Der Informationsdienst
des Instituts der deutschen Wirtschaft

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Handelspolitik Lesezeit 3 Min.

EU-Bürger befürwor­ten Freihandel und Abschottung

Fast die Hälfte der Bürger in den 28 EU-Ländern findet sowohl freien Handel als auch Protektionismus gut oder bewertet beides negativ. Allerdings vertreten die Europäer solche widersprüchlichen Positionen umso weniger, je gebildeter sie sind und je mehr sie insbesondere über die Europäische Union wissen.

Kernaussagen in Kürze:
  • Knapp drei Viertel der EU-Bürger verbinden mit dem Begriff Freihandel etwas Positives – zugleich haben aber auch 40 Prozent eine positive Einstellung zum Protektionismus.
  • Sogar die einzelnen Befragten vertreten oft eine widersprüchliche Meinung: Fast jeder dritte Europäer sieht sowohl den Freihandel als auch protektionistische Maßnahmen positiv.
  • Die Aussagen der Befragten fallen allerdings umso seltener inkonsistent aus, je gebildeter sie sind.
Zur detaillierten Fassung

Spätestens seit US-Präsident Donald Trump auf Konfrontationskurs mit den Handelspartnern der USA ging und die Briten für den Brexit stimmten, ist das Thema Protektionismus in den öffentlichen Debatten wieder sehr präsent. Auch mit Blick auf die kommende Europawahl ist es relevant, schließlich setzen viele der aufstrebenden populistischen Parteien quer durch die EU eher auf Abschottung denn auf offene Grenzen.

Daher stellt sich die Frage, welche Positionen die EU-Bürger in Sachen Handelspolitik vertreten – wollen sie europa- oder sogar weltweit freien Güteraustausch, weil sie als Konsumenten davon profitieren? Oder befürworten sie eine protektionistische Politik, zum Beispiel weil sie durch den freien Wettbewerb ihren Arbeitsplatz bedroht sehen? Die Antwort lautet erstaunlich oft: sowohl als auch.

EU-Bürger wollen freien Handel – aber auch Protektionismus

Dies geht aus Befragungen von rund 28.000 EU-Bürgern ab 15 Jahren im Rahmen des Eurobarometers hervor. So gaben im Frühjahr 2018 knapp drei Viertel der Europäer an, mit dem Begriff Freihandel etwas Positives zu verbinden. Zugleich hatten aber auch etwa 40 Prozent eine positive Einstellung zum Protektionismus.

In Zypern, Spanien, Rumänien und Griechenland war die Zustimmung zum Protektionismus mit rund 60 bis knapp 70 Prozent sogar fast ebenso hoch wie zum Freihandel.

Dass viele Befragte tatsächlich Positionen vertreten, die aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht widersprüchlich sind, belegen die Individualdaten des Eurobarometers vom Herbst 2017, die das Institut der deutschen Wirtschaft ausgewertet hat. Mit diesen Daten lässt sich nachvollziehen, welche Meinungen einzelne Personen zu den handelspolitischen Stoßrichtungen vertreten. Das Ergebnis (Grafik):

Fast jeder dritte EU-Bürger hat eine positive Einstellung sowohl zum Freihandel als auch zum Protektionismus. So viel Prozent der EU-Bürger haben folgende Einstellungen zum Freihandel und zum Protektionismus Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Ebenso wenig mit ökonomischen Grundsätzen vereinbar ist die Haltung von weiteren 15 Prozent der Befragten, die sowohl den freien Handel als auch protektionistische Maßnahmen ablehnen.

Mithilfe der Eurobarometer-Daten lassen sich aber auch einige Faktoren ermitteln, die die Einstellungen der Befragten maßgeblich beeinflussen. Einer davon ist der Arbeitsmarktstatus. So äußern sich arbeitslose EU-Bürger häufiger sowohl pro Freihandel als auch pro Protektionismus als die übrigen Befragten. Ebenso spielt die allgemeine wirtschaftliche Lage im jeweiligen Land eine Rolle: Wird diese positiv bewertet, fallen die Bewertungen von Freihandel und Protektionismus seltener inkonsistent aus.

Bildung verhindert Widersprüche

Eine große Rolle spielt aber auch der Faktor Bildung:

Je niedriger das Bildungsniveau der Befragten in der EU ist, desto häufiger befürworten sie sowohl den freien Handel als auch eine Politik der Handelshemmnisse.

Zugleich werden solche widersprüchlichen Positionen eher selten von jenen EU-Bürgern vertreten, die oft mit Freunden oder Bekannten über politische Themen diskutieren. Nicht zuletzt fallen die Antworten umso konsistenter aus, je mehr die Befragten speziell über die EU wissen.

Die widersprüchlichen Aussagen zum Freihandel beziehungsweise Protektionismus lassen sich also zumindest teilweise auf fehlende Kenntnisse über politische und wirtschaftliche Zusammenhänge zurückführen. Um den Wissensstand zu verbessern und die Europäer für die Gefahren protektionistischer Tendenzen zu sensibilisieren, muss dieses komplexe Thema intensiver öffentlich diskutiert werden. Damit die Debatten möglichst viele Bürger erreichen, sollte die EU eine breit angelegte Informationsstrategie konzipieren, die alle relevanten Medien abdeckt.

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