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Wenn die Wohnung im Alter plötzlich unbewohnbar ist

In Deutschland fehlen aktuell rund zwei Millionen barrierereduzierte Immobilien. Der Bedarf an altersgerechtem Wohnraum wird künftig weiter steigen, doch ohne politische Unterstützung dürfte es zu keinem nennenswerten Neubau von barrierefreien Wohnungen oder entsprechenden Umbauten kommen.

Kernaussagen in Kürze:
  • In Deutschland fehlen aktuell rund zwei Millionen barrierereduzierte Immobilien.
  • In Brandenburg gibt es 75 altersgerechte Wohnungen je 100 Haushalte, die einen entsprechenden Bedarf haben, in Thüringen, Hessen und Sachsen sind es nicht mal 20.
  • Dass sich das Angebot von barrierefreien oder -reduzierten Wohnungen vergrößert, ist unwahrscheinlich. Denn Vermieter haben aufgrund der hohen Nachfrage nach Wohnraum wenig Anreize, Investitionen in altersgerechte Bestände zu tätigen.
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Was tun, wenn ein älterer Angehöriger stürzt und sich danach in der eigenen Wohnung nur mithilfe eines Rollators fortbewegen kann? Klar, man besorgt eine solche Gehhilfe. Dumm nur, dass viele gängige Rollatoren zu breit sind für schmale Türdurchgänge. Manchmal hilft Pfiffigkeit: Mit einem zierlicheren Rollatormodell aus Italien ist der Durchgang zu allen Räumen problemlos möglich. Für diejenigen, die so etwas nicht haben und für die deshalb der Zugang zum Bad oder zur Toilette versperrt ist, bleibt oft nur der Umzug ins Pflegeheim.

Die Versorgungsquote mit altersgerechten Wohnungen ist in allen Bundesländern ungenügend, in einigen jedoch miserabel.

Viele Menschen in Deutschland leben in Häusern oder Wohnungen, die nicht barrierefrei oder wenigstens barrierereduziert sind. Das ist grundsätzlich kein Problem, solange die Bewohner körperlich fit sind. Doch sobald die Mobilität eingeschränkt ist, gilt es zu handeln – dann allerdings ist es für aufwendige Sanierungsmaßnahmen meist zu spät.

Eigentlich sollen Pflegebedürftige in der eigenen Wohnung bleiben

Dabei ist es politisch gewollt, dass Pflegebedürftige so lange wie möglich selbstständig und selbstbestimmt im vertrauten und angestammten Wohnumfeld bleiben. Das Sozialgesetzbuch sieht bei Pflegebedürftigkeit ausdrücklich „ambulant vor stationär“ vor – was insofern nicht überrascht, da das Wohnen und die Versorgung in der eigenen Wohnung wesentlich günstiger sind als ein Platz in einer stationären Pflegeeinrichtung. Im Schnitt lassen sich etwa 24.000 Euro pro Jahr einsparen, wenn Pflegebedürftige zu Hause wohnen bleiben und nicht in ein Pflegeheim umziehen. Diese zusätzlichen Wohn- und Versorgungskosten in stationären Einrichtungen werden zwar zu 60 Prozent vom Staat getragen. Die übrigen 40 Prozent müssen die betroffenen Haushalte aber selbst schultern.

Doch wie viele Menschen in Deutschland brauchen überhaupt eine barrierereduzierte Wohnung? Dieser Frage ist das IW nachgegangen und hat dafür untersucht, wie viele Haushalte hierzulande mobilitätseingeschränkte Mitglieder haben. Das Ergebnis:

Im Jahr 2022 gab es in Deutschland rund drei Millionen Haushalte, in denen mindestens ein Mensch mit Mobilitätseinschränkungen lebte.

Davon entfielen knapp 2,8 Millionen auf Seniorenhaushalte mit mobilitätseingeschränkten Personen und 256.000 auf jüngere Haushalte mit mobilitätseingeschränkten Mitgliedern.

Je nach Bundesland ist der Anteil dieser Haushalte an allen Haushalten unterschiedlich hoch (Grafik):

Im Saarland sowie in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen finden sich mit jeweils rund 8 Prozent die meisten Haushalte mit mobilitätseingeschränkten Mitgliedern.

In so viel Prozent der Haushalte lebten im Jahr 2022 mobilitätseingeschränkte Mitglieder Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Da in den Großstädten überproportional viele junge Leute wohnen, ist der Anteil der Haushalte, in denen Pflegebedürftige oder mobil eingeschränkte Personen leben, in den Stadtstaaten mit 6 bis 7 Prozent deutlich geringer.

Der Bestand an barrierefreien und barrierereduzierten Immobilien lässt sich mithilfe des Mikrozensus schätzen, der seit 2018 auch nach dem Zugang zur Wohnung sowie nach Barrierefreiheitsmerkmalen fragt.

In Deutschland gibt es etwa 1,2 Millionen Wohnungen mit mittleren Barrierefreiheiten – also mit einem schwellenlosen Zugang, einer ebenerdigen Dusche sowie stufenlos erreichbaren Räumen ohne Bodenunebenheiten.

Diese altersgerechten Wohnungen sind allerdings nicht gleichmäßig über Deutschland verteilt. Die Versorgungsquote ist in allen Bundesländern ungenügend, in einigen jedoch miserabel (Grafik):

Am schlechtesten schneiden Thüringen, Hessen und Sachsen mit einem Angebot an barrierereduzierten Wohnungen ab, das nicht einmal 20 Prozent des jeweiligen Bedarfs deckt.

So viele barrierereduzierte Wohnungen gab es im Jahr 2022 je 100 Haushalte mit mobilitätseingeschränkten Personen Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Die mit Abstand beste Quote hat Brandenburg mit 75 altersgerechten Wohnungen je 100 Haushalte, die einen entsprechenden Bedarf haben.

Wenig Anreize zum altersgerechten Um- und Neubau

Dass sich in naher Zukunft das Angebot von barrierefreien oder -reduzierten Wohnungen vergrößert, ist unwahrscheinlich. Denn das gestiegene Zinsniveau, der Einbruch der Baugenehmigungen sowie die erschwerte Handwerkersuche verhindern eine substanzielle Ausweitung. Zudem haben Vermieter aufgrund der hohen Nachfrage nach Wohnraum wenig Anreize, Investitionen in altersgerechte Bestände zu tätigen – schließlich können sie ihre Wohnungen und Häuser in der Regel auch ohne solche Sanierungsmaßnahmen problemlos vermieten.

Sinnvoll wäre es deshalb, das KfW-Förderprogramm „Altersgerecht Umbauen“, das unabhängig von der Bedarfssituation der Fördermittelempfänger ist und auch institutionellen Vermietern offensteht, zu verstetigen und die Fördermittel aufzustocken. Daneben wäre eine vergleichbare Förderung im Neubau wünschenswert.

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