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Krisenherde: Konflikte kosten Wohlstand

Eskalierende Konflikte wie in Libyen oder der Ukraine schwächen diese Länder auch wirtschaftlich – Exporte und Importe brechen ein, Investitionen und Staatseinnahmen bleiben aus. Eine Studie des IW untersucht das Ausmaß dieser Verluste und fragt, ob auch der deutsche Außenhandel darunter leidet.

Kernaussagen in Kürze:
  • Politische Konflikte ziehen die Wirtschaft des jeweiligen Landes in Mitleidenschaft, sie können sich aber auch negativ auf andere Staaten auswirken.
  • Das konfliktreichste Land ist laut Weltfriedensindex 2017 Syrien, gefolgt von Afghanistan und dem Iran.
  • Im Zuge der Konfliktverschärfung verringerten sich in den meisten Ländern das Bruttoinlandsprodukt und die Investitionsquoten. Außerdem brach vielerorts der Handel mit dem Ausland ein.
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Unsicherheit ist Gift für die Wirtschaft. Wenn Unternehmen nicht wissen, ob an ihren Standorten – sei es am Stammsitz oder im Ausland – Gesetze eingehalten werden, Freiheitsrechte gewährleistet sind und die Wirtschaftspolitik einen verlässlichen Kurs fährt, investieren sie im Zweifelsfall weniger oder gar nicht. Damit werden Wachstumschancen vergeben und es entstehen weniger Arbeitsplätze.

Besonders deutlich wird dies im Fall nationaler und internationaler Konflikte, die schlimmstenfalls zu Kriegen eskalieren. Die Folgen tragen in erster Linie die betroffenen Länder selbst, doch die wirtschaftlichen Konsequenzen treffen auch unbeteiligte Staaten – zum Beispiel, wenn ein Krisenland wichtige Rohstoffe nicht mehr liefert oder als Absatzmarkt wegbricht.

In den meisten Ländern, in denen sich Konflikte zuletzt verschärft haben, ging das Bruttoinlandsprodukt zum Teil dramatisch zurück und die Investitionsquoten sanken.

In welchem Ausmaß politische Konflikte die Wirtschaft in Mitleidenschaft ziehen können, hat das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) nun auf der Basis des Weltfriedensindex näher untersucht. Dieser bewertet die einzelnen Länder anhand von Indikatoren wie der Zahl und der Dauer von Konflikten, dem Niveau der Gewaltkriminalität sowie den Militärausgaben auf einer Skala von 1 bis 5, wobei ein höherer Wert eine höhere Konfliktneigung bedeutet (Grafik):

Mit rund 3,8 Punkten ist Syrien im Weltfriedensindex 2017 das konfliktreichste der 163 untersuchten Länder, gefolgt von Afghanistan und dem Irak. Bewertung der Friedfertigkeit von Ländern anhand von 23 Einzelindikatoren Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Am anderen Ende der Skala steht Island als friedfertigster Staat, Deutschland auf Rang 16 gilt mit 1,5 Punkten ebenfalls als weitgehend konfliktfrei und sicher.

Ein wirtschaftlicher Vergleich zwischen konfliktträchtigen und -freien Ländern würde jedoch ein verzerrtes Bild liefern, da die im Weltfriedensindex bestplatzierten Staaten meist hoch entwickelte Industrienationen sind, während sich am unteren Ende vor allem Entwicklungs- und Schwellenländer finden.

Aussagekräftiger ist es, die konfliktreichen Staaten mit allen 154 Schwellen- und Entwicklungsländern zu vergleichen:

Das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist in jenen Ländern, die im aktuellen Weltfriedensindex mehr als 3 Punkte haben, im Schnitt der Jahre 2008 bis 2017 lediglich um 1,8 Prozent gewachsen. In den Schwellen- und Entwicklungsländern insgesamt betrug der jahresdurchschnittliche Anstieg dagegen 5,1 Prozent.

Auch der Anteil der Investitionen am BIP war in den konfliktreichen Ländern im Schnitt der vergangenen zehn Jahre mit knapp 20 Prozent deutlich niedriger als im Mittel aller Schwellen- und Entwicklungsländer (32 Prozent). Zudem erzielten die Krisenländer nur ein halb so hohes Exportwachstum.

Rückgang der Wirtschaftsleistung

Um den Einfluss von Krisen auf die wirtschaftliche Entwicklung noch besser herauszufiltern, hat das IW mithilfe des Weltfriedensindex jene Länder identifiziert, in denen seit 2008 ein Konflikt ausgebrochen ist beziehungsweise sich besonders verschärft hat. Dann wurden wichtige ökonomische Daten während der akuten Krisenjahre mit der Zeit davor und danach verglichen. Einige beispielhafte Ergebnisse (Grafik):

In Libyen brach die Wirtschaft im Zuge des Bürgerkriegs von 2011 um fast ein Drittel ein; im Jemen schrumpfte das reale BIP nach der militärischen Intervention Saudi-Arabiens um nahezu ein Fünftel. Entwicklung zentraler Wirtschaftsindikatoren in ausgewählten Krisenländern Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Auch in der Ukraine führte der Konflikt mit Russland und speziell der Verlust der Krim zu einem deutlichen Rückgang der Wirtschaftsleistung.

In Afghanistan war dies infolge der Verschärfung der Spannungen in den Jahren 2008 und 2009 nicht zu beobachten – was aber wohl daran liegt, dass der langjährige Konflikt die Wirtschaft schon zuvor weitgehend zum Erliegen gebracht hatte. Und im Südsudan bedeutete bereits der politisch angeordnete Stopp der Ölförderung 2012 – ein Jahr vor dem Ausbruch des Bürgerkriegs – nahezu den Totalausfall sämtlicher Staatseinnahmen.

Außenhandel bricht ein

Im Zuge der Konfliktverschärfung verringerten sich in den meisten Ländern auch die Investitionsquoten – die Investitionen schrumpften also noch stärker als das BIP. Zudem brach vielerorts der Handel mit dem Ausland ein. Der Jemen beispielsweise importierte 2015 und 2016 gut 64 Prozent weniger Waren als in den beiden Jahren zuvor. Und in Libyen schrumpften die Warenimporte 2010/2011 um fast 35 Prozent und die Exporte um 26 Prozent.

Die Konsequenzen all dieser Konflikte für die deutsche Wirtschaft waren bislang überschaubar – schon deshalb, weil die Anteile der Krisenländer am deutschen Außenhandel gering sind. Kaltlassen können Deutschland die Konfliktherde trotzdem nicht. Schließlich ist seine exportorientierte Volkswirtschaft in besonderem Maß vom Wohl und Wehe anderer Länder abhängig. Die Ölpreisschocks der 1970er Jahre haben zudem gezeigt, wie schnell regionale kriegerische Auseinandersetzungen weltwirtschaftliche Konsequenzen nach sich ziehen können. Sollten sich etwa die Spannungen zwischen dem Iran und Saudi-Arabien verschärfen, könnte dies auch für die deutsche Wirtschaft erhebliche negative Auswirkungen haben.

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