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Immer mehr Erfinder haben ausländische Wurzeln

Deutschlands Innovationskraft kommt stärker denn je von Erfinderinnen und Erfindern mit ausländischen Wurzeln. Das zeigt eine Auswertung der IW-Patentdatenbank auf Grundlage typischer Vornamen. Die Corona-Pandemie bedroht nun allerdings den Nachschub an klugen Köpfen.

Kernaussagen in Kürze:
  • Binnen zehn Jahren legten die jährlichen Patentanmeldungen in Deutschland um 3 Prozent zu – aber nur, weil Erfinder mit ausländischen Wurzeln deutlich mehr Patente einreichten.
  • Vor allem Zuwanderer aus dem indischen und chinesischen Sprachraum waren in Deutschland so erfinderisch wie nie.
  • Der auf Innovationen angewiesene Standort Deutschland braucht Zuwanderung trotz Corona mehr denn je und die Politik muss die Weichen dafür richtig stellen.
Zur detaillierten Fassung

Vor einem Jahr waren Özlem Türeci und Ugur Sahin nur wenigen Experten ein Begriff. Mitte März erhielten die Biontech-Gründer dann das Große Verdienstkreuz mit Stern der Bundesrepublik Deutschland – aus den Händen des Bundespräsidenten persönlich und unter Anwesenheit der Kanzlerin.

Türeci und Sahin sind damit mustergültige Beispiele jener Geschichte, die anhand der IW-Patentdatenbank erzählt werden kann:

Im Jahr 1994 stammten knapp 4 Prozent aller Patentanmeldungen in Deutschland von Personen mit ausländischen Wurzeln; 2018 betrug ihr Anteil bereits mehr als 11 Prozent.

Seit 1994 haben sich die Anteile der Patentanmeldungen in Deutschland von Menschen aus jeder abgrenzbaren sprachlichen Herkunftsregion mehr als verdoppelt.

Die Patentdatenbank bestimmt die Wurzeln der in Deutschland wohnhaften Erfinderinnen und Erfinder anhand ihrer Vornamen, denn diese geben in der Regel sehr zuverlässig Aufschluss über die Herkunft einer Person. Und auch wenn manche Eltern ihren Kindern gerne internationale Vornamen geben, ist der Trend eindeutig. Die Anträge aus einem Sprachraum sind dabei besonders in die Höhe geschnellt (Grafik):

Der Anteil der Patentanmeldungen in Deutschland durch Menschen mit asiatischen Wurzeln hat sich im Zeitraum von 1994 bis 2018 vervierfacht.

So viel Prozent aller in Deutschland entwickelten Patente entfielen auf in Deutschland wohnhafte Erfinder mit ausländischen Wurzeln aus diesem Sprachraum Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Aber auch aus jeder anderen abgrenzbaren Herkunftsregion haben sich die Anteile mehr als verdoppelt.

Patentanmeldungen legen nur durch Erfinder mit ausländischen Wurzeln zu

Diese Werte allein reichen allerdings nicht aus, um die ganze Tragweite der Entwicklung zu erfassen. Dafür braucht es den Blick auf die Zahl der in Deutschland hervorgebrachten Patentanmeldungen. Und diese Betrachtung liefert für die zurückliegenden zehn Jahre ein eindeutiges Ergebnis (Grafik):

Von 2008 bis 2018 stieg die Zahl der jährlichen Patentanmeldungen in Deutschland um knapp 3 Prozent – allerdings nur, weil die Anmeldungen durch Erfinder aus nicht deutschen Sprachräumen um mehr als 84 Prozent zulegten.

Nationale und internationale Patentanmeldungen mit angestrebter Schutzwirkung für Deutschland durch Erfinder aus diesen Sprachräumen Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Ohne die Innovationen von Menschen mit Migrationshintergrund wäre die Zahl der Patentanmeldungen hierzulande stattdessen um fast 2 Prozent gesunken.

Erneut macht auch in dieser Betrachtung der asiatische Sprachraum besonders von sich reden:

Erfinder mit indischen Vornamen haben binnen zehn Jahren die Zahl ihrer Patentanmeldungen in Deutschland um rund 300 Prozent gesteigert, jene mit chinesischen Namenswurzeln um annähernd 140 Prozent.

Der Standort Deutschland braucht Zuwanderung aus verschiedenen Gründen

Es zeigt sich damit, wie wichtig die Zuwanderung von Fachkräften für den Standort Deutschland und die hiesige Innovationskraft ist. Deshalb sollte die Politik nicht nachlassen, die Willkommenskultur zu stärken und mit Maßnahmen wie „Make it in Germany“ beispielsweise in Indien um Zuwanderer zu werben.

Denn aus mehreren Gründen braucht Deutschland kreative Köpfe aus der Ferne:

Demografie. Die deutsche Bevölkerung altert, wodurch es immer weniger Erwerbstätige – und damit auch Erfinder – gibt.

Bedarf. Durch globale Megatrends wie die Dekarbonisierung, die Digitalisierung sowie den technologischen Konkurrenzkampf mit anderen Staaten brauchen Wirtschaft und Gesellschaft in Deutschland deutlich mehr Fachkräfte aus den relevanten Branchen.

Studienwahl. Obwohl es viele Programme und Projekte mit entsprechender Zielsetzung gibt, ist es nicht gelungen, mehr junge Menschen in Deutschland für ein technisch-naturwissenschaftliches Studium zu begeistern.

Corona reduziert die Zuwanderung über die Hochschulen dramatisch

Das Thema Studium ist noch aus einem anderen Grund sowohl aktuell als auch hochproblematisch:

Durch die Corona-Pandemie und die damit einhergehenden Einschränkungen ist die Zahl der ausländischen Studienanfänger in Deutschland von 125.000 im Studienjahr 2019/20 auf 99.000 im Studienjahr 2020/21 gesunken.

Viele der zugewanderten Studenten bleiben nach dem Studium in Deutschland, etwa 47 Prozent von ihnen studieren ein MINT-Fach, also Mathematik, Informatik, eine Naturwissenschaft oder Technik, und sind deshalb die potenziellen Erfinder von morgen.

Folglich ist es auch für das Thema Patentanmeldungen und damit die Innovationskraft entscheidend, dass die Corona-Pandemie schnellstmöglich unter Kontrolle gebracht wird. Denn ohne den Zuzug von innovativen Tüftlern und Denkern kann Deutschland im globalen Wettbewerb nicht bestehen.

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