Porträt Lesezeit 5 Min.

Die Perfektionistin

Cheherazade Cheikh produziert seit sieben Jahren erfolgreich Naturkosmetik auf Sansibar. Vor allem Touristen und Hotels kaufen ihre handgefertigten Seifen, Öle und Cremes. Doch jetzt, wo die Gäste wegen der Pandemie ausbleiben, muss sie neue Vertriebsstrategien entwickeln.

Kernaussagen in Kürze:
  • Cheherazade Cheikh, 42, ist Unternehmerin auf Sansibar.
  • Zusammen mit ihrem Partner Gustaf Strömberg gründete sie 2011 ein Unternehmen für Pflegeprodukte, 2013 starteten sie mit der Herstellung von Seifen und Ölen.
  • Mittlerweile beschäftigt sie mit ihrer Firma Inaya Zanzibar 22 Mitarbeiter. Weil coronabedingt kaum Touristen nach Ostafrika kommen, baut sie nun den Online-Shop aus.
Zur detaillierten Fassung

Was für ein Timing: Am 7. März 2020 eröffnet Cheherazade Cheikh ihren Online-Shop. Seitdem kann man die Produkte von Inaya Zanzibar - handgefertigte Seifen, Körperöle, Badesalze und Lippenpflege - auch per Internet ordern. Das funktioniert zwar noch nicht weltweit, aber immerhin beliefert Cheikh, Gründerin des Pflegeproduktunternehmens, nun auch einige andere afrikanische Länder sowie Europa und die USA. Der Online-Shop könnte ihr geschäftlicher Rettungsanker werden. Denn keine anderthalb Wochen später, am 18. März, gibt es auf Sansibar den ersten Corona-Fall.

Die beiden ersten Infizierten auf Sansibar sind Urlauber aus Deutschland. Ganz plötzlich müssen alle Touristen nach Hause zurückfliegen, Hotels schließen, der internationale Flugverkehr auf Sansibar, einer teilautonomen Inselgruppe im Indischen Ozean vor Tansania, wird eingestellt. Es kommt zum Shutdown. Der wichtigste Wirtschaftszweig des Urlaubsparadieses liegt darnieder: der Tourismus. Im Jahr 2019 besuchten 500.000 Urlauber Sansibar, rund 70.000 Arbeitsplätze hängen direkt vom Tourismus ab, der für rund 80 Prozent der Deviseneinahmen sorgt.

Der Anfang März eröffnete Online-Shop könnte der Rettungsanker für die Firma Inaya Zanziber werden, denn die Verkäufe über die traditionellen Vertriebskanäle sind seit Ausbruch der Corona-Krise um 95 Prozent zurückgegangen.

Unternehmerin Cheherazade Cheikh produziert seit sieben Jahren erfolgreich Naturkosmetik auf Sansibar; Foto: privat „Auch unser Geschäft ist extrem abhängig vom Tourismus“, sagt Cheikh. Als ihre Firma 2013 mit der Seifenproduktion in einem Neubau keine zehn Kilometer von Stone Town, dem ältesten Stadtteil von Sansibar-Stadt, beginnt, ist das Essque Zalu, ein Luxushotel im Norden der Insel, ihr erster Kunde. Bald ziehen weitere Hotels und Lodges nach.

„Viele Hotels in Sansibar und auch in Tansania haben früher Gästeseifen und -shampoos zu Billigpreisen in China eingekauft“, erklärt Cheikh, die nach einem Managementstudium früher selbst im Tourismus in Ostafrika gearbeitet hat. „Wir waren damals eine völlig unbekannte Marke, doch die Touristen lieben unsere Produkte, weil wir ausschließlich natürliche Ingredienzen aus Afrika verwenden und zu hochqualitativen Produkten verarbeiten.“

In der Produktion arbeiten ausschließlich Frauen

Nach sechs Monaten erweitert Cheikh das Sortiment um Kosmetikprodukte für den Einzelhandel. Körperöle, Seifen und Hautpflege der Marke Inaya Zanzibar werden seitdem auch in Touristenshops und Läden verkauft – zunächst nur auf Sansibar, seit 2015 auch auf dem tansanischen Festland. Das Geschäft, angekurbelt durch jährliche Messebesuche in Tansania und erfolgreiches Marketing, floriert. Aus vier Mitarbeitern werden 22, allesamt Frauen bis auf den Wachschutz. Im Jahr 2018 eröffnet Cheikh in Stone Town den ersten eigenen Showroom.

