Analoge Klassenzimmer
Ob zu Hause, im Urlaub oder im Sportverein: Digitale Medien sind aus dem Alltag der meisten Menschen nicht mehr wegzudenken. Nur in der Schule steckt die Digitalisierung noch in den Kinderschuhen – auch, weil vorhandene finanzielle Mittel nicht genutzt werden.
- Laut der Studie „Jugend, Information, (Multi) Media“ arbeiten unabhängig von der Schulform lediglich 42 Prozent aller Schüler in der Schule mindestens einmal pro Woche am Computer oder recherchieren im Internet.
- Eine Erhebung der Bertelsmann Stiftung zeigt, dass viele Lehrer immer noch stark auf klassische Unterrichtsmaterialien setzen.
- Die unzureichende technische Ausrüstung ist für Lehrer der Hauptgrund dafür, dass die Digitalisierung in den Klassenzimmern so langsam voranschreitet.
Ein leckerer Früchtesmoothie am Rheinufer, ein neues Kleid aus dem Schlussverkauf oder ein erfolgreiches Work-out im Fitnessstudio – egal, was in ihrem Leben passiert, die meisten Jugendlichen in Deutschland zücken ihr Handy und teilen die Neuigkeiten mit der Welt. Sie surfen im Internet, chatten über WhatsApp und veröffentlichen Fotos auf Instagram – oft stundenlang am Tag.
Das gilt allerdings nicht nur für ihr Privatleben. Viele Schüler nutzen die digitalen Angebote auch für Hausaufgaben, Referate oder Facharbeiten. Von den etwa 100 Minuten, die sie im Schnitt täglich mit Schulaufgaben verbringen, entfällt rund eine Dreiviertelstunde auf Computer und Internet, so die aktuelle Studie „Jugend, Information, (Multi) Media“ (JIM) des Medienpädagogischen Forschungsverbunds Südwest.
Wenig digitale Medien im Unterricht
Doch dort, wo die Schüler auf den angeblichen Ernst des Lebens vorbereitet werden sollen – im Klassenzimmer –, passiert in Sachen digitale Medien noch viel zu oft: nichts. Wie die JIM-Studie zeigt, arbeiten unabhängig von der Schulform lediglich 42 Prozent aller Schülerinnen und Schüler in der Schule mindestens einmal pro Woche am Computer oder recherchieren im Internet (Grafik):
12 Prozent der Schüler kommen im Unterricht sogar überhaupt nicht mit digitalen Medien in Berührung.
In der Konsequenz entstehen dadurch zwei verschiedene Lernwelten: Während soziale Netzwerke und digitale Medien für das eigenständige Lernen selbstverständlich sind, ist ihr Einfluss im schulischen Unterricht marginal.
Nur 16 Prozent der Lehrkräfte in Deutschland halten laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung die digitale Ausstattung ihrer Schulen für sehr gut.
Die Jugendlichen stellen sich das anders vor, wie aus dem „Monitor Bildung“ der Bertelsmann Stiftung hervorgeht. Darin geben 89 Prozent aller Schüler an, dass der Unterricht aus einem Mix aus traditionellen Materialien wie Büchern und Arbeitsblättern und neuen Medien wie Lern-Apps oder Lehrvideos bestehen sollte. Und 88 Prozent empfehlen ihren Lehrern, häufiger etwas mit digitalen Medien auszuprobieren. Dazu gehören Internetrecherche, das Arbeiten mit Bild- und Videoprogrammen, Lern-Applikationen sowie das Erstellen von Präsentationen mit sozialen Medien. Viele Lehrer aber setzen nur zögerlich auf die Möglichkeiten, die ein digitaler Unterricht bietet:
Laut Bertelsmann Stiftung nutzen nur 15 Prozent aller Lehrkräfte digitale Medien vielseitig in der Stundengestaltung. Nahezu 50 Prozent gaben an, selten von traditionellen Lehrmaterialien abzuweichen.
Aufgrund fehlender Richtlinien für die digitalisierte Schule, so das Fazit der Studie, hängt die Einbindung moderner Medien in den Unterricht stark vom individuellen Engagement des Lehrpersonals ab. Das sehen die Lehrkräfte selbst offenbar genauso – zumindest theoretisch: Obwohl rund die Hälfte von ihnen fast ausschließlich mit klassischen Lehrmaterialien unterrichtet, sehen sich 87 Prozent von ihnen als Impulsgeber für die Einführung digitaler Medien im Unterricht. Nur 36 Prozent der Lehrer sagen, dass die Schulleitungen die treibende Kraft seien.
Dass die Digitalisierung in der Schule trotzdem noch nicht richtig angekommen ist, hat verschiedene Gründe (Grafik):
Fast drei Viertel der Lehrerinnen und Lehrer beklagen die unzuverlässige Technik und rund zwei Drittel sagen, die technische Ausstattung sei zu teuer.
Darüber hinaus sind nur 22 Prozent der Lehrkräfte der Meinung, digitale Medien im Unterricht seien förderlich für die Sozialkompetenz der Schüler. Angesichts der Tatsache, dass ein Großteil der sozialen und gesellschaftlichen Kommunikation von Jugendlichen über soziale und digitale Medien läuft, ist diese Einschätzung überraschend. Der Hauptgrund für die nur langsame Digitalisierung des Unterrichts ist jedoch die unzureichende technische Ausrüstung:
Nur 16 Prozent der Lehrkräfte halten die digitale Ausstattung ihrer Schulen für sehr gut.
Finanzielle Mittel werden nicht ausgeschöpft
Mit dem IT-Support sind sogar lediglich 12 Prozent und mit der WLAN-Qualität gerade mal 8 Prozent des Lehrpersonals voll und ganz zufrieden.
Die digitale Ausstattung der Schulen entspricht also selten dem Standard, den die Schüler zu Hause vorfinden. Ein Großteil der Lehrer und Schulleiter schreibt dies laut „Monitor Bildung“ den fehlenden finanziellen Mitteln zu.
Ein anderes Bild zeigen Zahlen der Landesregierung in Nordrhein-Westfalen. Unter dem Motto „Gute Schule 2020“ steht 2017 und 2018 für die Modernisierung von Schulen insgesamt 1 Milliarde Euro zur Verfügung. Genutzt wurden davon bis Mai 2018 nur 289 Millionen Euro.
Besonders viel Geld lassen unter anderem die Städte Bochum, Dortmund, Duisburg, Essen und Gelsenkirchen liegen. Von den seit 2017 für sie verfügbaren 180 Millionen Euro haben sie bislang lediglich 14 Millionen Euro abgerufen.