Bronze für den Standort Deutschland
Ein internationaler Vergleich der Standortqualität von 45 Industrieländern zeigt: Was das aktuelle Niveau angeht, haben etablierte Staaten wie die Schweiz, die USA und Deutschland zwar die Nase vorn – doch die größere Dynamik zeigen Schwellenländer, allen voran China.
- Im IW-Standortindex stehen die Schweiz, die USA und Deutschland an der Spitze.
- Die Bundesrepublik überzeugt vor allem in den Kategorien Infrastruktur und Wissen. Größte Schwäche sind die hohen Kosten.
- Das Dynamikranking führen die Schwellenländer China, Rumänien und Kolumbien an. Durch das niedrige Ausgangsniveau haben sie aber auch bessere Entwicklungsmöglichkeiten als Industriestaaten.
Wenn es um ökonomische Vergleiche geht, betrachten die meisten internationalen Studien die Volkswirtschaften als Ganzes – explizite Vergleiche einzelner Branchen gibt es kaum. Das IW hat sich deshalb speziell die Industrie vorgenommen und gefragt, wie es um deren Wettbewerbsfähigkeit und Standortqualität in 45 Ländern bestellt ist.Der IW-Standortindex untersucht sechs Kategorien, die den Industriesektor maßgeblich beeinflussen, mit insgesamt rund 60 Einzelindikatoren:
Staat: In dieser Kategorie geht es um die institutionellen Rahmenbedingungen, dazu gehören Indikatoren wie Bürokratie, Rechtssicherheit sowie Arbeitsmarkt- und Unternehmensregulierungen.
Infrastruktur: Neben der Internet- und Breitbandversorgung umfasst dieser Posten vor allem Straßen, Häfen und den Luftverkehr sowie die Leistungsfähigkeit der Logistiksysteme.
Wissen: Dazu zählen unter anderem das Humankapital, Innovationen und Patente sowie das Bildungsniveau der Bevölkerung.
Ressourcen: Hier geht es um den Zugang zu Rohstoffen und um Energieeffizienz, aber auch um die Verfügbarkeit von Krediten.
Kosten: Bewertet werden Steuer-, Arbeits-, Energie-, Zins- und Exportkosten.
Markt: Diese Kategorie verbindet Kennzahlen über die Größe und Entwicklung der Märkte mit Indikatoren zur Wertschöpfungskette und zum Außenhandel.
Die Bewertung dieser Indikatoren anhand von Statistiken und Umfragedaten von Institutionen wie Eurostat, OECD und Weltbank ergibt für jedes Land einen Index, der zwischen 0 und 200 (bester Wert) liegt. Daraus folgt das Standort-Ranking – in zwei Varianten:
Das Niveau-Ranking gibt die industrielle Standortqualität im Jahr 2015 wieder. Das Ergebnis (Grafik):
Auf dem Siegertreppchen stehen mit der Schweiz, den USA und Deutschland drei etablierte Industrienationen.
Der Industriestandort Deutschland erreicht in fast allen Kategorien überdurchschnittliche Ergebnisse, besonders ausgeprägt sind seine Stärken in drei Bereichen: In der Kategorie Infrastruktur (Platz 2) punktet Deutschland vor allem mit seiner guten Logistik, der Informations- und Telekommunikationsinfrastruktur sowie mit der guten internationalen Anbindung über Luft- und Seehäfen. Beim Wissen (Platz 6) stechen das Bildungswesen und das Innovationsumfeld hervor. Und in Sachen Staat (Platz 13) profitiert die deutsche Industrie von der hohen Regierungseffizienz und der lokalen Wettbewerbsintensität.
Deutschland punktet im IW-Standortindex vor allem in den Bereichen Infrastruktur und Wissen. Größte Schwäche sind die hohen Kosten.
Deutschlands größtes Manko sind – wie in den meisten klassischen Industrieländern – die im Vergleich zu den Schwellenländern hohen Kosten. Insbesondere wegen der hohen Arbeitskosten landet die Bundesrepublik in dieser Kategorie nur auf Platz 36 der 45 untersuchten Volkswirtschaften.
Auffallend im Niveau-Ranking ist zudem das relativ schlechte Abschneiden einiger EU-Staaten. Frankreich zum Beispiel landet als zweitgrößte EU-Volkswirtschaft – wenn man Großbritannien außen vor lässt – nur auf Platz 19; Spanien, Europas Nummer vier, muss sich mit Platz 23 zufriedengeben; und Italien, drittgrößte Volkswirtschaft in der EU, landet sogar nur auf Platz 29.
Dynamische Schwellenländer
Das Dynamik-Ranking bewertet zwar dieselben Indikatoren wie das Niveau-Ranking, es misst aber nicht die industrielle Standortqualität im Jahr 2015, sondern deren Entwicklung im Zeitraum 2000 bis 2015.
Weil klassische Industrieländer wie die Schweiz, Deutschland und die USA bereits ein hohes Niveau erreicht haben und sich deshalb nur noch in kleinen Schritten verbessern können, tauchen sie in den Top 10 der dynamischsten Industrieländer gar nicht erst auf. Dieses Ranking führen stattdessen ausschließlich Schwellenländer an (Grafik):
China, Rumänien und Kolumbien sind die drei Länder, die ihre industrielle Standortqualität in den Jahren 2000 bis 2015 am meisten verbessern konnten.
Die größten Fortschritte haben die Schwellenländer in der Kategorie Staat erzielt, insbesondere in Sachen Bürokratie und institutioneller Ordnungsrahmen – Felder, auf denen sie auch den größten Nachholbedarf hatten. Gleiches gilt für die Kategorie Ressourcen, in der ausschließlich Schwellenländer in den Top 10 zu finden sind.
Von den klassischen Industriestandorten haben im Dynamik-Ranking nur Belgien, Schweden, Deutschland und Norwegen mehr als 100 Indexpunkte und damit mehr als den Industrieländerdurchschnitt von knapp 94 Punkten erreicht.
Die Bundesrepublik nimmt im Dynamik-Ranking mit rund 101 Punkten den 19. Platz ein, in der EU schneiden nur Polen (106) die Slowakei (102), Belgien (101) und Schweden (101) etwas besser ab. Die Bundesrepublik punktet dabei mit ihren traditionellen Stärken. In der Kategorie Infrastruktur erreichte sie dank der gewachsenen Leistungsfähigkeit ihrer Logistiksysteme sowie Verbesserungen in der Informations- und Kommunikationsinfrastruktur Platz 5; und Platz 9 in der Kategorie Wissen ist die Folge verbesserter Arbeitsbeziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern sowie einer verbesserten Ausstattung mit Humankapital und Fortschritten im Innovationsumfeld.
Wie im Niveau-Ranking schneiden auch im Dynamik-Ranking einige EU-Staaten schlecht ab. Für Italien reicht es nur für Platz 36 unter den 45 Ländern, Spanien landet sogar auf dem viertletzten Platz.