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Interview: „Wir haben mit unserem Preisindex einen Standard gesetzt“

Zusammen mit dem Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) hat das Institut der deutschen Wirtschaft einen Regionalpreisindex entwickelt. Im iwd-Interview erklärt IW-Ökonom Christoph Schröder, welchen Mehrwert der Index schafft und was sich aus den Daten ableiten lässt.

Kernaussagen in Kürze:
  • Mit dem Regionalpreisindex haben das IW und das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung eine bundesweite Datenbasis geschaffen, die es so bislang noch nicht gab.
  • Die Daten zeigen, das die Preisunterschiede zum Großteil auf die Wohnkosten zurückgehen, erklärt IW-Ökonom Christoph Schröder.
  • Der Index soll noch erweitert werden und dadurch Daten für verschiedene Gruppen wie Familien oder Singles liefern, so Schröder zu den Zukunftsplänen.
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Was ist das Besondere am neuen regionalen Preisindex von IW und BBSR?

Bisher gab es in Deutschland nur vereinzelte Anläufe, einen regionalen Preisindex zu erstellen. Dies liegt vor allem an der aufwendigen Datenerfassung. Dank unserer Big-Data-Abteilung konnten wir nun einen ganz neuen Weg beschreiten. Dabei haben wir mittels Web Scraping – also der automatisierten Extraktion von frei zugänglichen Daten aus dem Internet – Millionen von Daten verschiedener Websites erhoben und anhand derer die Preise für alle Städte und Landkreise in Deutschland ermittelt. In die Berechnung fließen zum Beispiel die Preise von Hunderten Produkten aus insgesamt 1.500 Rewe-Filialen ein, bei den Tankstellen haben wir eine bundesweite Vollerfassung und auch die regionalen Durchschnittsmieten sind Teil der Datengrundlage.

Ist der Preisindex eine einmalige Sache oder ein dauerhaftes Instrument?

Wir haben das Ganze so aufgesetzt, dass wir die Daten möglichst leicht aktualisieren können. Das Ziel ist es, mindestens einmal pro Jahr einen regionalen Preisindex zu veröffentlichen. So können wir auch die Entwicklung der Preisniveaus in den Städten und Regionen Deutschlands empirisch nachzeichnen.

Die Ergebnisse des Regionalpreisindex zeigen, dass die Grundkonstruktion unseres sozialen Sicherungssystems zu den Preisunterschieden passt.

Welche Erkenntnisse können Sie aus den Ergebnissen ziehen?

Wirtschaftszentren und ihr Umland sind am teuersten. München ragt heraus mit einem Preisniveau, das 25 Prozent über dem Durchschnitt liegt. Der Grund dafür sind vor allem die hohen Mieten dort. Aber auch die kleineren Universitätsstädte Freiburg und Heidelberg sind vergleichsweise teuer. Hier spielt wahrscheinlich auch die touristische Attraktivität des Umlands eine Rolle.

Wohnkosten sind die treibende Kraft für die Preisunterschiede in Deutschland. Welche Ableitung lässt sich daraus ziehen?

Die Ergebnisse zeigen, dass die Grundkonstruktion unseres sozialen Sicherungssystems zu den Preisunterschieden passt. Über das Bürgergeld haben wir bundesweit konstante Sätze für den Grundbedarf der Bundesbürger, bis zu gewissen Grenzen werden dabei auch die Wohnkosten übernommen. Und in Deutschland gibt es jetzt ein erweitertes Wohngeld, das auch Menschen mit Mindestlohn in teuren Regionen unterstützt und so einen Ausgleich schafft. Wir haben also eine große regionale Streuung bei den Transferleistungen. Kurz gesagt: Da, wo es teuer ist, werden die Menschen stärker unterstützt.

Christoph Schröder ist Senior Researcher für Einkommenspolitik, Arbeitszeiten und -kosten im Institut der deutschen Wirtschaft; Foto: IW Medien Was sind weitere Erkenntnisse?

Es gibt keine Ausreißer nach unten. Der Vogtlandkreis als günstigste Region liegt nur rund 10 Prozent unter dem Bundesdurchschnitt. Allgemein haben am unteren Ende des Rankings viele Landkreise ein sehr ähnliches Preisniveau. Rechnet man die Wohnkosten heraus, beträgt die Differenz zwischen dem höchsten und niedrigsten Indexwert gerade einmal 6 Prozent

Der Unterschied des Preisniveaus zwischen Ost und West beträgt in Ihrem Index 4,3 Prozent, beim Gehalt ist die Lücke aber deutlich größer …

Der Durchschnittswert für Ostdeutschland beinhaltet auch die Preise in Berlin, die eher auf westlichem Niveau liegen. Rechnet man die Hauptstadt raus, liegt die Differenz schon zwischen 6 und 7 Prozent. Außerdem muss man die Gehälter auch in Relation zur Produktivität setzen. Es gibt relativ wenig große Unternehmen im Osten und auch Niedriglohnbranchen sind im Osten stärker vertreten. Rechnet man diese Strukturunterschiede einschließlich der Unterschiede im Preisniveau heraus, beträgt die Lohnlücke zwischen Ost und West laut einer aktuellen Studie nur noch 5 Prozent.

Könnten die Preisunterschiede in Deutschland auch dazu genutzt werden, Gehälter stärker zu regionalisieren?

Beim Mindestlohn wird ja bereits diskutiert, ob eine Regionalisierung Sinn ergibt. Der Grundgedanke dahinter ist, dass der Mindestlohn überall in Deutschland tragbar sein soll und möglichst eine gleich hohe Kaufkraft ermöglicht. Die Idee ist interessant, dürfte aber schwer umsetzbar sein, wenn der Mindestlohn in preisgünstigen Regionen dann sinken oder eine längere Zeit gleich bleiben müsste. Zudem sollte die Mindestlohnkommission weiterhin über die Höhe des Mindestlohns entscheiden.

Gibt es Pläne, den Preisindex künftig mit Einkommensdaten zu verknüpfen und somit eine Art regionalen Kaufkraftindex zu erstellen?

Erst mal haben wir mit dem Regionalpreisindex einen Standard gesetzt und eine Datengrundlage geschaffen. Beides wollen wir weiter etablieren. Wir planen aber auch schon, den Index zu erweitern, indem wir die Einkommen einbeziehen. Man kann den Index natürlich auch für verschiedene Personengruppen durchspielen, die unterschiedliche Verbrauchsstrukturen haben, etwa für Singles oder Familien. Es sind viele Varianten möglich, um die abstrakten Durchschnittsdaten des Indexes herunterzubrechen auf bestimmte Haushaltstypen.

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