Kommentar: „Die zusätzlichen Stellen blähen die Verwaltung auf“
Über die Frage, ob der öffentliche Dienst aufgebläht ist oder noch mehr Mitarbeiter bräuchte, wird viel diskutiert. Eine einfache Antwort gibt es zwar nicht, sagt Björn Kauder, Senior Economist für Finanz- und Steuerpolitik im IW. In einigen Bereichen ist der jüngste Personalaufbau aber kritisch zu hinterfragen.
- Ist der öffentliche Dienst überdimensioniert oder bräuchte der Staat noch mehr Mitarbeiter? Es kommt darauf an, sagt Björn Kauder, Senior Economist für Finanz- und Steuerpolitik im IW, in seinem Kommentar.
- Die zahlreichen neuen Stellen in der politischen Führung und zentralen Verwaltung lassen aus der Sicht von Kauder befürchten, dass hier zunehmend ein Wasserkopf entsteht.
- Zugleich erfordert die Umsetzung zahlreicher Gesetzesreformen mehr Personal im öffentlichen Dienst. Künftig sollte der Staat bei seinen Entscheidungen mitdenken, ob die Verwaltung die damit verbundenen Aufgaben überhaupt bewältigen kann.
Um 14 Prozent ist der Personalbestand im öffentlichen Dienst im Zeitraum von 2012 bis 2022 gewachsen. Das passt nicht zu den Klagen über den Personalmangel, die landauf, landab zu hören sind. Ist der öffentliche Dienst nun überdimensioniert und gehört zurechtgestutzt? Oder bräuchte der Staat noch viel mehr Mitarbeiter, so wie es etwa der Beamtenbund fordert?
Die Antwort lautet wie so oft: Es kommt darauf an. In der Kindertagesbetreuung beispielsweise haben die Kommunen seit 2012 fast 100.000 zusätzliche Mitarbeiter eingestellt – schließlich ist es politischer Konsens und inzwischen auch geltendes Recht, dass sich die Betreuungsmöglichkeiten verbessern sollen. Trotzdem fehlt noch immer eine sechsstellige Zahl an Betreuungsplätzen, ein weiterer Personalaufbau ist also unabdingbar.
Auch an den Hochschulen oder bei der Polizei spricht per se nichts gegen die jüngste Aufstockung des Personals. Bildung und Sicherheit sind schließlich öffentliche Güter und bei beiden gibt es noch Luft nach oben.
Die Vermutung liegt nahe, dass die zusätzlichen Stellen in der Verwaltung nicht zuletzt aus politischen Gründen eingerichtet wurden.
Anders sieht die Sache im Bereich „Politische Führung und zentrale Verwaltung“ aus. Dass Bund, Länder und Kommunen zahlreiche neue Stellen geschaffen haben, lässt befürchten, dass hier zunehmend ein Wasserkopf entsteht. Die Vermutung liegt nahe, dass die zusätzlichen Stellen nicht zuletzt aus politischen Gründen eingerichtet wurden – zum Ziel einer schlanken und effizienten Verwaltung passt die Entwicklung jedenfalls nicht.
Gibt es nun zu wenig Personal oder zu viel Arbeit? Der Gesetzgeber hat in den vergangenen Jahren eine Reihe von Reformen umgesetzt, die mit einer hohen Arbeitsbelastung im öffentlichen Dienst einhergingen und mehr Personal erforderten. Beispiele sind die Einführung der Grundrente oder die Reform der Grundsteuer, die die Finanzämter an ihre Grenzen bringt. Letztere enthält Regelungen, die versuchen, eine gewisse Einzelfallgerechtigkeit herzustellen – entsprechend kompliziert und aufwendig ist die Umsetzung.
Der Gesetzgeber sollte künftig bei neuen Vorhaben und Reformen mitdenken, ob die Verwaltung die damit verbundenen Aufgaben überhaupt bewältigen kann.
Der Gesetzgeber sollte daher künftig bei seinen Entscheidungen mitdenken, ob die Verwaltung die damit verbundenen Aufgaben überhaupt bewältigen kann. An dieser Einsicht hat es zuletzt häufig gemangelt. Weniger ist manchmal mehr.
Ist die Digitalisierung die Rettung? Der öffentliche Dienst hängt in diesem Bereich weit hinterher. Genügend Potenzial für Effizienzsteigerungen sollte also vorhanden sein, nicht zuletzt in der Verwaltung. Dass die Digitalisierung aber kurzfristig den Personalbedarf senkt, ist kaum zu erwarten. Zunächst braucht es schließlich Menschen, die die Digitalisierung umsetzen. Ob diese Stellen dann wieder abgebaut werden, sobald die digitalen Prozesse funktionieren, darf bezweifelt werden. Auf einen effizienteren Verwaltungsapparat können wir also wohl erst auf lange Sicht hoffen.