Lösungen für das Fachkräfteproblem in Deutschland
Wie kann es trotz Fachkräftemangel sein, dass immer noch Menschen arbeitslos sind? Eine weit verbreitete Annahme ist, dass die Fachkräftelücke durch Arbeitslose geschlossen werden könne. So gab es im August 2022 rund 2,7 Millionen Arbeitslose und etwa 900.000 Erwerbsfähige, die als unterbeschäftigt galten. Doch Fachkräftemangel und Arbeitslosigkeit sind kein Widerspruch.
Schließlich hängt viel von der Qualifikation der Arbeitskräfte ab. Die Fähigkeiten der Arbeitssuchenden passen in der Regel nicht zu den ausgeschriebenen Stellen in den Engpassberufen (Grafik):
Deutlich mehr als 50 Prozent der kurzzeitig Arbeitslosen verfügten im Juli 2023 über keine abgeschlossene Berufsausbildung, bei den Langzeitarbeitslosen waren es sogar mehr als 60 Prozent.
Würden arbeitslose Helfer entsprechend weitergebildet, ließe sich die Fachkräftelücke in einer Reihe von Mangelberufen aber zumindest teilweise schließen.
Strategien und Maßnahmen zur Lösung des Fachkräfteproblems
Für die Politik und Unternehmen gibt es viele Stellschrauben, um den Fachkräftemangel abzuschwächen. Die wichtigsten:
- Arbeitszeit steigern. Bei der Arbeitszeit je Erwerbstätigen gibt es noch viel Potenzial. In Deutschland leistete im Jahr 2021 jeder Beschäftigte durchschnittlich 1.349 Stunden, im Vergleich der OECD-Staaten lag die Bundesrepublik damit auf Platz 38.
- Im Alter länger arbeiten. Die Politik sollte die „Rente mit 63“ abschaffen und stärker dafür werben, länger zu arbeiten. Denn wer länger als gesetzlich vorgeschrieben arbeitet, schwächt den Fachkräftemangel ab und kann seine Rente deutlich aufbessern.
- Bessere Kinderbetreuung. Die Politik sollte mit einer besseren Betreuungsinfrastruktur das längere Arbeiten für Frauen mit Kindern unter 14 Jahren attraktiver gestalten. Für teilzeitbeschäftigte Frauen mit älteren Kindern gilt es, den Wiedereinstieg in Vollzeit bestmöglich zu begleiten und zu unterstützen.
- Inklusion. Durch Inklusionsmaßnahmen wie technische Arbeitshilfen oder flexible Arbeitsmodelle könnten Menschen mit Behinderungen stärker in den Arbeitsmarkt integriert werden. Schließlich sind sie oft gut qualifiziert: Im Jahr 2022 hatten 54 Prozent der arbeitslosen Menschen mit Behinderungen einen Berufs- oder Hochschulabschluss.
- Bildungsförderung. Um die duale Ausbildung und die Hochschulbildung besser auf die Bedürfnisse der Wirtschaft auszurichten, sind Reformen im Bildungssystem notwendig. Dazu gehört, die Digitalisierung der Bildungseinrichtungen voranzutreiben und die MINT-Bildung in den Schulen zu stärken.
- Zuwanderung. Infolge des demografischen Wandels ist Deutschland in den kommenden Jahren auf Zuwanderung angewiesen, um die Fachkräftebasis zu stabilisieren und die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft zu sichern.
Zuwanderung von Fachkräften
Ein zentrales Element der Fachkräftesicherung ist die Zuwanderung, qualifizierte Arbeitskräfte aus dem Ausland sind eine wertvolle Stütze – zum Beispiel in MINT-Berufen. Insgesamt sind in den zehn Jahren von 2011 bis 2020 unter dem Strich 4,36 Millionen Menschen in die Bundesrepublik zugewandert, wenn man die Zuzüge mit den Fortzügen verrechnet.
Ein Land wie Deutschland, das infolge gesunkener Geburtenzahlen und dem baldigen Ausscheiden der Babyboomer-Generation aus dem Erwerbsalter ein wachsendes Demografieproblem hat, ist auf die oft jungen Zuwanderer angewiesen. Eine Beispielrechnung: Ohne die seit 2007 Zugewanderten hätten im Jahr 2017 in Deutschland je 100 Personen zwischen 60 und 69 Jahren nur 87,5 Personen im Alter von 20 bis 29 Jahren gegenübergestanden – tatsächlich waren es 99,5.
Klar ist: Ohne kluge Köpfe aus dem Ausland geht es nicht. Denn viele im Ausland Geborene sind hochqualifiziert und können so die Fachkräftebasis hierzulande stärken (Grafik):
Von allen 25- bis 34-Jährigen, die im Jahr 2019 in Deutschland einen Hochschulabschluss hatten, waren 25 Prozent im Laufe ihres Lebens zugewandert.
So sollte die Bundesregierung die Zuwanderung noch stärker fördern, um den Fachkräftemangel abzuschwächen – etwa durch erleichterte Zuwanderungsregelungen für beruflich qualifizierte Fachkräfte. Es gilt, mehr junge Menschen aus Ländern wie Indien für die hiesigen Hochschulen zu gewinnen und nach dem Studium im Land zu halten. Deutschland muss verstärkt gezielt um die möglichen Zuwanderer werben, wie dies etwa schon über die Online-Plattform „Make it in Germany“ geschieht. Auch spezifische Rekrutierungsmaßnahmen wie Jobbörsen in Ländern mit besonders großen Migrationspotenzialen könnten hilfreich sein.