Verteidigungsausgaben: Große Lücke droht
Deutschland hat sich verpflichtet, mindestens 2 Prozent der Wirtschaftsleistung für die Verteidigung auszugeben. Betrachtet man die Haushaltspläne realistisch, wird dieses Ziel schon bald wieder verfehlt. Die Finanzierungslücke könnte sogar auf einen dreistelligen Milliardenbetrag anwachsen, sollte die NATO mit Blick auf die Sicherheitslage in Europa das Ausgabenziel weiter erhöhen.
- Deutschland hat im vergangenen Jahr zwar das NATO-Ziel erfüllt, mindestens 2 Prozent der Wirtschaftsleistung für die Verteidigung auszugeben – der NATO-Schnitt lag allerdings bei 2,7 Prozent.
- In der kommenden Legislaturperiode könnten Stand heute jedoch mehr als 20 Milliarden Euro im Bundeshaushalt fehlen, um das 2-Prozent-Ziel zu erreichen.
- Erhöht die NATO das Ausgabenziel auf 3 Prozent, droht in Deutschland sogar eine Finanzierungslücke von kumuliert 136 Milliarden Euro.
Wie auch immer die Bundesregierung nach den Neuwahlen im Februar 2025 aussehen wird – die Herausforderungen werden größtenteils dieselben sein wie für die zerbrochene Ampelkoalition. Ein Thema, um das sich die Politik nicht herumdrücken kann, ist die Finanzierung der verteidigungspolitischen Aufgaben.
Lange Zeit verfehlte die Bundespolitik das im Jahr 2014 von allen NATO-Partnern akzeptierte Ziel, die Verteidigungsausgaben auf 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu erhöhen. Eine spürbar höhere Priorität bekam die Verteidigungspolitik hierzulande erst nach dem russischen Überfall auf die Ukraine, als die Regierung ein Sondervermögen für die Bundeswehr in Höhe von 100 Milliarden Euro schuf. Damit gelang es 2024 erstmals, die Marke von Ausgaben in Höhe von 2 Prozent des BIP zu erreichen. Ein Vorbild innerhalb der NATO ist die Bundesrepublik damit allerdings nicht (Grafik):
Mit schätzungsweise 2,1 Prozent des BIP lagen die Verteidigungsausgaben im Jahr 2024 in Deutschland deutlich unter dem Durchschnitt aller NATO-Staaten von gut 2,7 Prozent.
Die USA als größtes NATO-Land gaben sogar fast 3,4 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für Verteidigungszwecke aus.
Der Blick auf die bislang vorliegenden Haushaltspläne lässt zudem Zweifel daran aufkommen, ob die Bundesregierung ihren finanziellen Verpflichtungen in Sachen Verteidigung dauerhaft nachkommen wird (siehe "Deutsche Verteidigungsausgaben: Intransparente Planung"). Denn die bisherige mittelfristige Finanzplanung sieht für die kommende Legislaturperiode keinerlei Anstieg des Einzeletats des Verteidigungsministeriums vor. Das 2-Prozent-Ziel lässt sich damit in den kommenden Jahren nur durch das Sondervermögen der Bundeswehr erreichen – dieses wird allerdings vermutlich 2027 aufgebraucht sein.
Bleibt es beim Ziel, fortlaufend 2 Prozent des BIP für die Verteidigung auszugeben, beläuft sich die zu erwartende Finanzierungslücke für den Zeitraum 2025 bis 2028 auf insgesamt 21,5 Milliarden Euro.
Es liegen zwar Pläne auf dem Tisch, den Verteidigungshaushalt dann von gut 53 auf 80 Milliarden Euro aufzustocken. Das soll jedoch durch eine entsprechende Kürzung des Einzelpostens „Allgemeine Finanzverwaltung“ gegenfinanziert werden – ein nicht mit konkreten Maßnahmen unterlegtes und damit wenig glaubwürdiges Vorhaben.
Ohne eine tragfähige Finanzierungsstrategie wird die künftige Bundesregierung die verteidigungspolitischen Ziele schon bald wieder verfehlen, wie das IW berechnet hat (Grafik):
Bleibt es beim Ziel, fortlaufend 2 Prozent des BIP für die Verteidigung auszugeben, beläuft sich die zu erwartende Finanzierungslücke für den Zeitraum 2025 bis 2028 auf insgesamt 21,5 Milliarden Euro.
Viele Experten sind angesichts der seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs veränderten Sicherheitslage in Europa allerdings der Meinung, es müssten eher 3 Prozent der Wirtschaftsleistung in die Verteidigung fließen. Dann würde sich für Deutschland die Kluft zwischen der vorliegenden Finanzplanung und den zur Zielerreichung notwendigen Mitteln bis 2028 kumuliert auf fast 136 Milliarden Euro vergrößern.
Gesamtbilanz fehlt
Hinzu kommt: Das Finanzierungsziel von 2 oder 3 Prozent ist das eine, der tatsächliche Bedarf das andere. Bis jetzt fehlt in Deutschland eine Gesamtbilanz darüber, welche Finanzmittel Bund, Länder und Kommunen benötigen, um die militärische Infrastruktur sowie die Truppen selbst für die Eventualität eines russischen Angriffs auf die NATO-Staaten zu ertüchtigen. Hier muss die künftige Bundesregierung dringend aktiv werden.
Denn klar ist, dass Deutschland – wie andere NATO-Länder auch – künftig einen überzeugenden finanziellen Beitrag zur Verteidigungsstrategie des transatlantischen Bündnisses leisten muss. Das wäre nicht nur ein notwendiges Signal an Donald Trump, der den Willen der Bündnispartner wiederholt angezweifelt hat. Es ist auch nötig, um die Glaubwürdigkeit der NATO-Strategie zu untermauern. Nur so lässt sich die äußere Sicherheit Europas als Voraussetzung für wirtschaftliches Wachstum und Wohlstand dauerhaft gewährleisten.