Wohneigentumsquote in Deutschland weiterhin niedrig
Die Wohneigentumsquote ist in Deutschland seit 2011 trotz einer lang anhaltenden Niedrigzinsphase gesunken. Vor allem Jüngere kaufen immer seltener Wohnungen und Häuser. Dabei dient die eigene Immobilie dem Vermögensaufbau. Mit einer Reihe politischer Maßnahmen ließe sich der langfristige Trend umkehren.
- In keinem anderen Land der EU leben so wenige Haushalte in den eigenen vier Wänden wie in Deutschland, 2022 lag die Wohneigentumsquote bei 44 Prozent.
- Der Politik sollte sehr daran gelegen sein, Wohneigentum zu stärken. Sie könnte etwa die Grunderwerbsteuer reformieren.
- Außerdem sollten sich kommunale Stadtplaner wieder mehr zurücknehmen und von – teils sehr kostspieligen – Vorgaben für die Eigenheimbauer absehen.
In keinem anderen Land der EU leben so wenige Haushalte in den eigenen vier Wänden wie in Deutschland. Die Situation in der Bundesrepublik hat sich sogar verschlechtert, wie eine IW-Auswertung von Daten des Zensus zeigt:
Zwischen 2011 und 2022 ist die auf Wohneinheiten bezogene Wohneigentumsquote in Deutschland um 0,9 Prozentpunkte auf 44 Prozent gesunken.
Bedenkt man, dass in diese Zeitspanne eine lang anhaltende Niedrigzinsphase fiel, die für günstige Immobilienkredite sorgte, ist das Ergebnis umso bedenklicher. Schließlich bietet der Kauf von Wohneigentum die Möglichkeit, Vermögen aufzubauen. Darüber hinaus belegen wissenschaftliche Studien, dass die Vermögensverteilung in Ländern mit hohen Wohneigentumsquoten gleichmäßiger ist als in „Mieterländern“.
Allerdings verläuft die Entwicklung in Deutschland regional nicht einheitlich. Vielmehr gibt es eine klare Trennlinie (Grafik):
In den ostdeutschen Bundesländern inklusive Berlin ist die Wohneigentumsquote zwischen 2011 und 2022 überall gestiegen, in Westdeutschland sank sie dagegen durchweg.
Einen Erklärungsansatz liefert der Blick auf den Immobilienboom in Deutschland in den 2010er Jahren. In Westdeutschland wurden damals vor allem Geschosswohnungen gebaut. Solche Wohnungen dienen in der Regel als Mietobjekte. Währenddessen stagnierte die Zahl neuer Ein- und Zweifamilienhäuser. In den ostdeutschen Bundesländern legte der Anteil der Ein- und Zweifamilienhäuser dagegen überwiegend zu.
Trotz der insgesamt gegenläufigen Trends ist die Eigentumsquote im Osten mit durchschnittlich knapp 35 Prozent immer noch deutlich niedriger als im Westen, der auf gut 46 Prozent kommt.
Eine ergänzende Auswertung des Sozio-oekonomischen Panels untersucht darüber hinaus die Bedeutung von Haushaltseigenschaften für den Erwerb von Eigentum. Auch hier lassen sich über die zurückliegenden Jahre Verschiebungen erkennen (Grafik):
In Haushalten mit einem Haupteinkommensbezieher im Alter von bis zu 50 Jahren lag die Wohneigentumsquote im Jahr 2011 bei 34,5 Prozent. Elf Jahre später war sie 4 Prozentpunkte niedriger.
Genau umgekehrt sieht es bei den Haushalten aus, in denen der Hauptverdiener älter als 50 Jahre ist. Hier ist die Eigentumsquote seit 2011 um 4,1 Prozentpunkte gestiegen auf zuletzt knapp 57 Prozent.
Um die Wohneigentumsquote zu erhöhen, sollte die Politik die Grunderwerbsteuer reformieren, die Förderung von Wohneigentum verbessern und strikte Vorgaben beim Neubau auf kommunaler Ebene abschaffen.
Der Politik sollte sehr daran gelegen sein, Wohneigentum zu stärken. Dabei geht es nicht um eine Maximierung der Eigentumsquote, sondern um die Förderung eines fairen Wettbewerbs zwischen den beiden Wohnformen. Mehrere Optionen sind aus ökonomischer Sicht sinnvoll:
Besteuerung. Die Grunderwerbsteuer muss von Immobilienkäufern in der Regel komplett aus dem Eigenkapital gezahlt werden, da Banken sie üblicherweise nicht in ihre Kreditberechnungen einbeziehen. Je nach Bundesland beträgt sie bis zu 6,5 Prozent des Kaufpreises. Niedrigere Sätze würden den Immobilienerwerb attraktiver machen. Für Neubauten von selbst genutztem Eigentum könnte man die Steuer komplett streichen – so würde nicht nur die Wohneigentumsquote gefördert, sondern auch der Wohnungsbau.
Direkte und indirekte Förderung. Bestehende Programme zu vereinfachen oder wie im Fall der Eigentumsförderung für Familien auszubauen, ist der eine Weg für den Staat, zu helfen. Der andere besteht darin, mit Nachrangdarlehen und der Übernahme von Ausfallbürgschaften Kredite von Immobilienkäufern abzusichern. Der Grund: Haushalte können Nachrangdarlehen und Kreditausfallgarantien als Eigenkapitalersatz nutzen, an dem es häufig mangelt.
Im Falle eines Zahlungsausfalls wird das Nachrangdarlehen erst nach der Rückzahlung des vorrangigen Kredits bedient. Dadurch ist es zwar stärker risikobehaftet, Zahlungsausfälle treten in der Regel allerdings nur in Ausnahmesituationen wie Scheidung, Tod, Arbeitslosigkeit oder Berufsunfähigkeit auf. In diesen Fällen bieten Kreditausfallgarantien finanzielle Stabilität und mindern das Risiko eines Immobilienverlusts. Das Instrument kombiniert also finanzielle Unterstützung mit einem kalkulierbaren Risikomanagement. Dies erhöht die Attraktivität von Wohneigentum.
Regulierung. Mindestgeschosszahl, Vorgaben zu Fassaden- und Dachbegrünung, Solarpflicht, Pkw-Stellplätze: Vor allem städtische Regionen und das dazugehörige Umland greifen stark über ihre Bebauungspläne in den Neubau ein. Kommunale Stadtplaner sollten sich wieder mehr zurücknehmen und von – teils sehr kostspieligen – Vorgaben für die Eigenheimbauer absehen.
Außerdem könnten insbesondere in städtischen Lagen kompakte Eigenheime – also Gebäude mit geringer Wohn- und Grundstücksfläche – eine gute Antwort auf die veränderten Rahmenbedingungen sein (siehe „Einfamilienhäuser: Lieber etwas kleiner“). So ließe sich einerseits platzsparend bauen, andererseits auch vergleichsweise günstig das Wohnen im Eigentum ermöglichen.