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„EU-Definition benachteiligt deutsche Mid Caps“

Zu vielen Förderprogrammen haben Deutschlands Mid Caps keinen Zugang, weil sie nicht mehr in die EU-Kategorie „Kleine und mittlere Unternehmen“ fallen. Wie sich das ändern lässt und was die Wirtschaftspolitik noch für mittelgroße Unternehmen tun kann, skizziert Klaus-Heiner Röhl, Mittelstandsexperte des Instituts der deutschen Wirtschaft, im iwd-Kommentar.

Kernaussagen in Kürze:
  • Die Obergrenze der EU für kleine und mittlere Unternehmen liegt bei 250 Beschäftigten. Tausende deutsche Mittelständler jenseits dieser Grenze können dadurch nicht an Förderprogrammen partizipieren.
  • Um die mittelgroßen Firmen zu stärken, sollte sich die Politik dafür einsetzen, die EU-Grenze für KMU auf 500 Mitarbeiter zu erhöhen.
  • Des Weiteren sind der Abbau von Bürokratie und eine bessere digitale Infrastruktur nötig, damit die mittelständischen Firmen gute Zukunftsperspektiven haben.
Zur detaillierten Fassung

Deutschland verdankt einen großen Teil seiner wirtschaftlichen Stärke und Exporterfolge dem Mittelstand. Doch ein mittelgroßes Unternehmen ist in Deutschland etwas anderes als in den meisten anderen Ländern der Europäischen Union: Die Obergrenze der EU für kleine und mittlere Unternehmen, die sogenannten KMU, liegt bei 250 Beschäftigten. Hierzulande gibt es jedoch Tausende Firmen jenseits dieser Grenze, die längst keine Großkonzerne sind, sondern typisch mittelständisch – nämlich eigentümergeführt.

Dass so viele deutsche Mittelständler aus der EU-Definition herausfallen, gereicht ihnen zum Nachteil: Zahlreiche Förderprogramme sind nur auf KMU zugeschnitten, zudem müssen Mid Caps bereits viele Auflagen erfüllen, die eigentlich auf Großunternehmen abzielen.

Wer den deutschen Mittelstand stärken will – und das ist angesichts seiner Wachstumsraten wirtschaftspolitisch sinnvoll –, sollte darauf hinwirken, dass in der EU künftig Unternehmen mit bis zu 500 Mitarbeitern als KMU gelten. Doch damit ist es noch nicht getan: Auch Mid Caps mit bis zu 3.000 Beschäftigten oder zumindest größere Familienunternehmen sollten an den EU-Programmen etwa zur regionalen Entwicklung partizipieren dürfen und von nationalen Programmen nicht ausgeschlossen werden.

Wer den deutschen Mittelstand stärken will, sollte darauf hinwirken, dass in der EU künftig Unternehmen mit bis zu 500 Mitarbeitern als KMU gelten.

Wenn die Große Koalition zum Beispiel eine steuerliche Forschungsförderung einführt, aber auf KMU beschränkt, würde der so wichtige Anreiz für mehr Forschung und Entwicklung ausgerechnet dem vielversprechendsten Teil der deutschen Wirtschaft vorenthalten. Denn den Mid Caps fehlt der Zugang zu finanziellen Mitteln, wie ihn Großunternehmen haben. Zudem verfügen sie meist nicht über eigene Forschungslabore, sind aber auf stetige Innovationen angewiesen.

Bürokratie abbauen

Ein weiterer Ansatzpunkt, um den großen Mittelstand in Deutschland zu stärken, ist das Vermeiden unnötiger Bürokratie. Deutschland sollte standardmäßig überprüfen, wie sich neue Gesetze auf den Mittelstand auswirken. Ein solcher Mittelstandstest dürfte sich allerdings nicht auf die definitorischen KMU beschränken, sondern müsste den größeren Mittelstand einbeziehen.

Klaus-Heiner Röhl ist Senior Economist im Institut der deutschen Wirtschaft; Foto: IW Medien So viel Bürokratie wie nötig, aber eben auch so wenig wie möglich – um diesem Ideal näher zu kommen, sollten außerdem die Möglichkeiten des E-Governments ausgebaut werden. Die verstärkte Online-Abwicklung von Genehmigungsverfahren und Meldungen an diverse Ämter würde gerade den expandierenden Mid Caps die Geschäfte erleichtern.

Auf den Prüfstand gehören zudem die sogenannten Schwellenwerte, also Mitarbeitergrenzen, ab denen Unternehmen spezielle Anforderungen erfüllen müssen. So sind schon ab 500 Beschäftigten zwei Mitarbeiter komplett für einen Betriebsrat freizustellen, ab 900 Beschäftigten sind es sogar drei.

Auf den hiesigen Mittelstand kommen mit der voranschreitenden Digitalisierung und der Entstehung der Industrie 4.0 immense Herausforderungen zu. Und der sich verschärfende Fachkräftemangel gerade in ländlichen Regionen, wo viele Mittelständler ihren Sitz haben, macht es nicht einfacher. Jede Entlastung kann da nur helfen. Und der Staat muss endlich seine Hausaufgaben in Sachen digitaler Infrastruktur machen.

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