Interview Lesezeit 2 Min.

„Wir sollten keine Zeit verlieren“

Ein marodes Verkehrsnetz, überschuldete Kommunen, viele Arbeitslose und ein nicht enden wollender Strukturwandel: Wie das Ruhrgebiet all diese Probleme in den Griff bekommen will, erläutert Karola Geiß-Netthöfel, Regionaldirektorin des Regionalverbands Ruhr.

Kernaussagen in Kürze:
  • Karola Geiß-Netthöfel, Regionaldirektorin des Regionalverbands Ruhr, erläutert im Interview, auf welchen Feldern das Ruhrgebiet Unterstützung von Bund und Land benötigt: bei der Entwicklung von Brachflächen, der Verkehrsinfrastruktur und beim Abbau von Langzeitarbeitslosigkeit.
  • Angesichts der Dimensionen seien dafür Milliardenhilfen nötig, einen Ruhrgebiets-Soli brauche es allerdings nicht.
  • Helfen würde vielmehr, die Ruhrgebietsstädte von Altschulden zu befreien, damit sie wieder investieren können.
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Das Ruhrgebiet versucht seit nunmehr 60 Jahren, den Strukturwandel zu gestalten. Zu wie viel Prozent ist der denn mittlerweile gelungen?

Da möchte ich mich nicht auf eine Prozentzahl festlegen, denn wir sind hier im Ruhrgebiet eigentlich permanent dabei, uns zu wandeln. Wir haben uns nicht nur von Kohle und Stahl verabschiedet, sondern mit Opel und Nokia inzwischen auch schon von einem Teil der nachfolgenden Industrien. Aktuell sind wir dabei, die Nokia- und Opel-Industrieflächen in Bochum zu entwickeln – und da sind wir auf einem sehr guten Weg. Auf der Agenda stehen dabei auch neue Themen: Wir sind NRW-weit mit 100.000 Arbeitsplätzen die führende Region im Bereich der Umweltwirtschaft.

Trotzdem kommt eine IW-Studie zu dem Schluss, dass das Ruhrgebiet bei vielen Wirtschaftsindikatoren sehr schlecht abschneidet.

Was das marode Verkehrsnetz angeht, muss ich Ihnen recht geben. Aber die Arbeitslosenquote ist mit 8,9 Prozent auf einem Rekordtief, die Zahl der Erwerbstätigen steigt, wir haben 22 Hochschulen im Ruhrgebiet und rund 60 Prozent der Absolventen wohnen auch anderthalb Jahre nach ihrem Studienabschluss in unserer Region.

Karola Geiß-Netthöfel ist Regionaldirektorin des Regionalverbands Ruhr; Foto: RVR/Volker Widok Eine besondere Herausforderung bleibt die hohe Zahl an Langzeitarbeitslosen, die überwiegend geringqualifiziert und auch schon älter sind. Diese können voraussichtlich nicht alle in den ersten Arbeitsmarkt integriert werden, hier müssen wir gemeinsam mit dem Land Lösungen erarbeiten.

Braucht das Ruhrgebiet Finanzhilfen, um seine Probleme in den Griff zu bekommen?

In Branchen, in denen wir aufgeholt haben, nicht. Dazu zählen die Gesundheits- und Umweltwirtschaft, das Sozialwesen, der Handel und der Tourismus – 2017 hatten wir im Ruhrgebiet erstmals mehr als acht Millionen Gästeübernachtungen. Aber bei der Entwicklung von Brachflächen, bei den Verkehrsnetzen und der Verkehrsanbindung und beim Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit brauchen wir Unterstützung vom Land und vom Bund.

Wir brauchen bei der Entwicklung von Brachflächen, bei den Verkehrsnetzen und der Verkehrsanbindung und beim Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit Unterstützung vom Land und vom Bund.

Wie viel Geld brauchen Sie?

Angesichts des Aufwands bei den Gewerbeflächen und der Dimensionen im Verkehrssektor sprechen wir hier insgesamt von Milliarden.

Beim Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit sieht sich auch der Bund in der Verantwortung. In Berlin wird hierzu gerade ein Gesetzentwurf diskutiert.

Plädieren Sie für einen Ruhrgebiets-Soli?

Nein, ich habe immer schon gesagt: Den brauchen wir nicht. Was uns allerdings helfen würde, wäre, die Ruhrgebietsstädte von Altschulden zu befreien, damit sie wieder investieren können.

Die Landesregierung hat eine Ruhr-Konferenz initiiert, die die Zukunft des Ruhrgebiets aktiv gestalten soll. Was halten Sie davon?

Wir machen auf jeden Fall mit und sind derzeit dabei, mit dem Land die Themen aufzuarbeiten. Ich wünsche mir, dass dieser Prozess jetzt schleunigst in Gang gesetzt wird, denn andere Regionen stehen in den Startlöchern und wir sollten keine kostbare Zeit verlieren.

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