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Europäische Arbeits­losenversicherung: Zu gut gemeint

Dass die EU um ihren Zusammenhalt kämpfen muss, steht außer Frage. Eine europäische Arbeitslosenversicherung, wie sie Bundesfinanzminister Olaf Scholz gerade ins Spiel gebracht hat, wäre allerdings der falsche Weg. Denn ein solcher neuer Gemeinschaftstopf würde die Probleme nicht lösen, sondern alimentieren.

Kernaussagen in Kürze:
  • Bundesfinanzminister Olaf Scholz hat vorgeschlagen, eine europäische Arbeitslosenversicherung als Rückversicherung für die nationalen Arbeitslosenversicherungen in der EU einzurichten.
  • Das Konzept steckt jedoch voller Fehlanreize: Die südeuropäischen Länder mit ihrer hohen strukturellen Arbeitslosigkeit hätten weniger Anreiz zu Reformen.
  • Zudem wäre es dann sinnlos, dass nationale Arbeitslosenversicherungen Rücklagen für konjunkturell schlechtere Zeiten bilden.
Zur detaillierten Fassung

Die Idee klingt wie ein Paradebeispiel für Solidarität in der Europäischen Union: Vor wenigen Tagen hat Bundesfinanzminister Olaf Scholz seine Pläne für eine Europäische Arbeitslosenversicherung vorgelegt. Sie soll eine Art Rückversicherung für die nationalen Arbeitslosenversicherungen darstellen. Diese könnten sich über Kredite aus dem europäischen Topf refinanzieren, wenn die Arbeitslosigkeit im Land krisenbedingt stark steigt. So soll verhindert werden, dass Defizite in der Arbeitslosenversicherung den Staatshaushalt zu stark belasten und das betroffene EU-Mitglied womöglich an den Rand der Insolvenz treiben. Vorgesehen ist, dass das Geld spätestens nach fünf Jahren zurückgezahlt wird.

Der Vorschlag ist gut gemeint – aber falsch gedacht. Denn er lässt außer Acht, dass eine solche gemeinsame Versicherung gleich mit mehreren Fehlanreizen und Problemen behaftet ist:

Eine europäische Arbeitslosenversicherung würde den Anpassungsdruck an den Strukturwandel mindern. Einige Länder in der EU haben sehr große Arbeitsmarktsorgen, andere dagegen sehr kleine, wie ein aktueller Vergleich zeigt (Grafik):

Griechenland und Spanien hatten 2017 Arbeitslosenquoten von 21,5 und 17,2 Prozent – das war jeweils mehr als das Doppelte des EU-Durchschnitts von 7,6 Prozent.

Arbeitslosenquoten in den 28 EU-Ländern im Jahr 2017 Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Ebenfalls schwierig ist die Situation in Italien, Kroatien und Zypern mit jeweils mehr als 11 Prozent Arbeitslosen, und auch Frankreich und Portugal stehen mit über 9 Prozent nicht gut da. Am anderen Ende des Spektrums bewegen sich Deutschland und Tschechien mit Arbeitslosenquoten von jeweils unter 4 Prozent im Jahr 2017.

Die hohe Arbeitslosigkeit in Südeuropa hat in vielen Fällen strukturelle, sprich hausgemachte Ursachen.

Doch die hohe Arbeitslosigkeit in Südeuropa ist nur zum Teil konjunkturbedingt . In vielen Fällen hat sie strukturelle, sprich hausgemachte Ursachen. Eine starke Regulierung wie beispielsweise ein zu rigider Kündigungsschutz kann den Beschäftigungsaufbau in Zeiten des wirtschaftlichen Umbruchs behindern.

Warum eine europäische Arbeitslosenversicherung kontraproduktiv wäre

Wenn sich nun jene Länder, die ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben, darauf verlassen können, dass die Staatengemeinschaft der EU ihre Versäumnisse über eine europäische Arbeitslosenversicherung abfedert, dämpft dies den Reformeifer eher noch weiter.

Eine europäische Arbeitslosenversicherung würde den Anreiz der nationalen Versicherungen mindern, für Krisenzeiten vorzusorgen. Die Bundesagentur für Arbeit etwa dürfte Ende dieses Jahres mehr als 20 Milliarden Euro auf der hohen Kante haben und wäre damit für die nächste Konjunkturdelle recht gut gewappnet. Gäbe es eine europäische Rückversicherung, wäre der Aufbau solcher nationalen Rücklagen künftig sinnlos, weil im Fall stark steigender Ausgaben der EU-Topf einspringen würde.

Es gibt weder einen europäischen Arbeitsmarkt noch ein EU-Mandat für eine gemeinsame Beschäftigungspolitik. Das heißt, die Europäische Arbeitslosenversicherung wäre ein reiner Finanztopf, sie könnte aber nicht daran mitwirken, Arbeitslose beispielsweise über Schulungen und Weiterbildungen schneller wieder in Arbeit zu bringen.

Und eine gemeinsame Finanzierung des Risikos der Arbeitslosigkeit würde auch nicht mit einer ausreichend großen Arbeitskräftemobilität einhergehen. Griechen und Spanier zum Beispiel gehen zur Jobsuche selten nach Deutschland, um den dortigen Fachkräftebedarf zu decken. Arbeitskräftemobilität besteht momentan vorwiegend in eine Richtung: von Osteuropa in die prosperierenden nordwesteuropäischen Volkswirtschaften. Eine breitere Mobilität wäre aber Voraussetzung dafür, dass eine gemeinsame Beschäftigungspolitik überhaupt sinnvoll wird.

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