneller, digitaler und zentralisiert laufen.
Diese Gesetzesänderung legt einen wichtigen Grundstein, sollte aber durch weitere Maßnahmen ergänzt werden, um den Arbeitsort Deutschland noch attraktiver zu machen – so braucht es in Betrieben und Ämtern eine größere Offenheit für Englisch, zudem müssen Bürokratiehürden abgebaut und Zuwanderer bei der Wohnungssuche und Integration unterstützt werden.