Berliner Mietendeckel: Nur negative Auswirkungen
Der Senat der Hauptstadt will radikal gegen steigende Mieten vorgehen, indem er die Quadratmeterpreise deckelt. Außerdem sollen zu hohe Mieten gekürzt werden können. Doch all das, zeigt ein IW-Gutachten, brächte auf Dauer weder für Mieter noch für Vermieter Vorteile – im Gegenteil.
- Die Folgen des Berliner Mietendeckels wären allesamt negativ.
- Die Mietpreise verlören ihre Signalwirkung, weil sie keine Knappheit mehr anzeigen.
- Viele Investoren dürfte der Plan des Senats nachhaltig verschrecken.
Gutachten wägen die Vor- und Nachteile von Vorhaben ab. Eigentlich. Denn manchmal ist die Sache eindeutig. So auch beim Berliner Mietendeckel. Das belegt jenes Gutachten, das IW-Immobilienexperten für die CDU-Fraktion im Berliner Senat erstellt haben. Direkt zu Beginn nennen die Autoren in ihrer Zusammenfassung neun sehr wahrscheinliche Auswirkungen des Mietendeckels – sie wären alle negativ.
Zentraler Kritikpunkt: Würden die Pläne realisiert, verlören die Mietpreise ihre Signalwirkung.
Denn steigende Preise drücken aus, dass ein Produkt – zum Beispiel Wohnraum – knapp ist. Entsprechende, deutliche Preissignale gab es in Berlin in den vergangenen Jahren (Grafik):
Die Median-Miete – also jener Quadratmeterpreis, der alle Kaltmieten von der niedrigsten bis zur höchsten in zwei gleich große Gruppen teilt – stieg in Berlin von 6,09 Euro im Jahr 2010 auf 11,50 Euro 2019.
Normalerweise reagiert der Markt auf entsprechend steigende Preise. Auch in Berlin. Allerdings wurden dort von 2016 bis 2018 nur 73 Prozent der zusätzlich benötigten Wohnungen wirklich neu gebaut – schließlich brauchen Neubauten Zeit sowie genügend verfügbares Bauland und Investoren.
Zudem ist die Hauptstadt weiterhin beliebt und wächst kontinuierlich. Das Angebot kann also mit der Nachfrage kaum mithalten. Hinzu kommt ein Fachkräftemangel in der Baubranche.
Der Mietendeckel in Berlin hilft den Mietern nur auf den ersten Blick – langfristig wird es weniger Wohnungen auf dem Mietmarkt geben.
Doch auch auf all diese Widrigkeiten findet der Markt Antworten:
Weniger Wohnflächenkonsum. Mieter in Städten mit mehr als 500.000 Einwohnern geben sich – gegen den deutschlandweiten Trend – mit weniger Quadratmetern zufrieden als früher, zeigte im Sommer 2019 eine andere IW-Studie.
Umzug ins Umland. Die Zuwanderung nach Berlin aus den anderen Bundesländern und aus dem Ausland ist seit Jahren hoch. Einzige Ausnahme ist Brandenburg, also das Bundesland, das den Stadtstaat Berlin umgibt. Hierhin ziehen im Saldo deutlich mehr Berliner, als umgekehrt Brandenburger nach Berlin migrieren – denn im Berliner Umland gibt es mehr und günstigeren Wohnraum.
Diese Marktreaktionen würden ausbleiben, sobald das Vorhaben des Senats realisiert wird. Denn dann würde staatlich diktiert, wie viel eine Wohnung pro Quadratmeter in Berlin maximal kosten darf – einzig Neubauten wären ausgenommen:
In Berlin wäre der überwiegende Teil der Mietwohnungen vom Mietendeckel des Senats betroffen.
