Welcher Weg ist der richtige?
Die Bundesrepublik ist weltweit eines der wenigen Länder, die sich zu einem Atomausstieg entschlossen haben. Damit andere Staaten nachziehen, muss sich die deutsche Energiewende bewähren.
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Wäre die Technik beherrschbar, wäre Atomenergie die ideale Energiequelle: jederzeit verfügbar, fast emissionsfrei und relativ günstig – lässt man die Kosten für den Rückbau und die Endlagerung beiseite. Ein Beispiel (Grafik):
In China kostet eine Kilowattstunde Atomstrom 3,6 Cent – alle anderen Energiequellen sind deutlich teurer.
Da GAUs wie in Tschernobyl und Fukushima aber gezeigt haben, dass die Technik keineswegs beherrschbar ist, haben sich einige Länder zum Automausstieg entschlossen. So hat Deutschland im Sommer 2011, wenige Monate nach den Reaktorunfällen in Fukushima, endgültig beschlossen, seine Atommeiler bis 2022 sukzessive vom Netz zu nehmen. Damals fürchtete man um die Versorgungssicherheit – eine bislang unbegründete Angst: Der Ausbau der erneuerbaren Energien schreitet gut voran. Der Ausstieg aus der Kernenergie hat aber auch dazu geführt, dass sich andere konventionelle Energien wie Kohle stärker im deutschen Strommix behaupten konnten.
Allerdings haben Gas und vor allem Kohle als Energielieferanten einen entscheidenden Nachteil: Bei ihrer Verbrennung entstehen deutlich mehr CO2-Emissionen als bei der Kernenergienutzung. Eine unerwünschte Folge des Atomausstiegs ist deshalb, dass die Kohlendioxidemissionen des deutschen Strommix deutlich langsamer gesunken sind, als es bei der Beibehaltung der Kernenergie der Fall gewesen wäre.
Problematisch ist auch, dass Deutschland beim Atomausstieg bislang einen Sonderweg geht. Bekenntnisse zum Klimaschutz, wie sie Ende 2015 auf dem Klimagipfel in Paris verabschiedet wurden, stärken die Kernenergie sogar wieder – ist sie doch „sauber und günstig“. So geht die Internationale Energieagentur davon aus, dass der Anteil an Atomstrom in den nächsten 25 Jahren noch zulegen wird (Grafik):
Im Jahr 2013 steuerte die Kernenergie 11 Prozent zum weltweiten Strommix bei, 2040 könnten es sogar 12 Prozent sein.
Wenn Deutschland auch andere Länder zur Abkehr von der Kernkraft bewegen will, muss die Energiewende ein Erfolgsmodell werden. Die erneuerbaren Energien müssen sich also nicht allein ökologisch, sondern auch ökonomisch behaupten – wie sonst ließen sich vor allem Schwellen- und Entwicklungsländer für einen Atomausstieg gewinnen?
Bislang ist die Ausgestaltung der Energiewende in Deutschland jedoch nicht uneingeschränkt nachahmenswert. So wird der Ausbau der erneuerbaren Energien mit steigenden Milliardenbeträgen subventioniert – im Jahr 2015 waren es fast 22 Milliarden Euro. Zudem fehlen bis heute elementare Rahmenbedingungen: etwa der Ausbau des Stromnetzes und eine flexiblere Steuerung von Erzeugung und Verbrauch.
Die Energie-Macher
Kraftwerkstechnik. Damit Strom aus der Steckdose kommt, braucht es Kraftwerke und Know-how: umweltschonende Gaskraftwerke, Windturbinen und innovative Technologien der Kohleverstromung, die durch höhere Temperaturen auch höhere Wirkungsgrade erzielen.
Deutschland ist in puncto Kraftwerkstechnik weltweit führend: In gut 400 Betrieben fertigen mehr als 190.000 Mitarbeitern Generatoren, Transformatoren und Elektromotoren sowie Kraftwerksturbinen, stationäre Großmotoren und Dampfkessel (Grafik):
In den Elektro- und Maschinenbausparten des Kraftwerksbaus wurden 2014 annähernd 50 Milliarden Euro umgesetzt.
Damit legte die Branche ein Wachstum von 9 Prozent hin, das vor allem aus dem Bereich des Turbinen- und Großmotorenbaus stammte, der mit gut 32 Milliarden Euro Umsatz zwei Drittel des Gesamtumsatzes erwirtschaftete. Allerdings ging es in den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres mit einem Umsatzplus von 2 Prozent in diesem Segment nur noch verhalten aufwärts.
Den größten Teil des Umsatzes – nahezu 63 Prozent – brachte der Export von Kraftwerkstechnik, dessen Dynamik zuletzt mit 1 Prozent Zuwachs eher mager ausfiel. Anders sah es in den ersten neun Monaten des Jahres 2015 beim Inlandsabsatz aus, der um 4 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum zulegte.
Das sind gute Nachrichten für eine Branche, die aufgrund der Energiewende in Deutschland in den vergangenen Jahren mit einer Investitionszurückhaltung bei konventionellen Kraftwerken zu kämpfen hatte. Zwar geht der Ausbau der Windenergie in der Bundesrepublik zügig voran, doch neue Kohle- und Gaskraftwerke werden aufgrund der niedrigen Strompreise kaum noch gebaut – für die Investoren rechnet sich der Bau derzeit einfach nicht.
Aus Gründen der Versorgungssicherheit und der Umwelt zuliebe wären neue Gas- und Kohlekraftwerke allerdings sinnvoll: Denn viele deutsche Kohlekraftwerke sind mittlerweile 30 bis 40 Jahre alt. Sie durch effizientere und sauberere Kraftwerke zu ersetzen, würde zur Energiewende passen und wäre auch eine logische Ergänzung zu den erneuerbaren Energien mit ihrer stark schwankenden Einspeisung. Kernkraftwerkstechnik, ehedem eine deutsche Domäne, wird aktuell kaum noch produziert.