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Normalverdiener sollen weniger Einkommensteuer zahlen

Wenn es nach den Wahlprogrammen der großen Parteien geht, dürfen sich die Bundesbürger mit geringen und mittleren Einkommen auf eine zum Teil deutliche Entlastung bei der Einkommensteuer freuen. Für überdurchschnittlich gutverdienende Bundesbürger haben einige Parteien dagegen ganz andere Pläne.

Kernaussagen in Kürze:
  • Alle Parteien, die für eine Beteiligung an der künftigen Bundesregierung infrage kommen, haben mehr oder weniger konkrete Absichten, die Einkommensteuer zu reformieren.
  • Alle fünf vom IW analysierten Parteien wollen Gering- und Normalverdiener entlasten – wenn auch in sehr unterschiedlichem Maße.
  • Allerdings würde die Umsetzung der Reformpläne teils viel Geld kosten – am teuersten käme den Fiskus das Reformpaket der FDP mit 75 Milliarden Euro.
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In den vergangenen drei Legislaturperioden hat die Politik um das Thema Einkommensteuer weitgehend einen Bogen gemacht – größere Änderungen am Steuertarif gab es nicht. Dies könnte sich jedoch bald ändern, zumindest, wenn den Plänen in den Wahlprogrammen der Parteien auch Taten folgen. Denn alle, die für eine Beteiligung an der künftigen Bundesregierung infrage kommen, haben mehr oder weniger konkrete Reformabsichten. Im Einzelnen:

Alle Parteien, die für eine Beteiligung an der künftigen Bundesregierung infrage kommen, wollen Gering- und Normalverdiener bei der Einkommensteuer entlasten – wenn auch in sehr unterschiedlichem Maße.

  1. Bündnis 90/Die Grünen wollen den Grundfreibetrag erhöhen, ansonsten den Tarif für kleine und mittlere Einkommen allerdings unangetastet lassen. Wer als Single mehr als 100.000 Euro im Jahr verdient, soll dagegen mit einem Spitzensteuersatz von 45 statt 42 Prozent belastet werden. Der Reichensteuersatz – er gilt derzeit für Einkommen ab knapp 275.000 Euro bei Alleinveranlagung – soll von 45 auf 48 Prozent steigen.
  2. Die SPD will die oberen 5 Prozent der Einkommensteuerzahler stärker belasten, die restlichen 95 Prozent jedoch entlasten. Dem SPD-Vorsitzenden Norbert Walter-Borjans zufolge könnte das erste Ziel erreicht werden, indem der Spitzensteuersatz um 3 Prozentpunkte angehoben wird, aber erst ab einem höheren Einkommen ansetzt – derzeit sind es rund 58.000 Euro. Nähere Details offenbart das Wahlprogramm der Sozialdemokraten allerdings nicht.
  3. Die Linke hat dagegen sehr umfangreiche und konkrete Pläne mit der Einkommensteuer. Die Partei will den Grundfreibetrag für 2022 um 44 Prozent auf 14.400 Euro anheben. Zugleich soll der Spitzensteuersatz von 42 auf 53 Prozent steigen und dann ab 70.000 Euro Jahreseinkommen gelten. Den bisherigen Reichensteuersatz will die Linke auf 60 Prozent anheben und zudem einen zweiten Reichensteuersatz von 75 Prozent einführen. Dieser soll ab einem jährlichen Einkommen von 1 Million Euro greifen.
  4. CDU/CSU beschränken sich beim Thema Einkommensteuer in ihrem Wahlprogramm im Wesentlichen auf das allgemein formulierte Ziel, kleine und mittlere Einkommen zu entlasten und den Steuertarif regelmäßig an die Preisentwicklung anzupassen.
  5. Die FDP tritt für eine umfangreiche Steuerentlastung aller Einkommensklassen ein. Um dies zu erreichen, soll der Spitzensteuersatz erst ab 90.000 Euro anfallen und der sogenannte Mittelstandsbauch – der durch den im mittleren Einkommensbereich steil ansteigenden Steuertarif entsteht – komplett abgeschafft werden.

Das IW hat auf der Basis all dieser Pläne ausgerechnet, mit welchen Ent- oder Belastungen die Einkommensbezieher in Deutschland künftig konkret rechnen dürfen beziehungsweise müssen. Teils war dies allerdings nur mithilfe von Annahmen möglich, mit denen die parteipolitischen Ziele so plausibel wie möglich in konkrete Reformschritte übersetzt wurden. Das Ergebnis (Grafik):

Den Steuerplänen aller fünf berücksichtigten Parteien zufolge würden Gering- und Normalverdiener entlastet – wenn auch in sehr unterschiedlichem Maße.

Würde die Einkommensteuer so reformiert, wie es die jeweilige Partei in ihrem Wahlprogramm fordert, würde ein Single mit diesem Bruttogehalt im Jahr 2022 wie folgt ent- bzw. belastet, in Euro Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Jene Singles, die 25.000 Euro pro Jahr verdienen, kämen am besten weg, wenn die Reformpläne der Linkspartei realisiert würden – diese Steuerpflichtigen müssten dann im kommenden Jahr 1.074 Euro weniger zahlen. Wenn die FDP ihre Vorstellungen durchsetzen könnte, würden Alleinveranlagte mit einem Jahreseinkommen von 50.000 Euro um 2.484 Euro entlastet und damit stärker als die Bezieher geringer Einkommen. Am niedrigsten wären die Entlastungsbeträge den Plänen von SPD und Grünen zufolge – Singles mit einem Einkommen von bis zu 50.000 Euro dürften dann maximal mit 272 Euro Steuerersparnis rechnen.

In den oberen Einkommensklassen unterscheiden sich die Beträge allerdings wesentlich stärker. Während beispielsweise ein Single mit einem Jahresverdienst von 300.000 Euro laut FDP um gut 6.000 Euro entlastet werden soll, müsste er den Plänen der Linkspartei zufolge künftig fast 130.000 Euro mehr Steuern zahlen.

Steuerversprechen kosten teils hohe Milliardenbeträge

Die unterschiedlichen Reformstrategien der Parteien hätten auch Auswirkungen auf das Steueraufkommen:

Während die Grünen ihr Programm aufkommensneutral ausgestaltet haben, würde die Steuerreform der FDP den Fiskus voraussichtlich 75 Milliarden Euro kosten.

Die Ergebnisse in Sachen Steuerbe- und -entlastung lassen sich im Großen und Ganzen auch auf andere Haushaltstypen, also beispielsweise Paare mit und ohne Kinder übertragen. Verschiebungen treten vor allem bei jenen Parteien auf, die nicht nur am Grundfreibetrag und den Steuersätzen drehen, sondern auch den Tarifverlauf ändern möchten.

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