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Schlechte Startbedingungen für Kinder von Migranten

Kinder von Zuwanderern tun sich im deutschen Bildungssystem häufig schwer, insbesondere beim Erlernen der deutschen Sprache sind sie oft auf Unterstützung angewiesen. Das IW hat in einer neuen Studie untersucht, wie viele Minderjährige hierzulande in fremdsprachigen Haushalten aufwachsen und wie sich ihre familiäre Situation darstellt – auch mit Blick auf den Bildungsstand der Eltern.

Kernaussagen in Kürze:
  • Im Jahr 2017 lebten in der Bundesrepublik 2,4 Millionen Kinder und Jugendliche in fremdsprachigen Haushalten.
  • Fast 35 Prozent der minderjährigen Migranten hatten Eltern, von denen keiner einen berufsqualifizierenden Abschluss hatte.
  • Die Deutschförderung dieser Kinder muss deshalb so früh wie möglich beginnen.
Zur detaillierten Fassung

Im Jahr 2017 lebten in der Bundesrepublik 2,4 Millionen Kinder und Jugendliche in fremdsprachigen Haushalten, das waren 17,7 Prozent aller Minderjährigen und 47 Prozent aller unter 18-Jährigen mit Migrationshintergrund in Deutschland.

Als „fremdsprachig“ ist ein Haushalt definiert, wenn laut Angabe der im Mikrozensus – einer regelmäßigen Befragung des Statistischen Bundesamts von rund 370.000 Haushalten – befragten Person dort überwiegend eine Fremdsprache gesprochen wird. Das bedeutet allerdings nicht zwangsläufig, dass die Minderjährigen in diesem Haushalt nur wenig oder gar kein Deutsch sprechen. Vielmehr ist es auch möglich, dass die erwachsenen Haushaltsmitglieder zwar untereinander vorwiegend in der Muttersprache kommunizieren, im Umgang mit den Kindern aber gezielt das Deutsche einsetzen und ihnen zum Beispiel deutschsprachige Bücher vorlesen.

Im Jahr 2017 lebten in Deutschalnd fast 35 Prozent der minderjährigen Migranten in Familien, in denen weder der Vater noch die Mutter einen berufsqualifizierenden Abschluss hatten.

Bei den fast 2,4 Millionen Minderjährigen in fremdsprachigen Haushalten zeigt sich ein Muster: Je jünger die Kinder, desto größer ist in der jeweiligen Altersgruppe der Anteil jener, die in fremdsprachigen Haushalten leben:

Von den unter einjährigen Migrantenkindern lebten 2017 fast 22 Prozent in einem fremdsprachigen Haushalt, bei den Zehnjährigen waren es knapp 18 Prozent und bei den 17-Jährigen nur noch rund 14 Prozent.

Der Grund für diesen Verlauf: Von den vielen Zuwanderern, die in den vergangenen Jahren nach Deutschland gekommen sind, sprechen die meisten nur wenig oder gar kein Deutsch, sodass deren Kinder eine gezielte Sprachförderung brauchen.

Allerdings beschränkt sich der Handlungsbedarf keineswegs auf diese Zielgruppe. Denn bei fast 47 Prozent der Kinder und Jugendlichen in nicht deutschsprachigen Haushalten ist kein Elternteil nach 2007 zugewandert.

Der höhere Anteil neu zugewanderter Eltern spiegelt sich auch in dem Sprachenmix der Minderjährigen wider (Grafik):

Bei den 12- bis 17-jährigen Migrantenkindern dominiert mit fast 22 Prozent die türkische Sprache – von den unter Sechsjährigen wachsen nur noch knapp 15 Prozent mit Türkisch als Muttersprache auf.

Anteile in Prozent im Jahr 2017 in Deutschland Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Dagegen spricht fast die Hälfte der Jüngsten eine andere europäische Sprache und mehr als ein Drittel eine außereuropäische Sprache. Damit deutet sich eine zunehmende sprachliche Diversität bei den Kindern aus fremdsprachigen Familien an – und das hat weitreichende Implikationen für die Bildungspolitik. Denn die Angebote in der jeweiligen Herkunftssprache sind meist nur für größere Gruppen sinnvoll umsetzbar.

Ein Blick auf die Bundesländer zeigt zudem die regional sehr unterschiedlichen Anteile der Minderjährigen in fremdsprachigen Haushalten, sodass auch nach diesem Kriterium maßgeschneiderte Bildungsangebote vonnöten sind (Grafik):

Während in Bremen im Jahr 2017 mehr als 35 Prozent der Kinder in fremdsprachigen Familien lebten, waren es in Thüringen nur 7 Prozent. Jeweiliger Anteil an allen Minderjährigen im Jahr 2017 in Prozent Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Neben Bremen weisen auch die anderen Stadtstaaten sowie Hessen, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen Anteile von mehr als 20 Prozent auf. Dagegen liegen die Werte in sämtlichen ostdeutschen Bundesländern – außer Berlin – unter 10 Prozent.

Für die Integration der Minderjährigen aus fremdsprachigen Haushalten kommt erschwerend hinzu, dass relativ viele von ihnen in Familien leben, die als bildungsfern einzustufen sind:

Im Jahr 2017 lebten fast 35 Prozent der minderjährigen Migranten in Familien, in denen weder der Vater noch die Mutter einen berufsqualifizierenden Abschluss hatten – bei Kindern ohne Migrationshintergrund traf dies nur auf gut 2 Prozent zu.

Zählt man zu dieser Gruppe noch die Alleinerziehenden ohne Abschluss hinzu, haben sogar fast 43 Prozent der unter 18-Jährigen aus fremdsprachigen Haushalten keinen Elternteil mit einer qualifizierten Ausbildung.

Dieses Phänomen betrifft die älteren Jahrgänge (12 bis 17 Jahre) mehr als die jüngeren (unter Sechsjährige) – ein Indiz dafür, dass sich mit der starken Zuwanderung der vergangenen Jahre der Zusammenhang zwischen Fremdsprachigkeit des Elternhauses und Bildungsferne zumindest abgeschwächt hat.

Gleichwohl ist der Anteil der bildungsfernen Väter und Mütter in den fremdsprachigen Familien immer noch sehr hoch; analog dazu wachsen deren Kinder häufig in Familien auf, in denen niemand einer Erwerbstätigkeit nachgeht:

Gut 27 Prozent der Minderjährigen aus fremdsprachigen Familien lebten 2017 in einem Haushalt, in dem kein Elternteil eine Arbeit hatte – von den Kindern ohne Migrationshintergrund betraf dies nur knapp 6 Prozent.

Angesichts dieser Startbedingungen – Fremdsprachigkeit und Bildungsferne – wundert es kaum, dass von den Kindern in fremdsprachigen Haushalten nur rund 23 Prozent ein Gymnasium besuchten. Bei Kindern ohne Migrationshintergrund war die Quote 2017 rund 15 Prozentpunkte höher.

Eine Lehre aus diesen Zahlen: Die Deutschförderung von Kindern aus fremdsprachigen Familien sollte möglichst früh im Leben beginnen. Dies wird allerdings dadurch erschwert, dass diese Kinder in der Regel sehr lange ausschließlich zu Hause betreut werden. So besuchten 2017 nur rund 17 Prozent der unter Dreijährigen aus fremdsprachigen Familien institutionelle Betreuungseinrichtungen wie eine Kita – bei Kindern ohne Migrationshintergrund war die Quote fast 20 Prozentpunkte höher. Die Bildungspolitik muss deshalb nicht nur Sprachförderung anbieten, sondern vor allem dafür sorgen, dass diese Angebote bei den Familien auch ankommen.

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