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Gut vernetzt: Twitternde Top-Ökonomen

Zwar erlaubt Twitter nur Nachrichten mit 280 Zeichen, trotzdem wird hier oft mit mehr inhaltlichem Tiefgang diskutiert als auf anderen Social-Media-Plattformen. Wie intensiv die deutschen Ökonomen dies tun und welche besonders gut vernetzt sind, hat das Institut der deutschen Wirtschaft untersucht.

Kernaussagen in Kürze:
  • Eine neue Studie des IW zeigt, wie gut Top-Ökonomen auf Twitter vernetzt sind. Als Kriterium dienen die wechselseitigen Follower- und Retweetbeziehungen.
  • Der am besten vernetzte Wirtschaftsforscher zum Untersuchungszeitpunkt war demnach Andreas Peichl vom ifo Zentrum für Makroökonomik und Befragungen in München – er retweetet auch die meisten Kollegen.
  • Den höchsten Anteil an Retweets außerhalb der Fachkreise hatte die Umweltökonomin Claudia Kemfert vom DIW in Berlin.
Zur detaillierten Fassung

Unter den sozialen Netzwerken kristallisiert sich Twitter immer mehr als Plattform für professionelle Kommunikation heraus – anders als etwa Facebook oder Instagram mit ihrem eher privaten, freizeitorientierten Anstrich. Auch Ökonomen entdecken die Möglichkeiten des schnellen fachlichen Austauschs über den Kurznachrichtendienst zunehmend für sich.

Reizvoll ist das für Wirtschaftsforscher aber nicht nur, um im Fachkreis zu diskutieren. Twitter bietet ihnen vielmehr auch Zugang zur interessierten allgemeinen Öffentlichkeit und damit einen Weg, ihren sprichwörtlichen Elfenbeinturm von Zeit zu Zeit zu verlassen.

Twitter ist für Ökonomen reizvoll, um im Fachkreis zu diskutieren – bietet aber auch Zugang zur interessierten Öffentlichkeit.

Welche Ökonominnen und Ökonomen auf Twitter besonders erfolgreich sind, analysiert seit Anfang 2017 quartalsweise das Onlinemagazin Makronom. Das Ranking basierte bisher auf dem sogenannten Klout-Score, der den Einfluss in den sozialen Medien vor allem anhand von Reaktionen wie Retweets bewertet. Ende Mai hat die Firma Klout ihren Score allerdings eingestellt. Makronom arbeitet daher an einer eigenen Methodik, um das Ranking ab Herbst weiterführen zu können.

Einen etwas anderen Blick hat derweil das Institut der deutschen Wirtschaft auf die twitternden Ökonomen geworfen: Ziel der Untersuchung war es, das Netzwerk der Wirtschaftsforscher abzubilden, also ihre Beziehungen und ihren Austausch sichtbar zu machen und die zentralen Akteure herauszufiltern. In diese Betrachtung sind alle twitternden Volkswirte aus dem Ökonomenranking der Frankfurter Allgemeinen Zeitung sowie die Leiter der großen Wirtschaftsforschungsinstitute eingeflossen. Von den 37 betrachteten Twitter-Konten wurden im Zeitraum von April 2017 bis März 2018 insgesamt 25.214 Tweets veröffentlicht – davon 8.274 Retweets. Die Ergebnisse der IW-Studie im Einzelnen:

Die meisten Tweets

Während ein Viertel der twitternden Top-Ökonomen in den untersuchten zwölf Monaten höchstens rund 60 Tweets abgesetzt hat, kamen die 25 Prozent Vielschreiber auf knapp 1.300 bis 3.800 Nachrichten. Mit Abstand Spitzenreiter ist der Münchener Andreas Peichl, Leiter des ifo Zentrums für Makroökonomik und Befragungen. Platz zwei und drei belegen Gustav A. Horn, Wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans Böckler Stiftung (IMK) in Düsseldorf, und IW-Direktor Michael Hüther mit jeweils knapp halb so vielen Tweets (Grafik). Ökonomen mit den meisten Tweets von April 2017 bis März 2018 Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Das größte Netzwerk

Die Menge an Tweets allein ist jedoch noch kein guter Indikator für den tatsächlichen Einfluss in dem sozialen Medium im Allgemeinen – und im Speziellen unter den twitternden Ökonomen. Um das besser abzubilden, hat das IW auch die Follower- und Retweetbeziehungen analysiert.

