Der Informationsdienst
des Instituts der deutschen Wirtschaft

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Investitionen Lesezeit 4 Min.

Vier Bausteine für mehr Wirtschaftswachstum

Deutschland investiert seit vielen Jahren zu wenig – mit verheerenden Folgen für die Wirtschaft. Eine aktuelle IW-Studie zeigt auf, welche Schritte die künftige Bundesregierung gehen müsste, um die Investitionstätigkeit sowohl des Staates als auch der Unternehmen anzukurbeln.

Kernaussagen in Kürze:
  • Deutschland investiert seit Langem zu wenig, sowohl die öffentlichen als auch die unternehmerischen Investitionen schwächeln seit mehr als einem Jahrzehnt.
  • Die Investitionen ausländischer Unternehmen in Deutschland haben zuletzt ebenfalls deutlich abgenommen.
  • Unternehmen in Deutschland fühlen sich außerdem im internationalen Vergleich stärker von Investitionshemmnissen betroffen als beispielsweise Unternehmen in Frankreich oder den USA.
Zur detaillierten Fassung

Dass in Deutschland Brücken einstürzen, Militärhubschrauber am Boden bleiben, der Wohnraum knapp ist und die Wirtschaft stagniert, hat einen Hauptgrund: Es wird zu wenig investiert. Sowohl der Staat als auch die Unternehmen haben sich jahrelang zurückgehalten, wie ein Blick auf die gesamtwirtschaftliche Finanzierungsrechnung zeigt (Grafik):

Seit über einem Jahrzehnt besteht in Deutschland eine ausgeprägte Investitionsschwäche.

Finanzierungssalden in Deutschland in Prozent des Bruttoinlandsprodukts Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Während es für private Haushalte ganz normal ist, Ersparnisse anzulegen, haben sich im langfristigen Zeitverlauf auch der Unternehmenssektor und der Staat zu sparenden Sektoren entwickelt – also Finanzvermögen aufgebaut oder Verbindlichkeiten getilgt.

Die künftige Bundesregierung hat verschiedene Hebel, um einerseits notwendige öffentliche Investitionen zu tätigen und andererseits unternehmerische Investitionen zu stärken. Dazu zählen neue Wege bei der Schuldenaufnahme, steuerliche Anreize für die Unternehmen, Bürokratieabbau und bessere Zugänge zu Wagniskapital.

Zwischen 2012 und dem Ausbruch der Coronapandemie Anfang 2020 hatte die staatliche Schuldentilgung in jedem Jahr Vorrang vor neuen Investitionen. Mit Erfolg: Die Schuldenquote sank von 80 auf 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Zwar hat sich der Staat in den darauffolgenden Jahren stark verschuldet, um die Pandemie und deren Folgen zu überwinden. Doch er investierte die aufgenommenen Mittel größtenteils nicht in die staatliche Infrastruktur, sondern finanzierte Unterstützungsmaßnahmen für die von den Lockdowns betroffenen Betriebe. Ähnlich war es nach Ausbruch des Ukraine-Kriegs: Der Staat initiierte erneut milliardenschwere Unterstützungsmaßnahmen – diesmal für die von der Energiepreiskrise betroffenen Unternehmen -, sodass auch diese Gelder nicht in Infrastrukturinvestitionen flossen.

Wachsende Unsicherheit lässt Unternehmen zaudern

Auf der Unternehmensseite sah es nicht besser aus. Auch dieser Sektor wandelte sich kurz nach der Jahrtausendwende von einem Netto-Schuldner zu einem Netto-Sparer. Gründe dafür waren die wachsende Unsicherheit, die Betriebe dazu veranlasste, höhere Liquiditätsreserven zu halten, sowie eine Steuerreform, die einbehaltene und ausgeschüttete Gewinne gleichermaßen besteuert und so den Anreiz zum Aufbau von Eigenkapitalpuffern erhöhte. Auch die 2005 in Kraft getretene Bankenregulierung Basel II hielt Unternehmen zum stärkeren Eigenkapitalaufbau an.

Die Unternehmen in Deutschland haben in der Vergangenheit zwar nicht komplett aufgehört, neue Maschinen und Anlagen anzuschaffen oder moderne IT-Ausstattungen zu kaufen, doch sie haben dies immer häufiger im Ausland getan als in der Heimat. Die Investitionen ausländischer Unternehmen in Deutschland haben zuletzt ebenfalls deutlich abgenommen, wie ein Blick auf die Kapitalabflüsse zeigt (Grafik):

Im Jahr 2022 kam es in Deutschland zu einem Rekordabfluss an Direktinvestitionen in Höhe von rund 125 Milliarden Euro, im Jahr 2023 waren es immerhin noch 94 Milliarden Euro – der drittgrößte Wert seit 1970.

