Biolebensmittel Lesezeit 2 Min.

Ökologische Landwirtschaft im Dinkel-Dilemma

Noch nie wurde mit ökologisch erzeugten Nahrungsmitteln so viel Geld verdient wie heute. Doch der Boom bedroht ausgerechnet einen Teil der Ökopioniere.

Kernaussagen in Kürze:
  • Die Bundesbürger geben immer mehr Geld für ökologisch erzeugte Lebensmittel aus: 2018 betrug der Umsatz mit Bioprodukten fast 11 Milliarden Euro – 5,5 Prozent mehr als 2017.
  • An diesem Boom wollen Discounter und Supermärkte teilhaben und bieten deshalb mittlerweile auch von den Anbauverbänden Demeter oder Naturland zertifizierte Produkte an. Der Fachhandel gerät dadurch unter Druck.
  • Auswirkungen hat die hohe Nachfrage nach Bioprodukten auch in der EU-Landwirtschaft: Die Bioanbaufläche wächst.
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Endlich haben es biologische Lebensmittel geschafft: Dinkel-Grünkernbrot und Paprika-Cashew-Aufstrich gehören zum Mainstream. Noch nie zuvor haben deutsche Verbraucher so viel Geld für ökologisch produzierte Nahrungsmitteln ausgegeben – 2017 waren es pro Kopf 122 Euro, sechs Euro mehr als ein Jahr zuvor. Die Lust auf Bio hat auch den Gesamtumsatz der Branche gesteigert:

Im Jahr 2018 wurden mit Ökolebensmitteln in Deutschland 10,9 Milliarden Euro umgesetzt – 5,5 Prozent mehr als 2017.

Diesen Trend wollen sich auch die großen Handelskonzerne nicht länger entgehen lassen. Weil die Nachfrage nach Bioware deutlich stärker steigt als nach herkömmlichen Lebensmitteln, bieten Discounter und Supermärkte zwar schon seit Jahren ein wachsendes Sortiment ökologischer Lebensmittel an. Doch seit Neuestem greifen sie dabei nicht mehr nur auf Waren mit dem EU-Biosiegel zurück, sondern auch auf sogenannte Verbandsware.

Darunter versteht man Lebensmittel, die das Siegel eines der deutschen Bioanbauverbände wie Demeter oder Bioland tragen. Diese Bioprodukte werden nach strengeren Regeln als denen der EU-Ökoverordnung produziert: Die Richtlinien der Verbände beispielsweise dafür, wie viele Tiere je Quadratmeter gehalten werden dürfen, sind strikter als die Brüsseler Vorgaben. Bislang gab es solche Bioprodukte nur im Biofachhandel, doch seit einigen Monaten stehen Demeter-Produkte auch bei Real und Kaufland im Regal, Rewe verkauft rund 200 Naturland-Lebensmittel und Lidl hat seit Januar rund 50 Waren auf das Bioland-Siegel umgestellt.

Bislang gab es Produkte mit Siegel von Verbänden wie Demeter nur im Biofachhandel, doch seit einigen Monaten stehen die Erzeugnisse der Ökoanbauverbände auch bei Discountern im Regal.

Weil aber Handelskonzerne Biolebensmittel der Ökoanbauverbände aufgrund ihrer größeren Markt- und Einkaufsmacht günstiger verkaufen können als die kleineren Biofachhändler, könnte es nun zu einer Art Dinkel-Dilemma kommen: Bio boomt, aber die klassischen Bioläden geraten unter Druck. Naturkostläden, Biosupermärkte und Biobauern, die ihre Waren selbst vermarkten, können diese aufgrund ihrer geringeren Markt- und Einkaufsmacht oftmals nicht so günstig anbieten wie Discounter und Supermärkte.

Bislang war das für die Fachhändler kein Problem, weil sie ja „bessere“ Bioprodukte verkauften. Da es die nun aber häufig sogar günstiger beim Discounter gibt, könnte es für die Bioläden eng werden, wenn die Verbraucher ihnen den Rücken kehren.

Die Landwirtschaft reagiert auf die Nachfrage nach Bio

Weil die Nachfrage nach Biolebensmitteln insgesamt wächst, werden auch die Anbauflächen für ökologisch produzierte Nahrungsmittel immer größer (Grafik):

In Deutschland wurden 2017 knapp 7 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche biologisch bewirtschaftet, 2018 waren es bereits 8 Prozent. So viel Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche in den EU-Ländern wurden 2017 biologisch bewirtschaftet Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Jeder zehnte Hof in der Bundesrepublik ist ein Biohof. Und das Interesse der konventionell wirtschaftenden Bauern, auf Biolandwirtschaft umzusteigen, steigt: Laut dem Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), dem Spitzenverband der Biobranche, ist die Nachfrage nach entsprechenden Beratungen enorm. Das muss sie auch, wenn die Bundesregierung ihr im Koalitionsvertrag genanntes Ziel erreichen will: Bis 2030 sollen 20 Prozent der Landwirtschaftsflächen in Deutschland Bioäcker sein.

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