Interview Lesezeit 4 Min.

„Wir brauchen Rohstoffe für Zukunftstechnologien“

Noch in diesem Jahr will die Bundesregierung eine neue Rohstoffstrategie vorlegen, die die Versorgung der deutschen Industrie mit Rohstoffen verbessern soll. Was die neue Strategie von der alten aus dem Jahr 2010 unterscheidet, erläutert Elisabeth Winkelmeier-Becker, Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie.

Kernaussagen in Kürze:
  • Die neue Rohstoffstrategie der Bundesregierung wird beim Rohstoffbezug aus dem Ausland verstärkt Umwelt- und soziale Aspekte berücksichtigen, sagt Elisabeth Winkelmeier-Becker, Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie.
  • Daneben sollen aber auch Fördervorhaben in der Bundesrepublik ausgebaut sowie neue Möglichkeiten bei der Gewinnung von Metallen in Deutschland erprobt werden.
  • Auch das Rohstoffrecycling soll forciert werden. Allerdings soll es kein Recycling um des Recyclings willen geben, sagt Elisabeth Winkelmeier-Becker.
Zur detaillierten Fassung

Warum braucht Deutschland eine neue Rohstoffstrategie?

Wir brauchen Rohstoffe für Zukunfts- und Schlüsseltechnologien. Für die Elektromobilität sind beispielsweise Kobalt und Lithium nötig, in Windkraftanlagen werden seltene Erden verbaut. Je weiter diese Technologien ausgebaut werden, desto stärker wächst unser Rohstoffbedarf. Mit der Rohstoffstrategie möchten wir sicherstellen, dass wir solche Rohstoffe zu wettbewerbsfähigen Preisen sicher beziehen können. Gleichzeitig achten wir bei der Fortschreibung der Rohstoffstrategie auf Umwelt- und soziale Aspekte der Rohstoffgewinnung.

Je weiter Zukunftstechnologien ausgebaut werden, desto stärker wächst unser Rohstoffbedarf.

Minister Peter Altmaier hat im Mai 2019 angekündigt, in diesem Jahr in interessante Rohstoffländer zu fahren, um bessere Möglichkeiten der Zusammenarbeit auszuloten. Welche Länder hat er besucht? Und wie schlägt sich das in der neuen Rohstoffstrategie nieder?

Direkte Kontakte in die Rohstoffländer sind natürlich wichtig. Wir halten mit vielen rohstoffreichen Ländern Kontakt. Mit einigen haben wir Vereinbarungen über die Zusammenarbeit im Rohstoffbereich geschlossen. Es bestehen Rohstoffabkommen mit der Mongolei, Kasachstan und Peru. Hinzu kommen Rohstoffkooperationen mit Australien, Chile und Kanada. Diese Rohstoffpartnerschaften dienen der Bundesregierung und der deutschen Industrie als Optionen zur Sicherung der Rohstoffversorgung und verfolgen zudem das Ziel, über Dialogplattformen wie etwa Regierungsarbeitsgruppensitzungen oder Rohstoff-Foren einen Austausch über das gesamte Themenspektrum aus dem Bergbau- und Rohstoffbereich zu ermöglichen.

Parallel wurden mithilfe des Bundeswirtschaftsministeriums an sechs Auslandshandelskammern – in Australien, Brasilien, Chile, Kanada, Peru und Südafrika – Kompetenzzentren für Bergbau und Rohstoffe eingerichtet. Diese Kompetenzzentren unterstützen deutsche Unternehmen im ausländischen Markt unter anderem auch in Fragen der Rohstoffsicherung.

Bundesminister Altmaier beabsichtigt, in naher Zukunft im Rahmen einer Lateinamerikareise auch rohstoffpolitisch wichtige Länder zu besuchen.

Elisabeth Winkelmeier-Becker ist Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie; Foto: Rene Schwerdtel Die im Jahr 2011 geschlossene Rohstoffpartnerschaft zwischen Deutschland und der Mongolei hat kein einziges Vorhaben verwirklicht. Sind Rohstoffpartnerschaften ein tragfähiges Modell für die Rohstoffsicherung?

