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Interview: „Hochschulen und Unternehmen sollten stärker kooperieren“

Die Erfindungen der deutschen Hochschulen machen bislang etwa 2 Prozent aller Patentanmeldungen in Deutschland aus. Im iwd-Interview erklärt Oliver Koppel, IW-Experte für Forschung und Innovationen, warum dies ein solides Ergebnis ist, wie die Hochschulen künftig noch mehr Neuheiten schaffen können und was getan werden muss, damit mehr Frauen den Weg in die Forschung finden.

Kernaussagen in Kürze:
  • Um die Patentaktivität der deutschen Hochschulen zu steigern, sollten Unternehmen und Hochschulen stärker und direkt miteinander kooperieren, sagt der Leiter der IW-Patentdatenbank, Oliver Koppel.
  • „Das hat bei BioNTech und der Uni Mainz, die zusammen an der Grundlagenforschung für den Impfstoff gegen Covid-19 gearbeitet haben, super funktioniert, geschieht aber aktuell noch zu selten in Deutschland", so Koppel.
  • Allerdings seien Patentanmeldungen – im Gegensatz zur Lehre – nicht die Kernaufgabe der Hochschulen und ihr mit 2 Prozent überschaubarer Anteil an allen Patentanmeldungen in Deutschland deshalb ein solider Wert.
Zur detaillierten Fassung

Fast die Hälfte der 15 patentstärksten Hochschulen hierzulande liegen in Ostdeutschland. Gibt es dafür einen besonderen Grund?

Ostdeutsche Hochschulen sind stark im technisch-naturwissenschaftlichen Bereich verwurzelt. Die Bergakademie Freiberg oder die TU Dresden wurden gezielt für diese Forschungsrichtung gegründet. Im Gegensatz dazu haben westdeutsche Hochschulen oft ein breiteres Fächerangebot und sind weniger spezialisiert.

Oliver Koppel ist Leiter der Patentdatenbank im Institut der deutschen Wirtschaft; Foto: IW Medien

Die ersten sechs Plätze des IW-Patentrankings für Hochschulen gehen allesamt an Technische Universitäten. Was machen die TUs in der Forschung besser als andere Unis und Hochschulen?

Der Vorteil der Technischen Universitäten liegt zum einen darin, dass sie überwiegend patentaffine Fächer wie Elektrotechnik oder Maschinenbau anbieten. Zum anderen profitieren sie besonders von staatlicher Forschungsförderung, erhalten vom Staat also Geld für Großforschungseinrichtungen.

Der Anteil privater Hochschulen an allen Patentanmeldungen deutscher Hochschulen lag zwischen 2010 und 2019 bei nicht einmal 1 Prozent. Warum?

Hierzulande liegt der Fokus der privaten Hochschulen eher auf Fächern aus dem Wirtschaftsbereich. Sie bilden also weniger Ingenieurinnen und Ingenieure aus und sind dementsprechend weniger patentaktiv. Außerdem wird ihre Forschung – im Gegensatz zu der von Technischen Universitäten – nicht vom Staat gefördert. Die Stärke der privaten Hochschulen ist die berufsbegleitende Ausbildung und weniger das Patentgeschäft.

Ob privat oder staatlich – in Deutschland gehen 2 Prozent aller Patentanmeldungen mit Schutzwirkung für Deutschland auf die hiesigen Hochschulen zurück. Darf man sich darüber freuen?

Ja. Zwar sind die großen patentaktiven Player hierzulande Industrieunternehmen wie Bosch oder Siemens. Aber vor dem Hintergrund, dass Patentanmeldungen nicht die Kernaufgabe der Hochschulen sind – im Gegensatz zu Lehre und Grundlagenforschung –, sind die 2 Prozent hier völlig in Ordnung.

Besonders erfolgreich ist ein Hochschulpatent dann, wenn der Transfer in die Wirtschaft funktioniert. Das geschieht aktuell noch zu selten in Deutschland.

