Was die Unternehmen von der neuen Bundesregierung erwarten
In Berlin verhandeln die Koalitionäre in spe nicht zuletzt darüber, wie die deutsche Wirtschaft wieder ans Laufen gebracht werden kann. Die Unternehmen haben recht konkrete Vorstellungen, womit ihnen am meisten geholfen wäre.
- Die Geschäftsführer der Unternehmen in Deutschland wünschen sich von der künftigen Bundesregierung primär die Beseitigung von bestehenden bürokratischen Hemmnissen sowie eine Deregulierung, um besser unternehmerisch handeln zu können.
- Neben mehr Freiräumen plädieren die Wirtschaftsvertreter für finanzielle Entlastungen: niedrigere Lohnnebenkosten, eine geringere Unternehmensbesteuerung sowie niedrigere Energiekosten.
- Um den Wohlstand zu sichern, hat aus Sicht der Unternehmen eine Reform der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung die größte Dringlichkeit.
Dass die Infrastruktur in Deutschland dringend saniert werden und mehr Geld in die Verteidigung fließen muss, ist den voraussichtlichen Koalitionspartnern CDU/CSU und SPD bewusst. Schließlich wollen sie dafür erhebliche finanzielle Mittel bereitstellen. Doch was ist eigentlich der Wirtschaft wichtig? Welche Maßnahmen sollte die künftige Bundesregierung ihrer Meinung nach ergreifen, um die Rahmenbedingungen für die Unternehmen zu verbessern? Und was sollte die Politik tun, um den gesellschaftlichen Wohlstand zu sichern?
Von der neuen Bundesregierung erhoffen sich die Unternehmen zuallererst mehr Freiräume und weniger Bürokratie.
Diese Fragen hat das Institut der deutschen Wirtschaft kurz vor der Bundestagswahl rund 1.000 Geschäftsführern gestellt. Interessanterweise rufen die Wirtschaftsvertreter nicht zuvorderst nach konkreter Unterstützung und finanzieller Entlastung, sondern primär nach der Beseitigung von bestehenden Hemmnissen, um besser unternehmerisch handeln zu können (Grafik):
Ganz oben auf der Liste der Betriebe steht der Bürokratieabbau – mehr als 54 Prozent stufen dies als eine der drei wichtigsten Aufgaben für die neue Regierung ein.
Auch der zweitstärkste Wunsch dreht sich um mehr Handlungsfähigkeit. So betrachten 47 Prozent der befragten Unternehmen die Deregulierung, also den Abbau der Regelungsdichte, als eine der drei zentralen Anforderungen an die Politik.
Tatsächlich hat sich die EU-Kommission, die für einen großen Teil der jüngeren Berichtspflichten zuständig ist, Ende 2024 entsprechende Entlastungsziele gesetzt. So plant EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in einem sogenannten Omnibus-Verfahren, den administrativen Aufwand für Unternehmen, der ihnen unter anderem durch das EU-Lieferkettengesetz und die Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichtserstattung entsteht, um 25 Prozent zu reduzieren. Für Kleinunternehmen sollen es sogar 35 Prozent sein. Und auch der bisherige Wirtschaftsminister Robert Habeck hatte zwischenzeitlich mit der Aussetzung des deutschen Lieferkettengesetzes geliebäugelt.
Lohnnebenkosten sollen sinken
Neben mehr Freiräumen und weniger Bürokratie wünschen sich die Unternehmen in Deutschland auch, dass eine neue Bundesregierung für finanzielle Entlastung sorgt: Auf den Plätzen drei bis fünf finden sich die Forderungen nach niedrigeren Lohnnebenkosten, einer geringeren und einfacheren Unternehmensbesteuerung – Deutschland zählt zu den Industrieländern mit den höchsten Unternehmensteuern – sowie niedrigeren Energiekosten. Letzteres ist insbesondere für energieintensive Industrien wie die chemische Industrie und die Metallerzeugung elementar.
Dagegen spricht sich nur eine Minderheit der Unternehmen in erster Linie für eine stärkere direkte Förderung der Investitionsfähigkeit (18 Prozent) oder für eine direkte Förderung der Innovationstätigkeit (13 Prozent) aus. Unter den Großunternehmen sind es noch weniger. Auch die Arbeitszeit- sowie die Handelspolitik stehen aus Sicht der Unternehmen nicht ganz oben auf der Agenda einer künftigen Wirtschaftspolitik.
So lässt sich der Wohlstand sichern
Fragt man die Unternehmen allerdings danach, was die neue Bundesregierung tun sollte, um den Wohlstand in Deutschland zu sichern, zeigen sich andere Prioritäten. Am wichtigsten sind den Betrieben unter Wohlstandsaspekten niedrigere Lohnnebenkosten, von denen zum einen die Arbeitgeber durch eine höhere Wettbewerbsfähigkeit profitieren, zum anderen die Beschäftigten durch ein höheres Nettogehalt (Grafik):
An erster Stelle steht aus Sicht der Unternehmen die Reform der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung, um deren Kosten einzudämmen.
Auf Platz zwei der als notwendig erachteten Maßnahmen zur Wohlstandssicherung folgt die Ertüchtigung der Verkehrsinfrastruktur. Hier fordern die Firmen sowohl eine ausreichende finanzielle Ausstattung für die Sanierung und den Neubau als auch schnellere Genehmigungsverfahren. Das Thema der Verkehrsinfrastruktur treibt insbesondere Logistikunternehmen sowie den Großhandel um.
An dritter Stelle zur Sicherung des Wohlstands steht für die befragten Unternehmen kein unmittelbar ökonomisches Unterfangen, sondern ein gesellschaftliches:
Für rund ein Drittel der Betriebe ist die Stärkung der Demokratie und des gesellschaftlichen Zusammenhalts eine der drei wichtigsten Maßnahmen zur Wohlstandssicherung in Deutschland.
Für 15 Prozent der Unternehmen ist dies sogar das allerwichtigste Thema. Hier spiegelt sich eine große Sorge der Unternehmen wider – sie sehen die Soziale Marktwirtschaft gefährdet, die auf Demokratie und Freiheit fußt.
Das IW-Zukunftspanel
Im IW-Zukunftspanel befragt das Institut der deutschen Wirtschaft seit 2006 Unternehmen des Produzierenden Gewerbes und unternehmensnahe Dienstleister zu wirtschafts- und gesellschaftsrelevanten Veränderungsprozessen. Weitere Informationen sowie die Möglichkeit zur Registrierung finden sich hier.