Arbeitnehmervertretung Lesezeit 3 Min.

Der Rückhalt für Betriebsräte schwindet

Mitbestimmen im Unternehmen – das können Beschäftigte über einen Betriebsrat. Doch die Zahl der Arbeitnehmervertretungen geht seit den 1990er Jahren zurück. Und auch das Interesse am Gremium scheint zu sinken, wie eine Auswertung des Betriebsratswahljahres 2022 zeigt.

Kernaussagen in Kürze:
  • Das Recht zur Gründung eines Betriebsrats wird in Firmen immer seltener in Anspruch genommen. Nur 8 Prozent hatten 2021 eine solches Gremium.
  • Bei den Wahlen 2022 war der Rückhalt für die Betriebsräte in Unternehmen mit bis zu 249 Mitarbeitern am größten.
  • In der Industrie ist gut jeder fünfte gewählte Betriebsrat weiblich, in der Dienstleistungsbranche sind es fast 45 Prozent.
Zur detaillierten Fassung

Fünf ist die magische Grenze. Ab so vielen Angestellten darf die Belegschaft eines Betriebs in Deutschland einen Betriebsrat gründen. Seit 1972 sind die Regelungen zur Interessenvertretung der Arbeitnehmer im Betriebsverfassungsgesetz festgeschrieben. Gewählt wird seit 1990 im Rhythmus von vier Jahren.

Das Recht zur Gründung eines Betriebsrats wird in Firmen aber immer seltener in Anspruch genommen (Grafik):

Sowohl in West- als auch in Ostdeutschland hatten im Jahr 2021 nur 8 Prozent der berechtigten Unternehmen einen Betriebsrat.

So viel Prozent der Betriebbe hatten einen Betriebsrat Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen Im Jahr 1996 lag der Anteil noch bei 12 beziehungsweise 11 Prozent. Auch die Zahl der Angestellten, die von den Gremien vertreten wird, ist in den vergangenen Jahrzehnten gesunken. So arbeiteten im Jahr 2021 im Westen 39 und im Osten 34 Prozent der Beschäftigten in einem Unternehmen mit Betriebsrat. Im Jahr 1996 wurden noch 51 beziehungsweise 43 Prozent der Beschäftigten durch einen Betriebsrat vertreten.

Den größten Rückhalt haben Betriebsräte in Deutschland in Unternehmen mit bis zu 249 Mitarbeitern.

Diese Entwicklung lässt sich auf zwei Gründe zurückführen: Zum einen verschwinden Betriebsräte schlicht deswegen, weil ihre Unternehmen nicht mehr fortbestehen. Zum anderen gründen Mitarbeiter trotz eines 2001 eingeführten vereinfachten Wahlsystems weiterhin nur selten einen neuen Betriebsrat.

Da im Jahr 2022 erneut gewählt wurde, hat das Institut der deutschen Wirtschaft die Zusammensetzung der Betriebsräte, ihren Gewerkschaftsanteil sowie die allgemeine Wahlbeteiligung genauer untersucht. Insgesamt befragte das IW rund 750 Unternehmen in Deutschland, in denen 240.000 Wahlberechtigte tätig sind. 73 Prozent der Betriebe, die teilgenommen haben, sind dem Produzierenden Gewerbe zuzuordnen, 27 Prozent dem Dienstleistungssektor. Grundsätzlich lässt sich sagen:

Je höher die Wahlbeteiligung ist, desto größer ist auch der Rückhalt für den Betriebsrat in der Belegschaft.

Wahlbeteiligung variiert nach Betriebsgröße

Am besten schnitten bei den Wahlen im Frühjahr 2022 unter diesem Aspekt Unternehmen mit bis zu 249 Mitarbeitern ab. Drei Viertel der Beschäftigten nutzten hier ihr Stimmrecht und wählten ihre Vertretung. Mit steigender Firmengröße sank die Wahlbeteiligung. In den Unternehmen mit 250 bis 1.000 Angestellten wählten gut 65 Prozent einen neuen Betriebsrat, in größeren Konzernen gingen nur knapp 54 Prozent an die Urne. Über alle Betriebsgrößen hinweg gaben 69 Prozent der Wahlberechtigten ihr Votum ab. Im Vergleich zu den Wahlen im Jahr 2018 ist das ein Rückgang von rund 5 Prozentpunkten.

Große Konstanz gibt es dagegen sowohl in der Industrie als auch in der Dienstleistungsbranche bei der Zusammensetzung der Betriebsräte (Grafik):

Zwei Drittel der Betriebsratsmitglieder in Industrie und im Dienstleistungssektor wurden im Frühjahr 2022 wiedergewählt.

So viel Prozent der bei den Betriebsratswahlen 2022 gewählten Betriebsräte verfügen über diese Merkmale Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen Bereits bei vorherigen Wahlen waren solche Ergebnisse zu beobachten. Erfahrung in der Arbeit als Betriebsratsmitglied scheint demnach eine wichtige Rolle zu spielen. Entsprechend sind die Gremiumsmitglieder im Schnitt eher ältere Beschäftigte. Mehr als die Hälfte von ihnen ist 46 Jahre alt oder älter. Weniger als 10 Prozent sind jünger als 30 Jahre.

Unterschiede zwischen den Branchen

Einen großen Unterschied, was das Alter angeht, gibt es zwischen Produzierendem Gewerbe und Dienstleistungssektor nicht. Wohl aber bei der Frage nach dem Geschlecht:

In der Industrie ist gut jeder fünfte Betriebsrat weiblich, in der Dienstleistungsbranche sind es fast 45 Prozent.

Zusammengenommen liegt der Frauenanteil in den Betriebsräten der Unternehmen, die sich an der Studie beteiligt haben, bei knapp 28 Prozent. Betrachtet man nur die Betriebsratsvorsitzenden, sinkt der Anteil auf etwa 18 Prozent.

Große Unterschiede gibt es zwischen den Wirtschaftszweigen auch beim Thema Gewerkschaften. So ist im Produzierenden Gewerbe die Hälfte der Betriebsräte Mitglied in einer Arbeitnehmerorganisation. Der Dienstleistungssektor hinkt mit rund 12 Prozent deutlich hinterher. Zur Einordnung: In Deutschland sind rund 17 Prozent der Arbeitnehmer Teil einer Gewerkschaft.

Im Vergleich zur Wahl 2018 ist die Zahl der Unternehmen, in denen kein Betriebsratsmitglied Teil einer Gewerkschaft ist, stark gestiegen. Eine solche Situation gibt es derzeit in jeder zweiten befragten Firma. Die IW-Auswertung zeigt: In Unternehmen mit gewerkschaftlichen Betriebsräten werden die gesetzlich festgelegten Freistellungen für Gremiumsmitglieder häufiger übererfüllt. Gleichzeitig sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass sich Betriebsräte vollständig von ihrer eigentlichen Arbeit freistellen lassen, um ihrer Tätigkeit als Arbeitnehmervertreter nachzugehen.

Das könnte Sie auch interessieren

Meistgelesene