Gleichzeitig muss man allerdings sehen, dass der Anteil ausländischer Hochschulen an allen ausländischen Patentanmeldungen mit Schutzwirkung für Deutschland mit 3 bis 4 Prozent fast doppelt so hoch ist. Getrieben wird das vor allem von den US-amerikanischen Hochschulen. Top-Universitäten wie Harvard oder das Massachusetts Institute of Technology haben bereits seit mehreren Jahrzehnten große Technologietransferzentren, aus denen immer wieder Start-ups hervorgehen. So weit sind wir in Deutschland noch nicht.

Wie ließe sich die Patentaktivität der deutschen Hochschulen steigern?

Unternehmen und Hochschulen sollten stärker und direkt miteinander kooperieren. Besonders erfolgreich ist ein Hochschulpatent dann, wenn der Transfer in die Wirtschaft funktioniert. Das hat bei BioNTech und der Uni Mainz, die zusammen an der Grundlagenforschung für den Impfstoff gegen Covid-19 gearbeitet haben, super funktioniert, geschieht aber aktuell noch zu selten in Deutschland. Davon brauchen wir mehr.

Sind die Patente für die deutschen Hochschulen ein Wirtschaftsfaktor?

Diesbezüglich gab es in Deutschland vor etwa 20 Jahren einen Wechsel. Bis 2002 galt hierzulande das Hochschullehrerprivileg. Professorinnen und Professoren durften ihre Erfindungen in Eigenregie vermarkten. Das ist heutzutage nicht mehr möglich. Die Rechte an den Hochschulpatenten liegen bei den Einrichtungen und nicht mehr bei den Erfindern selbst. Entsprechend haben sich für die Hochschulen vor allem die Einnahmen aus den Lizenzgebühren deutlich erhöht. Trotzdem bleiben sie überschaubar, weil es für Hochschulen oft schwierig ist, einen passenden Lizenznehmer in der Wirtschaft zu finden.

Lohnt es sich für einen Wissenschaftler an einer Hochschule finanziell überhaupt noch, ein Patent anzumelden?

Wenn ein Angestellter im Namen seiner Hochschule ein Patent anmeldet, fällt das unter das sogenannte Arbeitnehmererfindungsgesetz. Obwohl die Hochschule die Nutzungsrechte an dem Patent besitzt, bleibt der Angestellte der Erfinder. Ihm stehen dann Tantieme – eine Gewinnbeteiligung - zu. Das können bis zu 30 Prozent der Verwertungserlöse sein – zum Beispiel aus einer Lizenz. Oft gibt es als zusätzlichen Anreiz Zuschläge von der Hochschule, wenn Angestellte eine bestimmte Zahl an Patenten anmelden.

Zwischen 2010 und 2019 stand lediglich hinter jeder zehnten Patentanmeldung deutscher Hochschulen eine Erfinderin. Warum ist dieser Anteil noch so gering?

Der Frauenanteil an den von deutschen Hochschulen angemeldeten Patenten ist fast doppelt so hoch wie der Frauenanteil unter allen Patentanmeldungen in Deutschland. Im Vergleich sind die 10 Prozent also durchaus solide – und trotzdem ausbaufähig. Man muss allerdings sehen, dass Frauen seltener patentaffine Fächer wie Elektrotechnik oder Maschinenbau studieren. Dort liegt der Frauenanteil auch bei lediglich 10 Prozent. In einigen naturwissenschaftlichen Fächern wie der Biologie oder der Mathematik ist der Frauenanteil deutlich höher – nur sind diese wesentlich weniger patentaffin als Fächer wie Ingenieurwissenschaften, Informatik oder Physik.

Was muss passieren, damit mehr Frauen den Weg in die Forschung finden?

Man sollte früh in der Bildungskette ansetzen und jungen Mädchen stärker vermitteln, dass sie schwierige Situationen und Herausforderungen aus eigener Kraft erfolgreich bewältigen können. Sie dürfen nicht mehr das Gefühl haben, dass Technik oder Naturwissenschaften nichts für sie seien. Durch solche Geschlechterstereotype bleibt zu viel Potenzial ungenutzt.

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