Der Erfolg einer solchen Partnerschaft bemisst sich nicht nur an der Höhe der Investitionen deutscher Unternehmen im mongolischen Rohstoffsektor. Ein großer Erfolg der deutsch-mongolischen Rohstoffpartnerschaft ist beispielsweise die 2013 eröffnete Deutsch-Mongolische Hochschule für Rohstoffe und Technologie. Im Sommer 2018 haben dort die ersten Absolventen ihr Bachelorstudium beendet. Zudem hat sich die im Rahmen der Partnerschaft gegründete Regierungsarbeitsgruppe als wichtiges Gremium erwiesen, um deutsch-mongolische Wirtschaftsprojekte auch außerhalb des Rohstoffsektors voranzubringen. Die Zurückhaltung deutscher Unternehmen bei Investitionen im Bergbau- und Rohstoffbereich ist zudem kein spezifisch deutsch-mongolisches Phänomen. Deutsche Unternehmen investieren generell selten im ausländischen Bergbau.

Deutschland ist bei vielen Metallen auf Importe angewiesen. Deshalb halten wir mit vielen rohstoffreichen Ländern Kontakt.

Die neue Strategie setzt unter anderem auf verstärkten Rohstoffabbau in der Bundesrepublik. Statistisch wird in Deutschland aber von 100 Bergbauinitiativen nur eine Mine realisiert, außerdem kommen viele Rohstoffe hierzulande gar nicht vor.Für welche Rohstoffe ist das Schürfen in Deutschland wirtschaftlich überhaupt sinnvoll?

Die Wirtschaftlichkeit eines Projekts hängt von vielen Bedingungen ab, angefangen mit der Qualität der Lagerstätten. Dies können und müssen aber die Unternehmen vor Ort beurteilen. Richtig ist, dass – abhängig vom Rohstoff – nur ein kleiner Teil von Erkundungen tatsächlich zur Erschließung von Lagerstätten führen. Wenn man sich die Zahlen zum heimischen Bergbau ansieht, so werden die meisten in Deutschland benötigten Baurohstoffe wie Sand, Kies und Natursteine auch hierzulande gewonnen. Außerdem wird eine erhebliche Menge an Kali- und Kalisalzprodukten in Deutschland abgebaut und aufbereitet. Aufgrund der geologischen Gegebenheiten ist Deutschland in der Tat bei vielen Metallen auf Importe angewiesen. Ob neue technologische Lösungen, beispielsweise bei der Gewinnung von Lithium, neue Möglichkeiten der Gewinnung von Metallen auch in Deutschland eröffnen, wird sich in den nächsten Jahren zeigen. Einige Projekte in früher Phase gibt es dazu bereits.

Sie wollen auch das Rohstoffrecycling forcieren – wie und mit welchen Mitteln?

Ein entscheidender Hebel, um den Anteil der Rohstoffversorgung durch Sekundärrohstoffe zu steigern, ist ein ambitioniertes Abfallrecht. Hierbei sind für das Bundeswirtschaftsministerium technische Machbarkeit und wirtschaftliche Zumutbarkeit wichtige Leitplanken. Denn wir betreiben kein Recycling um des Recyclings willen. Bereits jetzt haben wir in Deutschland hohe Recyclingquoten, die durch EU-Recht und nationales Recht ambitioniert erhöht wurden. Wichtig ist dabei, dass die gewonnenen Rezyklate hochwertig sind. Nur so haben sie auch eine Chance auf dem Markt. Hierfür ist eine leistungsfähige und hochinnovative Entsorgungswirtschaft, über die wir in Deutschland verfügen, unabdingbar.

Recycelte Rohstoffe sind oft teurer als neu gewonnene Rohstoffe. Wie wollen Sie dieses Dilemma lösen?

Diese Aussage gilt nicht für alle Stoffströme. Bei Kunststoffrezyklaten mag sie zutreffen, doch diese sind nicht Teil der Rohstoffstrategie. In vielen Bereichen, etwa bei Aluminium, wird bereits jetzt recyceltes Material marktgetrieben eingesetzt.

Welche Rolle spielen Ressourceneffizienz und -vermeidung in der neuen Strategie?

Ressourceneffizienz und -vermeidung sind zwei wichtige übergreifende Ziele, die auch in der Rohstoffstrategie adressiert werden. Dabei greift die Strategie auf das Deutsche Ressourceneffizienzprogramm ProgRess zurück. Ziel ist, das Wirtschaftswachstum vom Ressourcenverbrauch zu entkoppeln und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu stärken und damit Arbeitsplätze zu sichern. Dazu formuliert ProgRess unterschiedliche Maßnahmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette, also von der Rohstoffgewinnung über Produktgestaltung, Produktion und Konsum bis hin zur Wiederverwertung. Dabei setzen wir auf Anreize und freiwillige Maßnahmen. ProgRess wird alle vier Jahre fortgeschrieben. Die nächste Fortschreibung steht für 2020 an.

Das könnte Sie auch interessieren

Meistgelesene