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JIM-Studie 2021: Corona setzt Deutschlands Jugend zu

Wie erlebt der Nachwuchs in Deutschland das zweite Jahr der Corona-Pandemie? Antworten gibt die JIM-Studie und offenbart bedenkliche Zustände – unter anderem mit Blick auf den digitalen Unterricht, aber auch bezüglich des seelischen Befindens der 12- bis 19-Jährigen.

Kernaussagen in Kürze:
  • Laut JIM-Jugendstudie sind nur 35 Prozent der Befragten mit den Online-Angeboten ihrer Schulen in Pandemie-Zeiten zufrieden.
  • Vielen Jugendlichen fehlt der persönliche Kontakt zu anderen, beispielsweise bei Veranstaltungen oder beim Mannschaftssport.
  • Gleichzeitig ist der Nachwuchs laut Selbsteinschätzung deutlich länger online als vor der Pandemie.
Zur detaillierten Fassung

Seit Beginn der Corona-Pandemie werden deren Folgen für junge Menschen hitzig diskutiert – allerdings streiten in der Regel Erwachsene. Doch manchmal kommt der Nachwuchs zum Glück selbst zu Wort – zum Beispiel in der JIM-Jugendstudie des Medienpädagogischen Forschungsverbunds Südwest. Der Verbund befragt bereits seit 1998 repräsentativ 1.200 Mädchen und Jungen von 12 bis 19 Jahren, zuletzt von Anfang Juni bis Mitte Juli 2021.

JIM steht eigentlich für Jugend, Information, Medien, doch die Studie reicht mittlerweile weit über diese Themen hinaus, da sie – neben den Basiskapiteln zur Mediennutzung – die Corona-Pandemie aus Sicht der Teenager beleuchtet. Einen Schwerpunkt legt die Jugendstudie dabei auf die Frage, wie Schülerinnen und Schüler das digitale Lernen in Deutschland im Frühjahr 2021 empfunden haben (Grafik):

Nur 35 Prozent vergeben die Schulnote eins oder zwei für das Online-Lernen, das die Schulen im Jahr 2021 angeboten haben.

Durchschnittliche Schulnoten-Bewertung des digitalen Unterrichts in Deutschland durch Schülerinnen und Schüler im … Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Ein Jahr zuvor hatten noch 46 Prozent das digitale Engagement ihrer Bildungsstätten mit „sehr gut“ oder „gut“ honoriert. Und das, obwohl die Schulen sich 2020 – anders als 2021 – nicht auf die Ausnahmesituation hatten vorbereiten können und ins kalte Wasser springen mussten.

Corona setzt Deutschlands Jugend gewaltig zu, weil den jungen Menschen einerseits die sozialen Kontakte fehlen, und andererseits, weil Schulen in der Pandemie oft einen schlechten Job machen.

Bei der detaillierten Analyse der jüngsten Befragungsdaten fällt im Bezug zum Digitalunterricht dreierlei ins Auge:

1. Jungen sind mit dem Homeschooling unzufriedener – 39 Prozent vergeben die Schulnote vier, fünf oder sogar sechs. Von den Mädchen beurteilen nur 30 Prozent das digitale Bildungsangebot so schlecht.

2. Ältere Pennäler, also die 18- und 19-Jährigen, bewerten die Situation am seltensten mit „gut“ oder „sehr gut“. Das könnte mit den Vorbereitungen auf Abitur und Co. zusammenhängen oder aber damit, dass man in diesem Alter besonders wenig Verständnis dafür hat, wie wenig die Schulen binnen eines Jahres in puncto Digitalisierung vorangekommen sind.

3. Jene Befragten, die ein Gymnasium besuchen, sind deutlich zufriedener mit dem digitalen Bildungsangebot als jene, die eine Haupt- oder Realschule besuchen: Die Noten eins bis drei vergeben Erstere um 13 Prozentpunkte häufiger.

Was dem Nachwuchs besonders fehlt

Die zweite große Frage, mit der sich die JIM-Studie 2021 befasst, ist der Gemütszustand der Jugend in Zeiten der Pandemie. Für insgesamt acht Aussagen sollten die Befragten bewerten, wie stark die Thesen auf sie selbst zutreffen. Dabei zeigt sich vor allem, wie sehr den jungen Menschen persönliche Kontakte abgehen (Grafik):

Veranstaltungen und Feste fehlen 70 Prozent der 12- bis 19-Jährigen sehr oder ziemlich, bei 64 Prozent gilt das für den Sport mit anderen.

So viel Prozent der Befragten gaben an, dass sie der entsprechenden Aussage in diesem Umfang zustimmen Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Der Aussage, dass sie sich um die Gesundheit der eigenen Familie und ihrer Freunde sorgen, stimmen 69 Prozent mindestens weitgehend zu. Überraschend: Um die eigene Gesundheit zeigen sich nur 40 Prozent besorgt.

Langeweile beklagen derweil 59 Prozent der jungen Menschen und 45 Prozent fühlen sich einsam. Da überrascht es nicht, dass die Jugendlichen – wie schon 2020 – auch 2021 deutlich mehr Zeit im Internet verbrachten als vor der Pandemie:

Laut Selbsteinschätzung waren die 12- bis 19-Jährigen im Sommer 2021 durchschnittlich 241 Minuten pro Tag online. Im Jahr 2019 – also vor Corona – lag der Wert noch bei 205 Minuten.

Diese Entwicklung ist einerseits nachvollziehbar, da es dem Nachwuchs pandemiebedingt an Beschäftigungsmöglichkeiten im realen Leben fehlt. Andererseits ist die Situation aber nicht unproblematisch, da sich beispielsweise die (digitale) Spielsucht unter Jugendlichen massiv ausbreitet.

Digitaler Überdruss bei vielen Jugendlichen

Außerdem attestieren sich viele Befragten selbst einen Überdruss an digitaler Kommunikation:

Bei 72 Prozent der jungen Menschen kommt es vor, dass sie viel mehr Zeit am Handy verbringen, als sie geplant hatten.

Außerdem erhalten 44 Prozent nach eigener Aussage sogar so viele Nachrichten auf dem Smartphone, dass es sie nervt. Genauso viele haben allerdings Angst, etwas zu verpassen, wenn sie das Handy einmal ausschalten und es beiseitelegen.

Dabei könnte genau das eine gute Entscheidung sein. Denn im Internet, wo Jugendliche am häufigsten mit dem Smartphone unterwegs sind, begegnen ihnen immer öfter problematische Inhalte:

Mit Hassbotschaften sahen sich im Sommer 2021 innerhalb eines Monats 58 Prozent der jungen Menschen im Netz konfrontiert – das waren 5 Prozentpunkte mehr als im Vorjahr.

Auch extreme politische Ansichten, Verschwörungstheorien, beleidigende Kommentare und Fake News im Web legten teils deutlich zu.

Nur 23 Prozent der Mädchen und Jungen – 3 Prozentpunkte weniger als ein Jahr zuvor – konnten von sich behaupten, dass ihnen im selben Zeitraum nichts von alledem begegnet war.

Deshalb ist es wichtig, dass im Schulunterricht entsprechende Entwicklungen thematisiert und Schülerinnen und Schüler mit Medienkompetenz ausgestattet werden – um Inhalte online richtig einordnen, diese gegebenenfalls meiden oder angemessen darauf reagieren zu können.

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