Wirtschaft soll Flagge gegen die AfD zeigen
Viele Bundesbürger sehen es kritisch, wenn sich das Unternehmen, in dem sie arbeiten, politisch positioniert. Ein Engagement gegen die AfD befürworten allerdings mehr als vier von zehn Befragten. Dabei nimmt ein großer Teil der Beschäftigten gar nicht wahr, dass ihre Firma bereits gegen die Rechtspopulisten Flagge zeigt.
- Nur etwa ein Viertel der Menschen in Deutschland ist der Meinung, Unternehmen sollten sich aktiv politisch äußern.
- Deutlich offener sind die Befragten, wenn es um ein Engagement der Wirtschaft gegen Parteien an den politischen Rändern geht. So finden mehr als drei Viertel der Grünen-Anhänger, das Unternehmen, in dem sie beschäftigt sind, sollte eine klare Position gegen die AfD beziehen.
- Viele Unternehmen und Verbände stellen sich bereits gegen die AfD – allerdings bekommen viele Beschäftigte davon anscheinend nichts mit.
In den USA bemühen sich derzeit zahlreiche namhafte Unternehmer um die Gunst des wiedergewählten Präsidenten Donald Trump – und das trotz seiner populistischen und in Teilen keinesfalls wirtschaftsfreundlichen Agenda. Auch in europäischen Ländern wie Frankreich, Italien oder Ungarn stützen Teile der Wirtschaft politische Kräfte am rechten Rand schon seit Längerem.
In Deutschland dagegen hat nicht zuletzt die Debatte um die von der AfD mehr oder weniger offen geforderte „Remigration“ dazu geführt, dass sich Unternehmen sowie Wirtschafts- und Arbeitgeberverbände in zuvor nicht gekanntem Ausmaß klar von rechten politischen Kräften abgegrenzt haben:
Mehr als zwei Drittel der deutschen Unternehmen sehen es mittlerweile als ihre Aufgabe oder die der sie vertretenden Verbände und Kammern an, sich grundsätzlich gegen die AfD zu stellen.
Nun stehen politische Aktivitäten der Wirtschaft häufig im Verdacht, mit teils illegitimen Mitteln auf eigene Vorteile abzuzielen – so lösen Großspenden an Parteien regelmäßig hitzige Debatten in der Öffentlichkeit aus. Vor diesem Hintergrund hat das IW knapp 3.300 erwachsene Bundesbürger gefragt, wie sie generell zur politischen Positionierung von Unternehmen stehen. Die Ergebnisse passen erst mal zur vermuteten Skepsis (Grafik):
Insgesamt ist nur ein Viertel der Menschen in Deutschland der Meinung, Unternehmen sollten sich aktiv politisch äußern.
Demgegenüber lehnen 41 Prozent der Befragten solche Bekenntnisse klar ab, während 34 Prozent unentschlossen sind. Von jenen, die den Grünen oder den Linken nahestehen, nimmt immerhin jeweils gut ein Drittel die Wirtschaft entsprechend in die Pflicht.
Insgesamt befürworten gut 43 Prozent der vom IW Befragten eine Anti-AfD-Positionierung des Unternehmens, für das sie tätig sind.
Insgesamt deutlich offener sind die Bürgerinnen und Bürger, wenn es um ein Engagement der Unternehmen gegen die Parteien an den politischen Rändern geht. So ist gut die Hälfte der Anhänger von Bündnis 90/Die Grünen der Auffassung, das Unternehmen, in dem sie selbst arbeiten, solle sich klar gegen das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) positionieren. Diese Meinung vertreten auch etwa vier von zehn Wählern der SPD und der Linken. Noch wesentlich höher sind die Werte mit Blick auf ein Engagement gegen die AfD, wobei eine Wählergruppe besonders hervorsticht:
Mehr als drei Viertel der Grünen-Anhänger finden, das Unternehmen, in dem sie beschäftigt sind, solle eine klare Position gegen die AfD beziehen.
Jene, die den Linken oder der SPD nahestehen, sind zu fast zwei Dritteln dieser Auffassung. Allerdings ist das Gefälle zwischen den Parteien in dieser Frage groß: Von den befragten BSW-Wählern wünschen sich weniger als 30 Prozent ein Engagement ihres Unternehmens gegen die AfD. Insgesamt befürworten gut 43 Prozent der Befragten eine Anti-AfD-Positionierung des Unternehmens, für das sie tätig sind.
Was noch auffällt: Generell empfinden Menschen, die mit der Demokratie hierzulande unzufrieden sind, die AfD überdurchschnittlich häufig als wählbar und lehnen ein Engagement von Unternehmen gegen diese Partei entsprechend stärker ab. Stellt man dagegen auf die Zufriedenheit der Befragten mit dem eigenen Leben ab, besteht kein solcher Zusammenhang.
Engagement der Unternehmen wird oft nicht wahrgenommen
Nun ist der Wunsch vieler Befragten, die Firmen sollten gegen die AfD Flagge zeigen, offenbar gar nicht so weit von der Realität entfernt. Denn im Frühjahr 2024 engagierte sich nach eigenen Angaben bereits mehr als jedes zweite Unternehmen in Deutschland betriebsintern oder auch nach außen hin gegen die Rechtsaußen-Partei. Nur: Viele Beschäftigte bekommen davon offenbar nichts mit:
Weniger als 17 Prozent aller befragten Bundesbürger geben an, von einem Engagement ihres Unternehmens gegen die AfD zu wissen.
Dieser niedrige Wert ist für Wirtschaftsforscher allerdings wenig überraschend. Denn aus bisherigen Studien weiß man, dass auch das bürgerschaftliche Engagement von Unternehmen den jeweiligen Mitarbeitern nur bedingt bekannt ist.
Von den AfD-Wählern sagen sogar nur 13 Prozent, sie wüssten von Äußerungen ihrer Firma gegen diese Partei. Dafür liegen deren Sympathisanten ganz vorn, wenn es darum geht, ob sie andere Unternehmen kennen, die sich gegen die AfD engagieren: Während 37 Prozent aller Bundesbürger dies bejahen, liegt der Anteil unter den AfD-Anhängern bei fast 49 Prozent. Offenbar haben die Fans von Alice Weidel kritische Wortmeldungen zur AfD aus dem Unternehmerlager besonders aufmerksam verfolgt.