Der Informationsdienst
des Instituts der deutschen Wirtschaft

Der Informationsdienst
des Instituts der deutschen Wirtschaft

Kinderbetreuung Lesezeit 4 Min.

Weniger Kinder, neue Probleme

Die Geburtenzahlen in Deutschland gehen zurück, damit wird der generelle Bedarf an Betreuungsplätzen in Zukunft sinken. Allerdings gibt es hierbei große Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland – und auch die Entwicklung an den Schulen bedarf einer differenzierten Betrachtung.

Kernaussagen in Kürze:
  • Die Zahl der unter Dreijährigen sinkt in Ostdeutschland bereits seit 2017, in Westdeutschland dagegen erst seit 2022. Während der Bedarf an Kitaplätzen im Westen damit zunächst noch hoch bleibt, dürften die Einrichtungen im Osten perspektivisch weniger ausgelastet sein.
  • Voller wird es in Zukunft vor allem an den Schulen. Während die Platzbedarfe im Osten noch im Rahmen sind, ist die Lage im Westen komplizierter: Dort steigt die Zahl der Zehn- bis 15-Jährigen bis 2031 um rund 16 Prozent gegenüber 2023.
  • Bis dahin fehlt sowohl die Zeit, um mehr Lehrer auszubilden, als auch um zusätzliche Schulgebäude zu bauen – es kann also gut sein, dass die Klassen bald noch voller werden und sich der Betreuungsschlüssel verschlechtert.
Zur detaillierten Fassung

Babyboom? Das war einmal. In den 1950er und 1960er Jahren kamen in Deutschland im Schnitt noch jährlich 1,2 Millionen Kinder zur Welt, 2024 waren es nur noch rund 677.000. An diesem Trend wird sich auch in den kommenden Jahren kaum etwas ändern. Die Folge:

Laut Vorausberechnung des IW wird es im Jahr 2028 rund 12 Prozent weniger unter Dreijährige als 2023 geben. Die Zahl der Drei- bis Fünfjährigen wird in diesem Zeitraum um gut 14 Prozent sinken.

Wenn es weniger Kinder gibt, liegt der Schluss nahe, dass auch der Platzbedarf in Kitas und Schulen sinkt. Ganz so einfach ist es allerdings nicht, da zum einen bislang der Bedarf die tatsächlich verfügbaren Plätze überschritt und zum anderen Beginn und Ausmaß des Geburtenrückgangs regional sehr unterschiedlich sind – vor allem zwischen West- und Ostdeutschland. Zudem gilt es, zwischen den verschiedenen Betreuungs- und Bildungseinrichtungen zu differenzieren:

Kitas

Generell nimmt die Zahl der Kleinkinder überall in Deutschland ab, im Westen allerdings erst seit kurzer Zeit (Grafik):

Die Zahl der unter Dreijährigen sinkt in Ostdeutschland bereits seit 2017, in Westdeutschland dagegen erst seit 2022.

Zahl der Kinder in diesem Alter, 2023 = 100 Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Vor allem in den westdeutschen Flächenländern zeigt sich darüber hinaus ein starkes Gefälle zwischen Stadt und Land. So erreichte die Zahl der unter Dreijährigen in den städtischen Regionen bereits 2018 ihren Höchstwert, in ländlicheren Gegenden stieg sie noch bis 2022.

Hinzu kommt, dass die Kitalücke – also die Zahl der Kinder, die trotz Bedarfs der Eltern nicht betreut werden können – im Westen deutlich höher ist, das Betreuungsangebot im Osten dagegen weitestgehend bedarfsgerecht ausgebaut ist. In Zahlen ausgedrückt: Während im Jahr 2024 in den alten Bundesländern für rund 15 Prozent aller Kinder unter drei Jahren ein Betreuungsplatz fehlte, waren es in den neuen Bundesländern nur gut 8 Prozent.

Die Konsequenz: Während der Bedarf an Kitaplätzen im Westen zunächst noch hoch bleibt, dürften die Einrichtungen im Osten perspektivisch weniger ausgelastet sein, da schon in den kommenden Jahren weniger Kinder einen Betreuungsplatz benötigen und die frei werdenden Plätze – anders als im Westen – nicht für bislang unbetreute Kinder gebraucht werden.

Um den regional unterschiedlichen Bedarfen an Kita- und Schulplätzen gerecht zu werden, braucht es differenzierte Konzepte.

Daher sind regional differenzierte Konzepte nötig, um den tatsächlichen Bedarfen gerecht zu werden. Bund und Länder sind gefordert, sowohl auf Überkapazitäten als auch auf Engpässe in der Kinderbetreuung flexibel zu reagieren. Sinnvoll wäre es zum Beispiel, im Osten die Zahl der Kindertagesstätten zu verringern und die Beschäftigten in anderen Einrichtungen einzusetzen, um dort so den oftmals noch unzureichenden Betreuungsschlüssel zu verbessern.

Grundschulen

In Ostdeutschland sind die Kinderzahlen bereits so stark rückläufig, dass dort künftig weniger Grundschulplätze nötig sind. Dagegen müssen sich die Schulen in Westdeutschland auf größere Jahrgänge einstellen (Grafik):

Die Zahl der Sechs- bis Neunjährigen wird im Westen von 2023 bis 2027 um fast 4 Prozent steigen.

Zahl der Kinder in diesem Alter, 2023 = 100 Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Entsprechend ist hier in naher Zukunft mehr Personal erforderlich – zumal erschwerend hinzukommt, dass Grundschulkinder in Deutschland ab dem Schuljahr 2026/2027 sukzessive einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung haben. Eine Entscheidung, die westdeutsche Kommunen als Schulträger vor deutlich mehr Probleme stellen dürfte, da die Betreuungsinfrastruktur im Osten bereits flächendeckend gut ausgebaut ist.

Weiterführende Schulen

Noch voller wird es in Zukunft wohl an den weiterführenden Schulen. Während es im Osten – dort wird die Zahl der Zehn- bis 15-Jährigen bis 2028 noch um rund 6 Prozent steigen und danach zurückgehen – möglich sein dürfte, frei werdende Räume von Grundschulen für die weiterführenden Schulen zu nutzen, ist die Lage im Westen komplizierter. Dort steigt die Zahl der älteren Kinder aufgrund der vergleichsweise geburtenstarken Jahrgänge 2016 bis 2021 noch bis ins Jahr 2031 an und liegt dann rund 16 Prozent über dem Niveau von 2023.

Bis dahin fehlt sowohl die Zeit, um mehr Lehrer auszubilden, als auch um zusätzliche Schulgebäude zu bauen – es kann also gut sein, dass die Klassen bald noch voller werden und sich der Betreuungsschlüssel verschlechtert, also eine Lehrkraft mehr Kinder unterrichten muss.

Damit die unabwendbaren Engpässe nicht vor allem Kinder und Jugendliche aus bildungsfernen Haushalten treffen und damit die Bildungsungleichheit steigt, muss die Politik ihr Handeln auf die nicht gymnasialen Schulformen fokussieren. Den absehbaren Personalmangel zumindest abschwächen könnten Quereinstiege, die nun noch stärker gefördert werden sollten.

Das könnte Sie auch interessieren

Meistgelesene