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„Die Digitalisierung ist ein Hebel für mehr Ressourceneffizienz“

Unternehmen könnten viel Geld sparen, wenn sie mehr auf den Einsatz ihrer Ressourcen achten würden. Warum die Digitalisierung dafür das bessere Instrument ist als Regulierung, erklärt Elisabeth Winkelmeier-Becker, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium.

Kernaussagen in Kürze:
  • Wenn das Produzierende Gewerbe in Deutschland konsequent auf die Digitalisierung setzen würde, um die Ressourceneffizienz zu steigern, könnten die Unternehmen 10 Milliarden Euro sparen, sagt Elisabeth Winkelmeier-Becker, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium.
  • Denn durch die Digitalisierung haben Unternehmen einen besseren Überblick über ihre Prozessabläufe und können für eine bessere Auslastung von Maschinen und Anlagen sorgen.
  • In der Praxis finde jedoch die Digitalisierung häufig ohne Berücksichtigung der Ressourceneffizienz statt, so Winkelmeier-Becker. Das liege daran, dass diese beiden Themen in den Unternehmen zumeist in unterschiedlichen Abteilungen betrachtet würden.
Zur detaillierten Fassung

Warum sollten Unternehmen über eine Digitalisierung für die Ressourceneffizienz nachdenken? Welche Vorteile ergeben sich auf diesem Gebiet durch den Einsatz digitaler Technologien?

Weil sie Kosten sparen: Insgesamt geht es im Produzierenden Gewerbe um mehr als 10 Milliarden Euro oder gut 1 Prozent der industriellen Bruttowertschöpfung als Einsparpotenzial.

Digitalisierung könnte ein wesentlicher Hebel sein, um den aktuellen Ressourceneinsatz in den Unternehmen weiter zu reduzieren.

Digitalisierung sorgt für bessere Information, Transparenz sowie örtliche und zeitliche Flexibilität. Durch die Digitalisierung haben Unternehmen einen besseren Überblick über ihre Prozessabläufe und können für eine bessere Auslastung von Maschinen und Anlagen sorgen. Die IW-Studie „Digitalisierung als Enabler für Ressourceneffizienz in Unternehmen“ zeigt, dass sich beispielsweise in der Industrie drei Vorteile ergeben: Kostensenkungen durch das Erkennen und Umsetzen von Einsparpotenzialen, die verbesserte Transparenz in Herstellungsprozessen sowie eine größere Kundennähe durch Vernetzung. Allerdings sind nur wenige Unternehmen in Deutschland bei Ressourceneffizienzmaßnahmen bislang stark digitalisiert.

Woher weiß ein Unternehmen, dass sich eine Digitalisierung für die Ressourceneffizienz rechnet?

Vielen Unternehmen ist noch unklar, wie das Kosten-Nutzen-Verhältnis aussieht, da Informationen und fachkundige Beratungen fehlen. Exakte Kenntnisse und Transparenz der betrieblichen Abläufe sind jedoch zwingend nötig, um Potenziale und Maßnahmen zur Effizienzsteigerung zu identifizieren. Denn Unternehmen brauchen einen Überblick, mit welchen digitalen Anwendungen und Technologien sie vorhandene Einsparpotenziale heben können. In der Praxis findet jedoch die Digitalisierung häufig ohne Berücksichtigung der Ressourceneffizienz statt. Das liegt daran, dass diese beiden Themen in den Unternehmen auch in unterschiedlichen Abteilungen betrachtet werden. Außerdem müssen die zahlreichen möglichen – auch negativen – Wechselwirkungen in den Unternehmen bewertet werden. Für eine solche Bestandsaufnahme und Bewertung können die Unternehmen übrigens auch öffentlich geförderte Informations- und Beratungsangebote zu den Themen Ressourceneffizienz und Digitalisierung nutzen.

Ist die Digitalisierung zur Steigerung von Ressourceneffizienz für jede Unternehmensgröße sinnvoll?

Elisabeth Winkelmeier-Becker ist Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie; Foto: Rene Schwerdtel Ja, denn kleine und mittlere Unternehmen können von den Möglichkeiten einer vernetzten Produktion sogar stärker profitieren als Großunternehmen. Kleinere Unternehmen können Treiber der Entwicklung von digitalen produkt- und serviceorientierten Geschäftsmodellen zur Planung, Gestaltung, Steuerung und Wartung komplexer Wertschöpfungsnetze sein. Allerdings sind bislang nur wenige kleine und mittelständische Betriebe bei Ressourceneffizienzmaßnahmen stark digitalisiert.

Vor welchen weiteren Herausforderungen stehen die Unternehmen aktuell?

Vor allem in der Industrie fehlen Komplettlösungen zur umfassenden Datenerhebung und -nutzung. Mehr als die Hälfte der produzierenden Unternehmen beklagt auch, dass projektbezogene Insellösungen später nicht zu umfassenden digitalen Lösungen führen. Hemmschwellen sind dabei auch die fehlende Finanzkraft für den Aufbau einer komplett digitalisierten Anlage und die fehlende Nachrüstbarkeit bestehender Anlagen. Es mangelt zudem häufig an passenden spezifizierten Softwarelösungen, ebenfalls vor allem in der Industrie: Manchmal ist es zu aufwendig, eingekaufte Softwarelösungen anzupassen, oder der Unterstützungsbedarf ist zu hoch.

