Die Integration von Flüchtlingen erfordert einen langen Atem
Nach den beiden Rekordjahren 2015 und 2016 ist die Zahl der Asylbewerber im vergangenen Jahr deutlich gesunken. Eine neue IW-Studie zeigt zudem, dass ihre Integration in den Arbeitsmarkt zwar erste Fortschritte macht, die Beschäftigungsquoten aber noch weit unter denen liegen, die andere Ausländer in Deutschland üblicherweise erreichen.
- Im Vergleich zum Rekordjahr 2016 ist die Zahl der formalen Asylanträge in Deutschland im vergangenen Jahr um rund 70 Prozent auf knapp 223.000 gesunken.
- Einem großen Teil der Flüchtlinge fehlen die erforderlichen Qualifikationen, um auf dem deutschen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen.
- Flüchtlinge werden aufgrund dessen häufig mit einfachen Jobs vorliebnehmen müssen. Für anspruchsvollere Beschäftigungen sind entsprechende Nachqualifizierungsmaßnahmen nötig, die auch berufsbegleitend angeboten werden sollten.
Die Zahl der offiziell neu registrierten Asylbewerber lag im vergangenen Jahr bei knapp 187.000 und hat damit die im Bundestagswahlkampf viel diskutierte Obergrenze von 200.000 unterschritten.
Korrekterweise müssen jedoch noch jene Personen hinzugezählt werden, die 2017 im Rahmen des Familienzuzugs zu ihren Angehörigen nach Deutschland gekommen sind, sowie jene, die auf der Basis sogenannter Resettlement- und Relocation-Programme aufgenommen wurden. Diese Programme richten sich zum einen an besonders schutzbedürftige Flüchtlinge, die in dem Land, in das sie zuerst geflüchtet sind, keine Chance auf Integration haben und auch nicht in ihr Heimatland zurückkehren können, und zum anderen an Asylsuchende aus EU-Mitgliedsstaaten, deren Asylsysteme – wie in Griechenland und Italien – stark beansprucht werden. Dennoch:
Im Vergleich zum Rekordjahr 2016 ist die Zahl der formalen Asylanträge im vergangenen Jahr um rund 70 Prozent auf knapp 223.000 gesunken.
Aus welchen Ländern die Flüchtlinge kommen
Hinter den sinkenden Flüchtlingszahlen stecken vor allem die Schließung der sogenannten Balkanroute und die Verschärfung der Asylgesetzgebung in Deutschland.
In den Jahren 2012 bis 2015 zum Beispiel kam jeweils fast ein Drittel der Asylbewerber aus den Balkanländern Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Mazedonien, Montenegro und Serbien – und das, obwohl diese Staaten nicht von besonderen Krisen betroffen waren.
Erst nachdem sie von Deutschland zu sicheren Herkunftsländern erklärt wurden, sank der Anteil der Flüchtlinge aus diesen Ländern auf weniger als 10 Prozent.
Der Syrienkonflikt und die gleichzeitige Verschlechterung der Sicherheitslage im Irak lässt sich ebenfalls in der Statistik ablesen (Grafik):
Kamen im Jahr 2013 erst rund 13 Prozent aller Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak, waren es 2016 schon 49 Prozent.
Inzwischen führen Afrikaner die Rangliste der Herkunftsregionen an. Doch auch hier muss man genauer hinschauen: So ist zwar der Anteil der Afrikaner an allen Asylbewerbern in Deutschland von 11 Prozent im Jahr 2016 auf knapp 24 Prozent im vergangenen Jahr gestiegen – ihre absolute Zahl aber ist von rund 82.000 auf 53.000 gesunken.
Wie viele Flüchtlinge in Deutschland bleiben dürfen
Auch die Ergebnisse der Asylverfahren haben sich in den vergangenen Jahren signifikant verändert. Hatte sich der Anteil der positiven Bescheide im Zeitraum von 2014 bis 2016 noch auf 62 Prozent verdoppelt, geht er seitdem wieder zurück: Im vergangenen Jahr wurden lediglich 43 Prozent positiv beschieden, im ersten Quartal 2018 waren es sogar gerade mal noch 32 Prozent.
Die Beschäftigungsquote der Flüchtlinge in Deutschland ist niedrig. Weniger als 25 Prozent von ihnen sind sozialversicherungspflichtig oder zumindest geringfügig beschäftigt.
Das bedeutet jedoch umgekehrt nicht, dass alle, deren Asylantrag abgelehnt wird, Deutschland auch tatsächlich verlassen. Gibt es triftige Hindernisgründe für eine Abschiebung, zum Beispiel fehlende Dokumente oder eine Krankheit, bekommen die Betroffenen den Status der Duldung:
Von Ende 2012 bis Ende 2015 hat sich die Zahl der Geduldeten von 86.000 auf 156.000 fast verdoppelt, ist aber bis Ende 2017 nur noch auf 167.000 angestiegen.
Allerdings ist davon auszugehen, dass ein sehr großer Teil der abgelehnten Asylbewerber Rechtsmittel einlegt und deshalb – vorerst – in Deutschland bleibt. Da die Asylkammern der Verwaltungsgerichte der Klagewelle kaum gewachsen sind, wird es wohl zu sehr langen Verfahrensdauern kommen.
Wie gut die Integration in den Arbeitsmarkt gelingt
Zur Wahrheit über die Flüchtlinge in Deutschland gehört auch, dass – anders als zu Beginn des starken Zuzugs in den Jahren 2015 und 2016 vermutet – ein großer Teil von ihnen keine günstigen Voraussetzungen mitbringt, um auf dem deutschen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Den meisten Flüchtlingen fehlt schlicht die erforderliche Qualifikation:
Über 86 Prozent der Arbeitsuchenden aus den acht wichtigsten Zugangsländern hatten Anfang 2018 keine (formale) Berufsausbildung vorzuweisen.
Zwar ist die weitverbreitete Auffassung falsch, dass jene Geflüchteten, die auf dem deutschen Arbeitsmarkt bereits Fuß gefasst haben, lediglich einfache Tätigkeiten ausüben. Richtig ist aber, dass die Beschäftigungsquoten auffallend niedrig sind (Grafik):
Von den Erwerbsfähigen aus den acht wichtigsten Zugangsländern waren Anfang 2018 weniger als 25 Prozent sozialversicherungspflichtig oder zumindest geringfügig beschäftigt.
Zum Vergleich: Die Beschäftigungsquote aller anderen Ausländer in Deutschland beträgt annähernd 43 Prozent, die der Bundesbürger liegt sogar bei fast 68 Prozent.
Weil die meisten arbeitsuchenden Flüchtlinge die Voraussetzungen für eine qualifizierte Beschäftigung nicht erfüllen, ist davon auszugehen, dass sie – wenn ihnen irgendwann der Einstieg in den deutschen Arbeitsmarkt gelingt – zumeist mit einfachen Jobs vorliebnehmen müssen.
Sollen diese Menschen die Chance auf eine anspruchsvollere Beschäftigung bekommen, sind entsprechende Nachqualifizierungsmaßnahmen nötig, die auch berufsbegleitend angeboten werden sollten.
Ohnehin ist für die Integration von Flüchtlingen ein langer Atem nötig: So hat es in der Vergangenheit im Schnitt fünf Jahre gedauert, bis die Hälfte der nach Deutschland Geflüchteten eine Arbeit gefunden hatte.