Entweder weil die Bestandsmiete definitionsgemäß „Wucher“ ist, da sie 20 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt. Oder weil bei einer Neuvermietung festgestellt wird, dass schon die vorherige Miete über dem Erlaubten lag. Das Problem: Jene Vergleichswerte beziehen sich auf das Jahr 2013, fortgeschrieben mit der Reallohnentwicklung bis 2019 – die rasante Entwicklung der Preise am Berliner Wohnungsmarkt in den vergangenen Jahren bildet der neue Mietspiegel also gar nicht ab.
Im Ergebnis wären die finanziellen Auswirkungen erheblich, wie das IW berechnet hat:
Die Mietpreise in Berlin könnten aufgrund der geplanten Regeln bei Wiedervermietung um knapp 42 Prozent sinken, aufgrund von Wucher-Kürzungen um fast 39 Prozent.
Wie Empirica Systeme, Lieferant von Immobilien-Marktdaten, schätzt, lägen aktuell in Berlin wohl um die 70 Prozent der inserierten Wohnungen oberhalb des dann erlaubten Mietpreises.
Dieser wäre dann auch nicht länger nach Stadtteilen differenziert. Sprich: Berlin Mitte wäre genauso günstig wie Neukölln. Insgesamt wären die Mieten in der Hauptstadt nicht länger die einer Metropole. Wohnen in Berlin würde durch den Mietpreisdeckel erschwinglicher, entsprechend dürften noch mehr Menschen in die Hauptstadt ziehen wollen.
Eigentümer werden Mietwohnungen verkaufen
Die Vermieter werden indes die Reißleine ziehen und ihr Verhalten anpassen, prognostizieren die Studienautoren und verweisen auf empirische Befunde aus anderen Ländern:
- Wohnungen dürften noch seltener an Großfamilien oder Alleinerziehende vermietet werden. Denn wenn das Preissignal fehlt, werden Vermieter wahrscheinlich jene Gruppen bevorzugen, die am wenigsten Probleme bereiten – solvente Doppelverdiener ohne Kinder.
- Wenn sich das Vermieten nicht mehr rechnet, werden die Eigentümer ihre Wohnungen verkaufen oder verkaufen müssen, weil sie ihre Hypotheken nicht länger bedienen können. Damit verkleinert sich der Mietmarkt.
- Da der Senat das Umlegen von Modernisierungskosten erheblich erschweren will und die Rentabilität von Mietwohnungen ohnehin sinkt, werden Vermieter deutlich weniger in den Bestand investieren. Die Qualität des Angebots wird entsprechend abnehmen und Maßnahmen zum Klimaschutz bleiben aus.
All das verstärkt außerdem einen wenig effizienten Trend: Weil es immer weniger Mietwohnungen gibt und die Suche noch beschwerlicher wird, bleiben noch mehr Menschen in der Wohnung wohnen, die sie irgendwann einmal gemietet haben – auch dann, wenn sie eigentlich zu groß oder zu klein geworden ist.
Handwerkern stehen magere Zeiten bevor
Auch andere Branchen in der Hauptstadt werden vom Mietendeckel getroffen. Vor allem Handwerker dürften signifikant weniger Aufträge bekommen als bisher, wenn es sich für Vermieter nicht mehr lohnt, Wohnraum zu modernisieren, und Neubauten nicht realisiert werden. Denn obwohl Gebäude, die nach 2013 fertiggestellt wurden, vom Mietendeckel ausgenommen sind, werden sich Investoren fragen, wie dauerhaft diese Rechtssicherheit für sie ist. Schließlich könnte es passieren, dass irgendwann der Schutz für Neubauten vom Senat abgeschafft oder der entsprechende Stichtag verschoben wird.
Jene fehlende Rechtssicherheit könnte letztlich weit über die Hauptstadt hinauswirken, warnen die Autoren der Studie. Dann nämlich, wenn der Mietendeckel im Ausland zum Thema wird. Wenn Eigentumsrechte nur unzureichend geschützt sind, bleiben Investitionen aus, da nicht länger garantiert ist, dass sich die Investitionen tatsächlich amortisieren.