Warum ist das Thema Ressourceneffizienz überhaupt wichtig?

Es ist ein wesentliches politisches Ziel, den Einsatz natürlicher Ressourcen von der wirtschaftlichen Entwicklung stärker zu entkoppeln. Mit dem Deutschen Ressourceneffizienzprogramm stellt die Bundesregierung zahlreiche Maßnahmen für einen sparsameren Umgang mit Rohstoffen vor. Im Mittelpunkt stehen ressourceneffiziente Produktionstechniken, die zur Schonung der Umwelt sowie zur Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft beitragen. Für Unternehmen stellt der sparsame Umgang mit Rohstoffen als strategisches Ziel eine Möglichkeit dar, Kosten einzusparen, Abfälle zu vermeiden und durch Ressourcenschonung die Umwelt zu schützen. Grundsätzlich müssen wir neben der Corona-Pandemie weitere gewaltige Herausforderungen meistern. Klima- und Ressourcenschutz sind weltweit überlebenswichtig. Deshalb brauchen wir Ressourceneffizienz und Digitalisierung als Weichensteller für nachhaltiges Wirtschaften.

Wie groß ist das Einsparpotenzial in Sachen Ressourcen? Und welche Rolle könnte die Digitalisierung dabei spielen?

Die Einsparpotenziale in der deutschen Wirtschaft sind keineswegs ausgeschöpft. Fast jedes zweite Unternehmen glaubt, dass es bei optimaler Nutzung der technischen Möglichkeiten weitere Potenziale freisetzen könnte. In den Unternehmen ließe sich im Durchschnitt eine weitere Reduzierung des aktuellen Ressourceneinsatzes von 7 Prozent realisieren. Digitalisierung könnte ein wesentlicher Hebel dabei sein. Denn sie geht mit Ressourceneffizienz Hand in Hand. Digitalisierung macht Ressourceneffizienz messbar und Einsparpotenziale nutzbar. Durch einen höheren Digitalisierungsgrad lässt sich auch ein höheres Maß an Ressourceneffizienz erreichen. Digitalisierung ist zwar keine zwingende Voraussetzung für mehr Ressourceneffizienz, doch welche Chancen sie für Ressourceneffizienz in Unternehmen bietet, zeigt ja gerade die von uns in Auftrag gegebene und nun vorliegende IW-Studie.

Inwiefern unterstützt Ihr Ministerium die Digitalisierung zur Steigerung der Ressourceneffizienz in den Unternehmen?

Grundvoraussetzung, um Digitalisierung für Ressourceneffizienz voranzubringen, ist eine funktionierende digitale Infrastruktur und Datensicherheit. Um diese Themen kümmern wir uns aktuell. Dafür sind der flächendeckende Breitbandausbau sowie der Ausbau des neuen Mobilfunkstandards 5G, Investitionen in Standards, Übertragungsmöglichkeiten und in die Cloudnutzung sowie die Umsetzung in Normen und Standards zentral.

Außerdem können wir über vorhandene Fördermittel den Wissenstransfer zu dieser Thematik in die Unternehmen stärken, vor allem für kleine und mittlere Betriebe. Ein Leuchtturm ist das sehr erfolgreiche Technologietransfer-Programm Leichtbau, mit dem auch Ressourceneffizienz und Digitalisierung gefördert werden können. Denn Leichtbau ist eine Konstruktionsphilosophie, die auf Reduzierung des Gewichts bei gleichzeitiger Verbesserung der Ressourceneffizienz sowie auf verbesserte oder auch zusätzliche Funktionalitäten abstellt.

Vielen Unternehmen ist der Nutzen der Digitalisierung für Ressourceneffizienz noch unklar.

Vielen Unternehmen ist der Nutzen der Digitalisierung für Ressourceneffizienz noch unklar. Sie müssen wissen, wo sie bei der Digitalisierung stehen und welche Maßnahmen sie benötigen. Um alle relevanten Fragestellungen zur optimalen Nutzung der Digitalisierung zu adressieren, müssten auch bestehende Angebote, die bislang getrennt die Themen Ressourceneffizienz und Digitalisierung behandeln, besser miteinander verzahnt werden. Gezielte Weiterbildungs-, Informations- und Beratungsangebote oder auch der Aufbau eines Netzwerks könnten Abhilfe schaffen und über Fördermittel finanziert werden. Eine erste Hilfestellung für Unternehmen sind die „Handlungsempfehlungen für KMU“.

Schließlich ist wichtig und klar, dass wir mit dem Koalitionsvertrag auf freiwillige Maßnahmen für die Wirtschaft setzen. Zusätzlich sind Anreize, Wissenstransfer und Technologieoffenheit entscheidend. Absolute Senkungsvorgaben für die Inanspruchnahme von Ressourcen, eine Rohstoffsteuer und überbordende Regulierung sehen wir dagegen sehr kritisch.

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