Der Informationsdienst
des Instituts der deutschen Wirtschaft

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Arbeitsmarkt Lesezeit 3 Min.

Zuwanderung aus neuen EU-Staaten ebbt ab

Von der mit der EU-Erweiterung einhergehenden (Arbeitnehmer-)Freizügigkeit hat der deutsche Arbeitsmarkt stark profitiert. Doch die Erfolgsgeschichte scheint zu enden, zuletzt verließen sogar mehr Menschen aus den neuen EU-Staaten die Bundesrepublik, als einwanderten. Deutschland muss seine Fachkräfte nun vorwiegend außerhalb Europas suchen.

Kernaussagen in Kürze:
  • Mehr als 2,1 Millionen Menschen wanderten innerhalb der vergangenen 15 Jahre netto aus den 13 neuen EU-Ländern in die Bundesrepublik ein.
  • Der Höhepunkt der Zuzüge ist längst vorbei: Während 2015 netto knapp 261.000 Menschen aus den neuen EU-Mitgliedsstaaten in die Bundesrepublik zogen, verließen im Jahr 2024 knapp 32.000 das Land.
  • Deutschland muss sich folglich noch viel stärker als bisher um Fachkräfte aus dem außereuropäischen Ausland bemühen, um die Lücken auf dem Arbeitsmarkt zu stopfen.
Zur detaillierten Fassung

Der 1. Mai 2004 war ein historischer Tag für Europa. Gleich acht osteuropäische Staaten traten der Europäischen Union bei. Estland, Lettland, Litauen, Polen, Ungarn, Tschechien, Slowenien und die Slowakei gehörten nun dem Staatenbund an. Dazu gesellten sich an diesem Tag noch die beiden südeuropäischen Staaten Malta und Zypern. Bulgarien und Rumänien folgten 2007, Kroatien 2013.

Der Eintritt all dieser Länder hatte natürlich auch Folgen für die alten Mitgliedsstaaten. So waren etwa die ehemals sozialistischen Staaten 2004 wirtschaftlich bei Weitem noch nicht auf dem Niveau der restlichen EU-Länder. Um diesem Umstand Rechnung zu tragen und eine zu starke EU-Binnenmigration zu verhindern, konnten die alten Mitglieder die Freizügigkeit für sich aus den einzelnen Ländern für bis zu sieben Jahre einschränken. Nur für Malta und Zypern galt diese Sonderregel nicht.

Deutschland nutzte die komplette Übergangsfrist aus; das galt auch gegenüber den später beigetretenen Ländern Rumänien und Bulgarien. Lediglich für Kroatien fiel die Regelung bereits nach zwei Jahren.

Die Ära der erwerbsbezogenen Zuwanderung aus den neuen EU-Mitgliedsstaaten ist wohl zu Ende. Deutschland muss sich noch stärker um Fachkräfte aus dem außereuropäischen Ausland bemühen.

Der Effekt der EU-Osterweiterung ist trotz der späteren Gewährung der Freizügigkeit langfristig sehr deutlich. Denn insgesamt ist die ausländische Bevölkerung in Deutschland von 2009 bis 2024 um knapp 7,4 Millionen Menschen gewachsen, ein großer Teil entfällt auf die neuen EU-Mitgliedsstaaten (Grafik):

Mehr als 2,1 Millionen Menschen wanderten netto aus den 13 neuen EU-Ländern innerhalb der vergangenen 15 Jahre in die Bundesrepublik ein.

So viele Menschen mit der Staatsangehörigkeit dieses neuen EU-Mitgliedsstaates lebten Ende 2024 in Deutschland Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Die meisten Menschen kamen aus Rumänien und Polen: 2024 lebten insgesamt gut 1,7 Millionen Zuwanderer mit einer der beiden Nationalitäten in Deutschland.

Die Zuwanderer aus Mittel-, Ost- und Südeuropa sind eine wichtige Stütze des deutschen Arbeitsmarktes: Im Januar 2025 waren insgesamt 1,68 Millionen Personen mit Staatsangehörigkeiten der neuen EU-Mitgliedsländer in Deutschland sozialversicherungspflichtig beschäftigt – ein Anteil von 4,8 Prozent an allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Im Januar 2010 waren es erst 254.000 Beschäftigte beziehungsweise 0,9 Prozent.

Dieser Aufwärtstrend dürfte sich allerdings kaum fortsetzen, denn der Höhepunkt der Zuzüge ist schon länger vorbei (Grafik):

Während 2015 netto noch knapp 261.000 Menschen aus den neuen EU-Mitgliedsstaaten in die Bundesrepublik zogen, verließen im Jahr 2024 unter dem Strich annähernd 32.000 das Land.

So viele Menschen kamen in diesem Jahr per Saldo aus Zu- und Fortzügen aus den neuen EU-Mitgliedsstaaten Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Nach Kroatien und Litauen gingen bereits 2023 wieder mehr Landsleute zurück, als von dort nach Deutschland kamen.

Demografische Probleme schlagen auch in neuen EU-Staaten durch

Für das Abebben der Zuwanderung nach Deutschland gibt es mehrere Gründe:

  • Wirtschaftliche Lage. Auch wenn die neuen EU-Mitgliedsstaaten alle nicht auf dem ökonomischen Niveau Deutschlands sind, haben sie doch wirtschaftlich aufgeholt. Estland und Litauen haben zum Beispiel ihr Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in Relation zum deutschen Wert von 2000 bis 2024 um knapp 40 Prozentpunkte steigern können. Alle 13 neuen EU-Staaten zeigen signifikante Verbesserungen.
     
  • Arbeitsmarkt. Die Arbeitslosenquote war in Teilen der neuen Mitgliedsstaaten zum Beitrittszeitpunkt deutlich höher als in Deutschland. Vor allem das Baltikum hatte auch noch im Jahr 2010 mit einer schwierigen Situation auf dem Arbeitsmarkt zu kämpfen. Doch inzwischen liegt die Arbeitslosenquote nirgends mehr über 8 Prozent.
     
  • Demografie. Nicht nur die deutsche Gesellschaft altert. Viele Länder in Europa haben mit demografischen Problemen zu kämpfen. So ist etwa die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter in Rumänien zwischen 2010 und 2024 um mehr als 10 Prozent gesunken. Noch schlechter sieht es in Lettland (minus 13 Prozent), Kroatien (minus 14 Prozent) und Bulgarien (minus 19 Prozent) aus.

Hinzu kommt, dass in allen neuen Mitgliedsstaaten die Bevölkerung im Alter von 15 bis 24 Jahren massiv geschrumpft ist. Die neuen Generationen, die auf dem Arbeitsmarkt nachrücken, sind bis zu 50 Prozent kleiner als noch zur Jahrtausendwende.

Angesichts all dieser Faktoren ist deutlich, dass die Ära der erwerbsbezogenen Zuwanderung aus den neuen EU-Mitgliedsstaaten aller Wahrscheinlichkeit nach zu Ende ist. Deutschland muss sich folglich noch viel stärker als bisher um Fachkräfte aus dem außereuropäischen Ausland bemühen, um die Lücken auf dem Arbeitsmarkt zu stopfen.

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