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Interview: „Auf Teufel komm raus mehr Eigentümer brauchen wir nicht"

In Deutschland gibt es immer mehr private Vermieter, die Wohneigentumsquote steigt derweil nur sehr begrenzt. IW-Immobilienexperte Pekka Sagner erklärt im iwd-Interview, welche Gründe das hat.

Kernaussagen in Kürze:
  • IW-Immobilienökonom Pekka Sagner erläutert im iwd-Interview, dass die hohe Vermögensungleichheit in Deutschland auch daran liegt, dass nur relativ wenige Haushalte Wohneigentum besitzen.
  • Die Politik sollte mit Bedacht handeln, niemanden ins Eigenheim drängen, aber hinterfragen, ob vermieteter Wohnraum bei der Steuer weiterhin bessergestellt sein sollte als selbst genutzter.
  • Mit Blick auf die Zukunft sieht er vorerst keine Entspannung bei den Bau- und Kaufpreisen durch die Folgen der Pandemie, aber auch wegen des Fachkräftemangels und des global hohen Materialbedarfs.
Zur detaillierten Fassung

Wohnen in Deutschland zu viele Menschen zur Miete?

„Zu viele“ ist mir zu wertend. Aber es sind sehr viele Mieter im Vergleich zu anderen Ländern. Zusammen mit Österreich haben wir in Deutschland die geringste Wohneigentumsquote in Europa.

Warum?

Erstens war nach dem Zweiten Weltkrieg der Wohnungsbestand in Deutschland stark zerstört, gerade in Westdeutschland. Da wollte die Regierung schnell neuen Wohnraum schaffen. Das ging am einfachsten, indem sie den Bau von Mietwohnungen – oftmals in Form großer Wohnblocks – gefördert hat.

Zweitens hat Deutschland später die sehr mieterfreundliche Politik fortgeführt. Das sehen „Betroffene“ vielleicht anders. Aber im internationalen Vergleich und in der Forschung ist es unbestritten: Deutschlands Gesetze und seine Rechtsprechung schützen Mieter umfassend. Außerdem wird der Bau von Mietwohnungen weiterhin stark gefördert.

Die relativ hohe Vermögensungleichheit in Deutschland liegt zu einem gewichtigen Teil an der niedrigen Wohneigentumsquote, aber unser Vorbild ist nicht der rumänische Wohnungsmarkt mit einer Eigentumsquote von 98 Prozent.

Gleichzeitig unterstützt Deutschland die Wohneigentumsbildung nur begrenzt. Und wenn, geht es dem Staat eher darum, dass die Bürger sich eine weitere Säule als Ergänzung zur gesetzlichen Rente schaffen.

Pekka Sagner ist Immobilienexperte im Institut der deutschen Wirtschaft; Foto: IW Medien Sie raten der Politik unter anderem, die Grunderwerbsteuer für Selbstnutzer einer Immobilie zu senken. Aber ist es wirklich erstrebenswert, dass jene, die fast keine finanziellen Rücklagen haben, ins Eigenheim ziehen?

Wir sollten erst mal einen Schritt zurücktreten. Unser Vorbild ist nicht der rumänische Wohnungsmarkt mit einer Eigentumsquote von 98 Prozent. Aber wir haben hier in Deutschland eine relativ hohe Vermögensungleichheit. Das liegt zu einem gewichtigen Teil an der niedrigen Wohneigentumsquote.

Trotzdem sollte die Politik Menschen nicht auf Teufel komm raus ins Eigenheim drängen. Es braucht einen differenzierten Ansatz. Zum Beispiel sollte man überdenken, ob es so zielführend ist, dass bei einer fremdgenutzten Immobilie – also bei einer Mietwohnung zum Beispiel – so viel mehr bei der Steuer abgesetzt werden kann als für den Fall, dass man eine Immobilie selbst bewohnt. In Relation haben es Selbstnutzer schwerer.

Über 60 Prozent aller Mieterhaushalte leben in Deutschland in einer Wohnung, für die sie einer Privatperson Miete zahlen. Dennoch wird immer auf die großen Wohnungsbaukonzerne geschimpft. Was sind die Gründe?

Hier könnte das mediale Interesse zugunsten der Großstädte verzerrt sein. In den Großstädten gibt es zwar mehr Wohnungsgesellschaften als auf dem Land, jedoch zeigt der Blick auf den Gesamtmarkt, dass private Vermieter ein viel größeres Angebot bereitstellen.

Hinzu kommt, dass wir über die Wohnungsgesellschaften schlicht viel mehr wissen, weil sie teilweise an der Börse oder in anderer Form berichtspflichtig sind.

Forschung zu privaten Vermietern

Genau deshalb forschen wir im IW zu privaten Vermietern. Denn die deutsche Politik sollte immer auf dem Schirm haben, dass das keine kleine Bevölkerungsgruppe ist – wir reden von weit über fünf Millionen Haushalten – und dass sie in den vergangenen Jahren stark gewachsen ist. Politische Maßnahmen wie zum Beispiel Auflagen für Sanierungen haben teils erhebliche Auswirkungen auf diese Gruppe – zum Beispiel mit Blick auf ihre Altersvorsorge.