Es zeigt sich: Die absoluten Followerzahlen und die Einbindung ins Ökonomennetzwerk gehen nicht zwangsläufig Hand in Hand. So haben der Ex-Chef des ifo Instituts, Hans-Werner Sinn, und der Präsident des DIW Berlin, Marcel Fratzscher, zwar jeweils mehr als 10.000 Anhänger und liegen damit weit vor ihren Kollegen. Zu jenen Ökonomen, die in Fachkreisen am stärksten vernetzt sind, zählt jedoch nur Fratzscher auf Platz sieben (Grafik).

Am besten verdrahtet ist der Viel-Twitterer Andreas Peichl, der auf 30 wechselseitige Followerbeziehungen mit anderen Top-Ökonomen kommt.

Der Wettbewerbsexperte Justus Haucap vom Duesseldorf Institute for Competition Economics an der Universität Düsseldorf (DICE) folgt ebenfalls insgesamt 30 Ökonomen, die ihm auch zurückfolgen. Bei seinem Kollegen am DICE Jens Südekum sind es 26. Ökonomen mit den meisten wechselseitigen Followerbeziehungen innerhalb des Ökonomennetzwerks Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Die intensivste Interaktion

Tweets werden in aller Regel dann weitergeleitet, wenn sie wichtig erscheinen. Deshalb sind Retweets ein guter Indikator für Resonanz und Relevanz:

Untereinander haben sich die 37 Top-Ökonomen von April 2017 bis März 2018 genau 704-mal retweetet.

Kommunikationsdrehscheibe ist wiederum Andreas Peichl vom ifo, der selbst 17 andere Ökonomen retweetet hat und von zehn Kollegen retweetet wurde. Zu den aktivsten Verbreitern fremder Tweets zählen zudem Jens Südekum, der Finanzwissenschaftler Johannes Becker von der Universität Münster und der Professor für Allgemeine Volkswirtschaftslehre an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin, Sebastian Dullien. Sie haben jeweils Tweets von 14 anderen Top-Ökonomen mit ihren Followern geteilt (Grafik).

Spitzenreiter der Zitatgeber ist dagegen DIW-Präsident Marcel Fratzscher: Seine Nachrichten wurden von immerhin 16 anderen Ökonomen retweetet. Ökonomen, die die meisten anderen Ökonomen aus dem Ökonomennetzwerk retweeten und von diesen retweetet werden Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Und wer hat außerhalb des Ökonomennetzwerks den größten Einfluss?

Ein gutes fachliches Netzwerk ist noch keine Garantie dafür, dass ein Experte auch in der breiten Öffentlichkeit Gehör findet. Den Ökonomen scheint dies im Allgemeinen jedoch recht gut zu gelingen:

Bei 34 der 37 führenden deutschen Wirtschaftswissenschaftler liegt der Anteil an Retweets außerhalb des Netzwerks der Top-Ökonomen bei mindestens 90 Prozent.

Von jenen Volkswirten, die in den betrachteten zwölf Monaten auf insgesamt mindestens 1.000 Retweets kamen, hatten die Umweltökonomin Claudia Kemfert vom DIW, der österreichische Neoliberalismus-Kritiker Stephan Schulmeister sowie der Direktor des Berliner Jacques Delors Instituts und EU-Fürsprecher Henrik Enderlein mit nahezu 100 Prozent externen Retweets die Nase vorn.

Zurückzuführen ist dies zum einen wohl darauf, dass alle drei für Themen stehen, die auf ein großes öffentliches Interesse stoßen. Es hat aber auch damit zu tun, dass insbesondere Kemfert und Schulmeister von den anderen deutschen Top-Ökonomen selten bis gar nicht retweetet werden.

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