Auch die Produktion braucht mehr Platz: Cheikh lässt das Firmengebäude, das bislang 200 Quadratmeter Fläche für die Angestellten, die Maschinen und die Rohwaren bot, Anfang 2020 auf 600 Quadratmeter vergrößern. Sie tut dies nicht nur deshalb, weil Inaya Zanzibar Jahr für Jahr mehr Umsatz erzielt, sondern auch, weil ihr Businessplan dies vorsieht: Auf Sansibar müssen Firmengründer ein Mindestvolumen von 500.000 Dollar investieren, so sehen es die „Rules of Investment“ dort vor. Cheikh und ihr Geschäftspartner Gustaf Strömberg haben sich das Geld für ihre Geschäftsidee bei ihren Familien geliehen und im Gründungsjahr mit 150.000 Dollar Startkapital begonnen. In den folgenden Jahren haben die beiden Firmeninhaber immer wieder in ihr Unternehmen investiert, das Soll von 500.000 Dollar erreichten sie bereits Anfang 2017.

Es gibt wenig Konkurrenz vor Ort

Eigentlich ist die handwerkliche Herstellung von hochwertiger und natürlicher Kosmetik auf Sansibar eine sichere Bank. „Wir haben hier nicht viel Konkurrenz“, sagt die Unternehmensgründerin. Und es lief ja auch: Bis die Pandemie kam, wurden Inaya-Zanzibar-Produkte zu knapp 60 Prozent auf Sansibar, zu etwa 40 Prozent auf Tansania-Festland und zu rund 2 Prozent in Ruanda, Uganda sowie auf den Seychellen und Mayotte verkauft. Außerdem nimmt das Unternehmen als eines von fünf auf Sansibar am GIZ-Programm „Creating Perspectives“ teil, das ostafrikanischen Unternehmen beim Marketing und Export unterstützt.

Doch die Pandemie änderte fast alles. „Von der Ebola-Krise war der Tourismus in Afrika nur leicht berührt, mit Corona ist das ganz anders“, sagt die 42-jährige Unternehmerin. Obwohl die Insel einen monatelangen Shutdown erlebte und auch jetzt, wo die Grenzen wieder geöffnet sind, nur sehr wenige Touristen nach Sansibar kommen, hat Cheikh die ganze Zeit weiter produzieren lassen und den Laden offen gehalten. „Wir haben die Mitarbeiter gefragt: Wollt Ihr weiterhin kommen? Und sie wollten“, erklärt sie. Also hat sie Waschstationen eingerichtet, Masken verteilt und Aufklärung betrieben – ihre Mitarbeiterinnen dachten nämlich, dass Ingwertee mit Zitrone gegen Coronaviren hilft. Viel verdient hat Cheikh in den zurückliegenden Monaten nicht: Ihre Umsätze im Shop und in der Fabrik sind seit Mitte März um rund 95 Prozent zurückgegangen.

Sansibar-Seifen sollen bald auch in Europa angeboten werden

Weltweit haben in den vergangenen Monaten viele Unternehmen ihre Produktion umgestellt: Bekleidungshersteller nähen nun Masken und Schutzkleidung im Akkord, Chemiekonzerne produzieren tonnenweise Desinfektionsmittel. „Wir haben natürlich auch darüber nachgedacht, andere Dinge wie beispielsweise Hand-Desinfektionsmittel herzustellen“, so Cheikh. „Aber dafür braucht man Ethanol, das leicht entflammbar ist. Und wir sind noch nicht zu 100 Prozent sicher, ob wir das gut hinbekommen. Wenn wir etwas tun, wollen wir es besonders gut machen und mit einer langfristigen Perspektive – und nicht, weil es gerade alle tun.“

Stattdessen optimiert die Unternehmerin in diesen Wochen des Wartens ihre Geschäfts- und Produktionsprozesse. „Wir fokussieren uns jetzt auf den Export. Um den Online-Shop weiter auszubauen, werden wir verstärkt Online-Marketing betreiben. Außerdem wollen wir unsere Produkte in Europa zulassen, damit wir sie dort auch im Einzelhandel verkaufen können.“ Und was ist 2021? Dann gibt es hoffentlich einen Corona-Impfstoff. Und wieder mehr Touristen in Afrika.

Das könnte Sie auch interessieren

Meistgelesene