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„Der Büroturm hat womöglich ausgedient“

Der wirtschaftliche Einbruch und der verstärkte Trend zum Homeoffice dürften vielerorts große Büroflächen in der City entbehrlich machen. Für wichtige Meetings ist das Büro aber nach wie vor unersetzlich, findet Michael Voigtländer, Immobilienexperte am Institut der deutschen Wirtschaft.

Kernaussagen in Kürze:
  • Der durch die Corona-Pandemie erzwungene Lockdown hat gezeigt, dass das Arbeiten im Homeoffice deutlich komfortabler möglich ist als bislang vermutet, sagt IW-Immobilienexperte Michael Voigtländer
  • Künftig könnten je nach Aufgabenstellung und Wünschen der Mitarbeiter bis zu 60 Prozent der Arbeit zu Hause erledigt werden. Diese Entwicklung wird die Nachfrage nach Büroflächen beeinflussen.
  • Die aktuelle Wirtschaftskrise könnte zudem den Impuls geben, Prozesse schlanker zu gestalten. Damit würde die Zahl der Bürobeschäftigten vermutlich nicht nur temporär, sondern dauerhaft sinken.
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Der Büromarkt reagiert typischerweise stark auf konjunkturelle Einbrüche, doch sobald sich die Konjunktur erholt, steigen auch wieder Mieten und Preise. Diesmal könnte es anders sein. Der durch die Corona-Pandemie erzwungene Lockdown hat gezeigt, dass das Arbeiten im Homeoffice deutlich komfortabler möglich ist, als dies von vielen Führungskräften und Mitarbeitern bislang vermutet wurde: Laptops sind heute weit verbreitet, viele Beschäftigte verfügen daheim über eine schnelle Internetverbindung und selbst die Videokonferenzsysteme sind heute so anwenderfreundlich, dass ein virtuelles Meeting effizient stattfinden kann. Das Arbeiten zu Hause ist also zu einer echten Alternative geworden, zumal dadurch auch lästige Pendelzeiten entfallen.

Dieser Wunsch nach mehr Homeoffice trifft nun auf Unternehmen, die sparen müssen – und die Büromieten sind nach den Personalkosten der größte Kostenblock. Es liegt also nahe, dass künftig der Anteil des Homeoffice steigt. Das heißt nicht, dass Büros nicht mehr gebraucht werden. Für wichtige Gespräche, umfangreiche Strategietreffen oder aber das schlichte persönliche Kennenlernen braucht es Büros. Aber dort, wo bislang vielleicht nur 20 Prozent der Arbeit zu Hause erledigt wurden, könnten es künftig 40 oder 60 Prozent sein – je nach Aufgabenstellung und Wünschen der Mitarbeiter.

Gut möglich, dass schon in einigen Jahren der innerstädtische Büroturm mit vielen Arbeitsplätzen in der Fläche nicht mehr zeitgemäß ist.

Diese Entwicklung wird auch die Nachfrage nach Büroflächen beeinflussen. Die Researcher von JLL, einem der größten internationalen Maklerhäuser, gehen davon aus, dass bei einer Zunahme des Homeoffice um 15 Prozent die Büroflächennachfrage um 10 Prozent zurückgeht. Dies wird nicht ohne Folgen für die Mieten und Preise bleiben, zumal neben der Neugewichtung zwischen der Arbeit zu Hause und jener im Büro etwas Weiteres hinzukommen könnte: der Stellenabbau im Bürosektor. Viele einfache Bürotätigkeiten, ob im Rechnungswesen, im Forderungsmanagement oder in der Kreditbearbeitung, können längst digitalisiert werden. Oft tun sich Unternehmen aber schwer, in einem Boom Mitarbeiter freizusetzen. Die aktuelle Wirtschaftskrise könnte nun aber den Impuls geben, Prozesse neu aufzustellen und insgesamt schlanker zu gestalten. Damit würde die Zahl der Bürobeschäftigten vermutlich nicht nur temporär, sondern dauerhaft sinken.

Michael Voigtländer ist Immobilienexperte am Institut der deutschen Wirtschaft Die Veränderungen in der Bürowelt könnten sich überdies auch auf andere Märkte auswirken. Wer mehr zu Hause arbeitet, stellt höhere Anforderungen an die eigene Wohnung – tendenziell werden demnach künftig größere Wohnungen mit einem eigenen Arbeitszimmer bevorzugt. Da man aber weniger oft in die Großstadt pendeln muss, kann die Wohnung auch im erweiterten Umland liegen – jedenfalls dann, wenn gute Schulen, Nahversorgung und Freizeitmöglichkeiten vorhanden sind. Weniger Pendler bedeuten darüber hinaus auch weniger Kunden in den Restaurants und Geschäften der Ballungszentren.

Krisen wie die aktuelle Pandemie sind immer wieder Beschleuniger des Strukturwandels. Ein schneller Wandel ist stets mit Schmerzen verbunden, zum Beispiel aufseiten der Eigentümer gewerblicher Immobilien. Doch der Wandel bietet auch Chancen, nämlich denjenigen, die sich schnell anpassen können und mit innovativen Ideen vorangehen. In den nächsten Jahren wird es darum gehen, die Büros an die veränderten Rahmenbedingungen anzupassen und Räume zu bieten, die dem neuen Beschäftigungsmix aus Homeoffice und Büro Rechnung tragen. Dabei wird nicht nur die Gestaltung der Räume auf dem Prüfstand stehen, sondern auch die Lage der Büros. Gut möglich, dass schon in einigen Jahren der innerstädtische Büroturm mit vielen Arbeitsplätzen in der Fläche nicht mehr zeitgemäß ist.

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