Auf in die Schlichtung
Nach dem Scheitern der Tarifverhandlungen läuft im Bauhauptgewerbe heute das Schlichtungsverfahren an. Die Chancen stehen gut, dass am Ende ein für Arbeitgeber und Arbeitnehmer akzeptabler Kompromissvorschlag auf dem Tisch liegt. Denn: Schlichtungen haben generell eine hohe Erfolgsquote, wie eine Auswertung des Instituts der deutschen Wirtschaft zeigt.
- Eine IW-Auswertung von Tarifkonflikten für 14 Branchen zeigt, dass Schlichtungen eine hohe Erfolgswahrscheinlichkeit haben: Sie mündeten seit dem Jahr 2000 zu 68 Prozent in einen Tarifabschluss.
- Die Spanne liegt zwischen 20 Prozent im öffentlichen Dienst und 100 Prozent bei der Deutschen Telekom – im Bauhauptgewerbe waren in den vergangenen 17 Jahren vier von insgesamt sechs Schlichtungen erfolgreich.
- Alle Schlichtungsverfahren basieren auf der „Margarethenhof-Vereinbarung“ zwischen BDA und DGB, unterscheiden sich von Branche zu Branche aber in einigen Modalitäten.
Am 23. April hat der Bundesvorstand der IG BAU die Tarifgespräche mit den Bau-Arbeitgebern nach drei erfolglosen Verhandlungsrunden für gescheitert erklärt. Nun beginnt im Baugewerbe das Schlichtungsverfahren unter der Leitung des ehemaligen Bundeswirtschaftsministers Wolfgang Clement. Knackpunkt des Tarifkonflikts ist diesmal vor allem der Lohn. Die Gewerkschaft fordert 6 Prozent mehr Gehalt und eine erste Angleichung der Ostlöhne an das Westniveau bei einer Laufzeit von 14 Monaten. Die Arbeitgeber bieten zwar jene 6 Prozent – allerdings bei einer Laufzeit von 24 Monaten.
Gleichwohl stehen die Chancen gut, dass die Schlichtung zu einem Kompromiss führt. Und das nicht nur weil Wolfgang Clement ein versierter Schlichter ist, sondern weil Schlichtungsverfahren generell gute Aussichten auf Erfolg haben, wie eine Auswertung der IW-Tarifdatenbank für 14 Branchen zeigt (Grafik):
Von 2000 bis 2017 kam es in sechs Branchen zu insgesamt 38 Schlichtungsverfahren – in 26 davon wurde eine Einigung erzielt, die Erfolgsquote liegt also bei 68 Prozent.
Von Branche zu Branche gibt es allerdings erhebliche Unterschiede. Während im öffentlichen Dienst nur 20 Prozent der Schlichtungen in einen Abschluss mündeten, wiesen die anderen fünf Branchen deutlich höhere Erfolgsquoten auf:
- Die Deutsche Telekom schlichtet am erfolgreichsten. Dort führten alle vier Verfahren in den vergangenen 17 Jahren zu einer Einigung.
- In der traditionell friedlichen Chemie war in dieser Zeit ohnehin nur einmal – nämlich im Spartenkonflikt der Werksfeuerwehren – eine Schlichtung nötig und diese brachte dann die Lösung.
- Die schlechte Bilanz im öffentlichen Dienst geht vor allem auf das Verhalten der Gewerkschaften zurück. Die Arbeitnehmervertreter haben den Schlichterspruch dreimal abgelehnt, und zwar 2000, 2008 und 2015. Die Arbeitgeber dagegen waren nur 2002 nicht einverstanden. In den Jahren 2002 und 2008 gelang es den Tarifparteien dann aber trotzdem, den Konflikt kurze Zeit später ohne weitere Eskalation beizulegen.
- Im Luftverkehr musste am häufigsten geschlichtet werden: Neun Tarifkonflikte mündeten in das Moderationsverfahren – in immerhin sieben davon stand am Ende eine einvernehmliche Lösung.
Von den sechs Schlichtungen, die im Baugewerbe von 2000 bis 2017 stattfanden, haben vier einen Tarifabschluss gebracht.
Auch im Bauhauptgewerbe sind Schlichtungen nichts Ungewöhnliches, die aktuelle ist die siebte seit dem Jahr 2000 – von den vorherigen sechs Verfahren brachten zwei Drittel einen Abschluss.
Bereits zum fünften Mal übernimmt der ehemalige SPD-Politiker Wolfgang Clement dabei die Rolle des vorsitzenden Schlichters. Sein vorherigen vier Einsätze waren allesamt von Erfolg gekrönt: Dreimal wurde Clements Schlichterspruch direkt angenommen. Lediglich bei seinem ersten Einsatz 2007 lehnte die Gewerkschaftsseite den Kompromissvorschlag zunächst ab, akzeptierte ihn später mit geringfügigen Änderungen aber doch.
Mit dem heutigen Beginn der ersten Verhandlungsrunde bleiben Clement 14 Tage Zeit, um eine Einigung zu erreichen oder einen Schiedsspruch zu fällen. Dieser muss dann innerhalb zweier weiterer Wochen von den Arbeitgebern und der Gewerkschaft angenommen oder abgelehnt werden. Kommt es zu einer Ablehnung durch eine Seite, endet die Friedenspflicht und es drohen Streiks.
Konfliktstufe Schlichtung: Die Spielregeln
Das Schlichtungsverfahren gilt als eigenständige Eskalationsstufe in Tarifkonflikten (siehe „Tarifkonflikte: Zwölf Monate Verschnaufpause“). Sinn und Zweck der Schlichtung ist jedoch das genaue Gegenteil: die Eskalation zu verhindern, also die Tarifstreitigkeiten beizulegen, ohne dass es zu weiteren Arbeitskampfmaßnahmen wie Warnstreiks oder flächendeckenden Ausständen kommt.
Meist wird dazu ein überparteilicher Schlichter ins Boot geholt. Die Schlichtung folgt freiwilligen, tarifvertraglichen Regelungen, die branchenspezifische Unterschiede aufweisen.
Ihren Ursprung haben alle Schlichtungen in der „Margarethenhof-Vereinbarung“. Dieses Abkommen wurde 1954 zwischen der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) als eine Art Musterschlichtungsordnung geschlossen. Deren wichtigste Elemente sind:
- der automatische Beginn des Schlichtungsverfahrens nach dem Scheitern von Tarifverhandlungen,
- die Friedenspflicht bis zum Ende der Schlichtung,
- die zahlenmäßig gleiche Besetzung der Schlichtungsstelle durch die Arbeitgeberseite und die Gewerkschaften sowie
- das nicht als verpflichtend zu betrachtende Ergebnis der Schlichtung.
Ein neutraler Vorsitzender ist in der Musterschlichtung dagegen nicht vorgesehen.
In den branchenspezifischen Schlichtungsordnungen finden sich alle vier Basiselemente wieder, teils in abgewandelter Form. Allerdings werden in der Regel ein oder zwei neutrale Schlichter berufen:
Im Bauhauptgewerbe beispielsweise setzt sich das Schlichtungsverfahren sofort in Gang, wenn eine Partei die Verhandlungen für gescheitert erklärt – im aktuellen Fall war es die Arbeitnehmerseite. Die Schlichtungsstelle besteht aus jeweils vier Vertretern der Gewerkschaft und der Arbeitgeber sowie einem neutralen Vorsitzenden.