Stichwort Altersvorsorge: Ist es nicht unfair, wenn private Vermieter zu Sündenböcken gemacht werden, obwohl sie mit einem Investment in eine Immobilie doch eigentlich nur vorsorgen wollen?

Um diese Frage zu beantworten, müssen wir auf Neubauten schauen: Die Preise dort sind sehr stark gestiegen in jüngster Vergangenheit – aber wir brauchen nun mal über 300.000 neue Wohnungen im Jahr. Also müssen die Investoren trotz der hohen Baupreise eine Mietrendite erwirtschaften.

Warum der Staat fördern sollte

Das ist ein Dilemma: Wir wollen Neubau, wir wollen günstige Mieten und wir wollen klimaneutrales Bauen und Wohnen, was den Preis natürlich noch weiter in die Höhe treibt. Das kann sich dann nur schwerlich noch selbst tragen. Deshalb muss der Staat hier durchaus fördern. Das ist wichtig für Nachhaltigkeit im doppelten Sinne – einerseits, damit Wohnen erschwinglich bleibt, und andererseits, damit es möglichst klimaneutral wird.

Hand aufs Herz: Sind die Preise für Neubauten nicht jenseits von Gut und Böse?

Nein. Und zwar aus mehreren Gründen:

Erstens gibt es in sehr angespannten Wohnungsmärkten eine hohe Elastizität der Preise. Das bedeutet: Bei einem geringen Angebot steigen die Preise, aber die Menschen sind weiterhin bereit, diese Preise zu zahlen. Das beobachten wir momentan und das ist Marktwirtschaft.

Zweitens kostet ein Neubau wirklich viel mehr als früher – wegen Corona sind die Lieferketten noch immer gestört. Außerdem sind die Lohnkosten am Bau hoch, weil die Bauwirtschaft seit Jahren völlig ausgelastet ist. Und es wird in absehbarer Zeit nicht besser werden, da wegen der Demografie immer mehr Fachkräfte fehlen. Nicht zu vergessen all die Vorgaben mit Blick auf Brandschutz und Dämmung. Hinzu kommt, dass es vielerorts zusätzlich zu wenig Bauland gibt. Nicht nur der Bau ist also teuer, sondern auch der Boden dafür.

Durch Corona – Sie haben es angedeutet – sind die Lieferketten gestört. Besteht Hoffnung auf Besserung?

Vor einem Jahr habe ich gesagt, dass in einem Jahr alles wieder entspannt sein wird. Ich bin also kein guter Prognostiker.

Also sage ich jetzt: Kurzfristig werden wir keinen Zustand wie vor Corona erreichen. Die Lieferketten husten noch eine ganze Weile. Außerdem haben sowohl China als auch die USA gigantische Infrastrukturprogramme aufgelegt. Deshalb geht unser Holz in die USA. Und unser Stahl geht nach China.

Wenn wir jetzt noch auf die Energiepreise schauen, dann können wir uns darauf einstellen, dass wir für längere Zeit eine ziemliche Bürde zu tragen haben.

Ein Teil der Bürde sind die Klimaziele unseres Landes und der EU. Hier will die Bundesregierung die Last für die CO2-Emissionen, die durch das Heizen der Wohnungen verursacht werden, zwischen Mietern und Vermietern aufteilen. Ist das ein guter Plan?

Wir als Ökonomen sind ja für die CO2-Bepreisung. Aber eigentlich schauen wir da erst mal auf den Selbstnutzer einer Immobilie. Der hat ein ureigenes Interesse daran, wenig Energie zu benötigen.

Im Verhältnis von Vermieter zu Mieter ist das anders. Bislang liegen die verbrauchsabhängigen Kosten beim Mieter. Denn der entscheidet, wie viel er die Heizung aufdreht. Da hat es die ganze Zeit eine geringe Rolle gespielt, in welchem energetischen Zustand die Wohnung ist, obwohl das den Verbrauch natürlich stark beeinflussen kann.

Woran der CO2-Plan der Regierung krankt

Also ist das Ansinnen der Regierung richtig, den Vermieter hier mit ins Boot zu holen und ihm einen Anreiz zu geben, energetisch zu sanieren.

Aber der Plan hat zwei Schwächen: Zum einen würde man dem Vermieter einen Teil der Kaltmiete für die CO2-Kosten abzwacken. Aber viele Vermieter sind auf diese Einnahmen angewiesen – beispielsweise, um einen Kredit abzuzahlen.

Zum anderen muss der Vermieter die Möglichkeit haben, die Situation – konkret: die Energieeffizienz der Wohnung – zu verbessern. Dafür braucht er Geld und Handwerker. Beides hat er ja nicht automatisch. Die Politik hat für diese Zusammenhänge noch keine Lösung präsentiert.

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