EU: Die Meinung der jungen Erwachsenen und Erstwähler
Erstmals dürfen zur diesjährigen Europawahl 16- und 17-Jährige in Deutschland ihre Stimme abgeben. Verglichen mit der Gesamtbevölkerung in der EU bewerten junge Menschen die Europäische Union im Durchschnitt positiver – und auch hinsichtlich der politischen Agenda zeigen sich unterschiedliche Prioritäten.
- Bei der diesjährigen Europawahl dürfen EU-weit rund zwei Millionen 16- und 17-Jährige wählen, darunter auch jene in Deutschland.
- Grundsätzlich sind die jungen Menschen der EU wohlgesonnen: 80 Prozent der 15- bis 24-Jährigen in der EU sind der Ansicht, dass ihr Land insgesamt von der EU-Mitgliedschaft profitiert; mit der Lage der Demokratie in der EU sind rund sechs von zehn jungen Europäern zufrieden.
- Allerdings haben nur vier von zehn in dieser Altersgruppe das Gefühl, die EU entwickle sich in die richtige Richtung.
Zu jung, um allein Auto zu fahren, alt genug, um Bier zu kaufen – und erstmalig alt genug, um die Mitglieder des Europäischen Parlaments zu wählen: In Deutschland dürfen bei der diesjährigen Europawahl auch 16- und 17-Jährige ihre Stimme abgeben, bislang lag das Mindestwahlalter in der Bundesrepublik bei 18 Jahren.
Während die Europawahl somit für viele junge Menschen in Deutschland die erste Wahl ihres Lebens ist, könnten einige schon einmal den Gang zur Urne angetreten haben. Denn bei innerdeutschen Wahlen entscheidet jedes Bundesland selbst, ab welchem Alter gewählt werden darf. Bei Kommunalwahlen etwa dürfen 16-Jährige bereits in der knappen Mehrheit der Länder ihre Stimme abgeben. Mit Berlin, Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein sowie den Vorreitern Bremen, Hamburg und Brandenburg gilt das in mittlerweile sieben Bundesländern auch für Landtagswahlen. Das Wahlalter für Bundestagswahlen liegt allerdings nach wie vor bei 18 Jahren.
Bei der bevorstehenden Europawahl haben unter 18-Jährige in lediglich vier weiteren Ländern das Privileg, schon wählen zu dürfen: in Griechenland zumindest die 17-Jährigen, in Österreich, Malta und Belgien auch die 16-Jährigen. Anfang Juni haben damit EU-weit rund zwei Millionen Menschen unter 18 Jahren das Recht, ihre Stimme abzugeben.
Das heißt aber auch: Gut sieben Millionen 16- und 17-Jährige in der EU dürfen dies nicht. Organisationen wie das European Youth Forum, die Plattform der nationalen Jugendvertretungen in Europa, kritisieren diese nationale Diskrepanz als willkürlich und fordern ein europaweites Wahlrecht für junge Menschen – schließlich solle dieses Recht nicht allein davon abhängen, in welchem Mitgliedsstaat jemand lebt. Das EU-Parlament empfahl bereits im Mai 2022 in einer Entschließung zum Wahlsystem, das Wahlalter in ganz Europa auf 16 Jahre zu senken.
Bei der diesjährigen Europawahl dürfen EU-weit rund zwei Millionen 16- und 17-Jährige wählen, gut sieben Millionen in diesem Alter hingegen nicht.
Doch wie stehen die jungen Europäer überhaupt zur Institution EU? Antworten liefert das Eurobarometer – eine regelmäßige Befragung von Einwohnern aller EU-Staaten im Auftrag der Europäischen Kommission. In der jüngsten Erhebung aus dem Frühjahr 2024 zeigt sich, dass die Jüngeren dem Staatenverbund vergleichsweise wohlgesonnen sind (Grafik):
80 Prozent der 15- bis 24-Jährigen in der EU sind der Ansicht, dass ihr Land insgesamt von der EU-Mitgliedschaft profitiert; im EU-Durchschnitt sind es 9 Prozentpunkte weniger.
Mit der Lage der Demokratie in der EU sind rund sechs von zehn jungen Europäern zufrieden. Auch sie betrachten allerdings mit Sorgen den Weg, den die EU aktuell einschlägt: Nur vier von zehn haben das Gefühl, die EU entwickle sich in die richtige Richtung.
Klimawandel wichtigstes Thema unter jungen Menschen
Ein Grund dafür könnte sein, dass die jüngere Generation andere politische Themen für zentral erachtet als der Gesamtbevölkerungsschnitt: Auf die Frage nach den wichtigsten Aufgaben der EU liegt bei den 15- bis 24-Jährigen der Kampf gegen den Klimawandel auf Platz eins. Ein Drittel in dieser Altersgruppe – so zum Beispiel auch die IW-Praktikantin und Erstwählerin Isabelle Walter (siehe Interview) – wünscht sich, dass die EU dieses Thema mit höchster Priorität behandelt. Im Durchschnitt aller EU-Bürger gilt das nur für rund ein Viertel.
Ähnlich groß sind die Unterschiede hinsichtlich der Themen humanitäre Hilfe und Entwicklungshilfe, der Förderung von Gleichberechtigung, Inklusion und Vielfalt sowie der Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft – diese drei Bereiche sehen die jungen Menschen als wichtiger an als der Durchschnitt. Umgekehrt bewerten junge Europäer die Verteidigungs- und die Agrarpolitik als weniger dringlich.
Interview: „Unsere Generation will viel verändern“
Isabelle Walter ist Schülerin in Hamburg und Praktikantin im Brüsseler Büro des IW. Bei der Europawahl darf die 17-Jährige zum ersten Mal wählen.
Werden Sie am 9. Juni wählen gehen?
Natürlich. Ich finde, das Wahlrecht ab 16 Jahren bringt für Menschen in meinem Alter eine gewisse Verantwortung mit sich. Unsere Generation will viel verändern – jetzt sollten wir für unsere Überzeugungen einstehen und wählen gehen.
Welche politischen Themen sind Ihnen wichtig?
Ganz zentral ist der Umwelt- und Klimaschutz, einfach aufgrund der riesigen Relevanz für unsere Zukunft. Aber auch der Bereich Digitalisierung und künstliche Intelligenz ist mir wichtig. Besonders bezüglich KI muss sich etwas tun – an den Schulen gibt es weder einheitliche Regelungen, in welchem Rahmen der Einsatz von KI erlaubt ist, noch Konzepte, die zeigen, wie sie im Unterricht helfen kann.
Fühlen Sie sich hinreichend über die anstehende Europawahl informiert?
Nicht wirklich. Ich habe das Gefühl, dass viele Leute in meinem Alter gar nicht wissen, dass sie wählen dürfen. Die meisten informieren sich nicht über die klassischen Nachrichten, sondern eher über die sozialen Medien oder den persönlichen Kontakt. Es wäre gut, wenn uns die Schulen über unser Wahlrecht aufklären würden und wir im Unterricht lernen, wofür die verschiedenen Parteien stehen. Das vermisse ich bislang.