So viele Milliarden Euro an Direktinvestitionen flossen netto aus Deutschland ab bzw. hierher Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Eine Umfrage der Europäischen Investitionsbank aus dem vergangenen Jahr benennt mehrere Faktoren für Deutschlands Investitionsschwäche: So hemmen fehlende günstige Finanzierungsmöglichkeiten rund die Hälfte der heimischen Betriebe, auch die hohe Regulierungsdichte und Infrastrukturmängel behindern Investitionen. Unsicherheitsfaktoren bezüglich der Zukunft sowie die hohen Energiekosten führen ebenfalls bei einer Reihe von Firmen dazu, dass sie viele Investitionen nicht tätigen. Das bedeutendste Problem für deutsche Unternehmen ist allerdings ein anderes (Grafik):

Neun von zehn Betrieben in Deutschland betrachten den Fachkräftemangel als das größte Investitionshemmnis.

So viel Prozent der Unternehmen aus diesen Ländern/Staatengemeinschaften betrachteten im Jahr 2024 diese Faktoren als Investitionshemmnis Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Was die Umfrage außerdem offenbart, ist, dass sich Unternehmen in Deutschland im internationalen Vergleich stärker von Investitionshemmnissen betroffen fühlen als beispielsweise Unternehmen in Frankreich oder den USA.

Zusätzlicher öffentlicher Investitionsbedarf von 600 Milliarden Euro

Die künftige Bundesregierung hat verschiedene Hebel, um einerseits notwendige öffentliche Investitionen zu tätigen und andererseits unternehmerische Investitionen zu stärken. Dies wären die Voraussetzungen dafür, dass die Produktivität und infolgedessen das Wirtschaftswachstum wieder Fahrt aufnehmen. Essenziell für die Politik sind vier Punkte:

  1. Um die Infrastruktur zu modernisieren, braucht es ausreichende finanzielle Mittel. Laut IW-Berechnungen liegt der öffentliche Investitionsbedarf in Deutschland bei jährlich 60 Milliarden Euro in den kommenden zehn Jahren – zusätzlich zu den aktuellen Planungen. Dieses Geld ließe sich durch eine Lockerung der Schuldenbremse oder das Einrichten eines Infrastrukturfonds bereitstellen; denkbar wäre auch, dass private Unternehmen wie die Autobahn GmbH oder die DB InfraGo AG, sofern sie über eigene Einnahmen verfügen, Darlehen aufnehmen, um die Verkehrsinfrastruktur zu sanieren und auszubauen.
     
  2. Steuerliche Anreize sollten die generellen Investitionstätigkeiten der Unternehmen befördern. Kurzfristig wären Sofortabschreibungen oder Investitionsprämien sinnvolle Optionen, auf lange Sicht würde auch eine stufenweise Senkung der Körperschaftsteuer helfen.
     
  3. In Deutschland behindert eine hochkomplexe und steigende Regulatorik entlang der gesamten Wertschöpfungskette nicht nur zunehmend das unternehmerische Wirtschaften, sondern auch notwendige Anpassungen an neue Marktbedürfnisse. So müssen beispielsweise Bauunternehmen allein im Wohnungsbau mehr als 3.300 Normen beachten. Die neue Regierung muss deshalb strukturelle Reformen angehen, um bürokratische Prozesse zu verschlanken, um Plan- und Genehmigungsverfahren zu beschleunigen und um die Potenziale der Digitalisierung stärker zu nutzen.
     
  4. Da innovative Start-ups wichtige Treiber des Strukturwandels sind und das Wirtschaftswachstum einer Volkswirtschaft erhöhen, ihr Potenzial in Deutschland jedoch nach wie vor nur unzureichend genutzt wird, sollte die Politik den Zugang zu Wagniskapital verbessern. Bislang sind junge deutsche Unternehmen besonders oft von ausländischen Geldgebern abhängig, was Risiken birgt: So besteht die Gefahr des Kapitalabzugs in Krisenzeiten oder das Risiko der Verlagerung erfolgreicher Start-ups ins Ausland. Eine Aufgabe der neuen Bundesregierung besteht deshalb darin, mehr inländisches Kapital zu mobilisieren – etwa, indem sie es Versicherungsunternehmen und Pensionsfonds erleichtert, in Wagniskapitalfonds zu investieren, oder durch eine Stärkung steuerlicher Anreize für Wagniskapitalinvestitionen.

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