MINT-Herbstreport Lesezeit 4 Min.

Die MINT-Lücke wird größer

In den Fachrichtungen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik wachsen die personellen Engpässe. Im Oktober 2018 waren in Deutschland fast eine halbe Million MINT-Stellen unbesetzt. Abhilfe kann qualifizierte Zuwanderung schaffen. Doch das allein reicht nicht. Um für die Zukunft gewappnet zu sein, müssten sich mehr junge Leute für einen MINT-Beruf begeistern.

Kernaussagen in Kürze:
  • Die Zahl der offenen MINT-Stellen in Deutschland ist weiter gewachsen, im Oktober 2018 waren fast eine halbe Million Stellen nicht besetzt.
  • Die Engpässe in allen MINT-Berufsgruppen wären noch größer, wenn nicht immer mehr ausländische Fachkräfte für Entlastung sorgen würden.
  • Um die MINT-Lücke zu verkleinern, müssen vor allem auch mehr junge Menschen für MINT-Berufe begeistert werden.
Zur detaillierten Fassung

Deutschland ist ein innovationsstarkes Land. Einen wichtigen Beitrag dazu leisten Beschäftigte der Fachrichtungen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik – kurz MINT. Branchenanalysen zeigen, dass die MINT-Erwerbstätigkeit eng mit der Innovationskraft verzahnt ist. Entsprechend besorgniserregend ist die wachsende MINT-Lücke:

Ende Oktober waren in Deutschland 496.200 MINT-Stellen unbesetzt – so viele wie noch nie seit Beginn der Erhebung im Jahr 2011.

Im Vergleich zum Vorjahresmonat stieg die Zahl der offenen Stellen in den MINT-Berufen um 27.700 oder 5,9 Prozent.

Im selben Zeitraum ist die Zahl der Arbeitslosen in diesen Berufen um 9,2 Prozent auf nur noch 160.280 gesunken. Das ist der niedrigste Stand seit dem Jahr 2011. Berücksichtigt man die qualifikatorischen Mismatches, fehlen derzeit in der Bundesrepublik 337.900 MINT-Fachkräfte.

Zudem hat sich die Struktur der MINT-Lücke in den vergangenen Jahren deutlich gewandelt. Der Anteil der nicht akademischen MINT-Berufe ist kontinuierlich gestiegen: Mittlerweile sind ihnen gut zwei Drittel der offenen Stellen zuzuordnen.

Vor allem IT-Experten werden aufgrund der fortschreitenden Digitalisierung händeringend gesucht. Die Lücke hat sich in diesem Segment in den vergangenen drei Jahren auf 40.500 mehr als verdoppelt.

Ende Oktober 2018 waren in Deutschland 496.200 MINT-Stellen unbesetzt – so viele wie noch nie seit Beginn der Erhebung im Jahr 2011.

Die Engpässe in allen MINT-Berufsgruppen wären noch viel größer, wenn nicht immer mehr ausländische Fachkräfte für Entlastung sorgen würden. Seit 2012 entwickelt sich die Beschäftigung ausländischer MINT-​Arbeitskräfte deutlich dynamischer als die ihrer deutschen Berufskollegen (Grafik):

Zwischen 2012 und 2018 stieg allein die Zahl der Ausländer in akademischen MINT-Berufen um mehr als 72 Prozent.

Zahl der deutschen und ausländischen MINT-Akademiker und MINT-Fachkräfte 2012 und 2018 Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Insgesamt legte die Beschäftigung unter Deutschen in akademischen MINT-Berufen um gut 18 Prozent zu.

Bei den MINT-Fachkräften fällt das Plus unter Ausländern mit 39 Prozent nicht ganz so stark aus. Dennoch ist es bemerkenswert, da die Gesamtzahl der Deutschen im Betrachtungszeitraum nur um 1 Prozent zunahm. Ohne den starken Anstieg der ausländischen Beschäftigten würden heute schon mehr als eine halbe Million Kräfte in den MINT-Berufen in Deutschland fehlen.

Die wirtschaftliche Bedeutung der ausländischen MINT-Arbeitskräfte ist sehr beachtlich: Im Jahr 2017 trugen sie zu einer Wertschöpfung von rund 190 Milliarden Euro bei. Angesichts des demografischen Wandels wird es in Zukunft noch wichtiger für Deutschland, qualifizierte Zuwanderer für den MINT-Sektor zu gewinnen. Der Blick sollte sich aus strategischer Sicht stärker auf Drittstaaten mit großem Bevölkerungswachstum wie Indien richten, denn aufgrund der demografischen Entwicklung auf dem europäischen Kontinent dürften die Fachkräftepotenziale in Mittel-, Ost- und Südeuropa künftig begrenzt sein. Ein Zuwanderungsgesetz, wie es die Bundesregierung plant, ist ein wichtiger Schritt, um qualifizierte Mitarbeiter aus dem Ausland leichter anwerben zu können.

Flüchtlinge ausbilden, Nachwuchs begeistern

Eine weitere Chance besteht darin, Flüchtlinge für MINT-Berufe zu gewinnen. Erste Erfolge gibt es bereits:

Während Ende 2012 nur rund 2.700 MINT-Beschäftigte aus Eritrea, dem Irak, Afghanistan und Syrien kamen, waren es Anfang 2018 schon mehr als 19.200.

Dabei wird es voraussichtlich nicht bleiben. Bis 2020 dürften knapp 30.000 Flüchtlinge einer Beschäftigung in einem MINT-Beruf nachgehen.

Die Qualifizierung von Flüchtlingen und leichtere Einwanderungsbedingungen für ausländische Fachkräfte können dem MINT-Sektor einen starken Schub geben. Die Maßnahmen werden allein aber nicht ausreichen, um die MINT-Lücke zu schließen; vor allem, wenn das von der Bundesregierung gesteckte Ziel, künftig 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Forschung und Entwicklung zu investieren, erreicht werden soll. Denn dieses Vorhaben erhöht den Bedarf an MINT-Kräften um zusätzlich 220.000 Personen. Es geht also auch darum, MINT für den Nachwuchs attraktiver zu machen und mehr junge Menschen für einen Beruf in einer der vier Fachrichtungen zu begeistern. Die Karriereaussichten in MINT-Berufen sind dabei sehr gut. Beim Bruttogehalt liegen die MINT-Berufe über dem Durchschnitt (Grafik):

MINT-Beschäftigte verdienten im Jahr 2017 zwischen 334 und 623 Euro mehr pro Monat als Gleich-qualifizierte in anderen Branchen.

Medianeinkommen verschiedener Berufsklassen in Deutschland Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Außerdem sind MINT-Kräfte im Vergleich zu Mitarbeitern anderer Branchen seltener befristet beschäftigt. MINT-Karrieren bieten auch gute Chancen für den Bildungsaufstieg. Fast 70 Prozent der Ingenieure sind Bildungsaufsteiger, beide Elternteile haben also keine akademische Ausbildung abgeschlossen. Unter den sonstigen akademischen MINT-Berufen liegt die Quote bei rund 66 Prozent.

Für MINT-Akademiker gibt es außerdem häufiger als für andere Hochschulabsolventen die Möglichkeit, in Führungspositionen zu kommen. So hatten 2016 knapp 42 Prozent der MINT-Akademiker Personalverantwortung, in anderen Fachrichtungen betrug die Quote lediglich 37 Prozent.

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