Deutsche Leistungsbilanz hängt an globalen Investitionen
Im Streit um den Handel wird exportorientierten Ländern wie Deutschland oft vorgeworfen, auf Kosten der anderen hohe Überschüsse zu erzielen. Tatsächlich gibt es dafür aber einen Grund, den Deutschland nicht beeinflussen kann – die globalen Investitionen.
- Ungleichgewichte in Leistungsbilanzen werden durch Angebot und Nachfrage erzeugt.
- Für Deutschland ist die Angebotsseite ausschlaggebend, da das deutsche Alleinstellungsmerkmal der hohe Anteil von Investitionsgütern an der gesamtwirtschaftlichen Produktion ist.
- Die deutsche Leistungsbilanz wird durch die globalen Investitionen stark beeinflusst. Sind diese hoch, ist ein deutscher Überschuss wahrscheinlich.
So mancher Kritiker der deutschen Überschüsse möchte das Problem am liebsten protektionistisch lösen – nach dem Motto: Grenzen dicht, alles gut. Wer jedoch rational an die Sache herangeht, der findet für die Ungleichgewichte zwei logische Erklärungen:
Die Nachfrage: Bei einem Leistungsbilanzdefizit überschreitet die gesamtwirtschaftliche Nachfrage eines Landes seine Produktion und seine Einkommen. Deshalb müssen Defizitländer diese Lücke über den Import von Gütern und Kapital füllen. Ein Beispiel dafür sind die USA: Dort treibt die Regierung das Staatsdefizit im kommenden Jahr voraussichtlich weit über 1 Billion Dollar – und muss deshalb viel Geld im Ausland aufnehmen. Auch die Güternachfrage können die Amerikaner nicht aus eigener Kraft bedienen.
Das Angebot: Produktion und Nachfrage können auch auseinanderdriften, weil eine Volkswirtschaft eine bestimmte Faktorausstattung – gemeint sind die Produktionsfaktoren Arbeit, Boden und Kapital – hat oder über eine historisch gewachsene Wirtschaftsstruktur verfügt. Die rohstoffreichen Länder zum Beispiel erwirtschaften in Phasen hoher Rohstoffnachfrage und gleichzeitig steigender Preise große Überschüsse. Daran können selbst flexible Wechselkurse nichts ändern.
Die deutsche Leistungsbilanz hängt eng mit den globalen Investitionen zusammen. Je höher diese sind, desto eher erzielt Deutschland Exportüberschüsse.
Auch für die deutschen Überschüsse ist die Angebotsseite ausschlaggebend – Deutschlands Alleinstellungsmerkmal ist der hohe Anteil von Investitionsgütern an seiner gesamtwirtschaftlichen Produktion. Wie die deutsche Leistungsbilanz mit den globalen Investitionen zusammenhängt, zeigt der Zeitraum 1995 bis 2017 (Grafik):
Von 1995 bis 2002 stagnierten die globalen Investitionen bei etwa 7.500 bis 8.200 Milliarden Dollar pro Jahr – und die deutsche Leistungsbilanz schrieb rote Zahlen.
Von 2003 bis 2008 stiegen die weltweiten Investitionen von rund 8.900 auf 16.000 Milliarden Dollar, insbesondere wegen der hohen Nachfrage aus Schwellen- und Entwicklungsländern – und Deutschland erzielte Jahresüberschüsse von bis zu gut 230 Milliarden Dollar.
In den vergangenen vier Jahren ließ die schleppende Nachfrage den deutschen Exportüberschuss dann wieder auf der Stelle treten. Freuen sollten sich die Kritiker darüber allerdings nicht, tragen doch Investitionsgüter made in Germany in anderen Ländern dazu bei, Produktionspotenziale zu erneuern, sodass die Wirtschaft dort stärker wachsen kann.