Unternehmen zwischen Klimaschutz und Wettbewerbsfähigkeit
Viele der produzierenden Unternehmen in Deutschland investieren bereits in den Klimaschutz. Dennoch rechnet ein Großteil damit, dass sich die Klimaziele der Bundesregierung negativ auf die deutsche Volkswirtschaft auswirken. Einer optimistischen Sicht im Weg stehen vor allem Bürokratie, regulatorische Hürden und hohe Kosten.
- Die Stimmung in den Unternehmen ist im Hinblick auf die angestrebte Klimaneutralität in Deutschland allgemein deutlich schlechter als die diesbezügliche Einschätzung der eigenen Lage.
- Während 70 Prozent der Firmen durch Klimaschutzmaßnahmen einen Rückgang der gesamtdeutschen Wirtschaftsleistung prognostizieren, erwartet nur jedes zweite Unternehmen Einbußen der eigenen Wettbewerbsfähigkeit.
- Die größten Hemmnisse für klimafreundliche Investitionen sehen die Unternehmen in der Bürokratie, unverlässlichen politischen Rahmenbedingungen sowie unklaren oder widersprüchlichen staatlichen Vorgaben.
Dass Deutschland bis 2045 klimaneutral sein will, ist eine große Herausforderung für die hiesige Wirtschaft. Die Unternehmen können diese Aufgabe bewältigen – dafür brauchen sie aber Rahmenbedingungen, unter denen sie die notwendigen Investitionen in nachhaltige Produktionsverfahren tätigen können, ohne ihre Wettbewerbsfähigkeit zu beeinträchtigen. Diese hat hierzulande zuletzt gelitten:
Im World Competitiveness Ranking des International Institute for Management Development ist Deutschland von 2022 bis 2024 um neun Plätze auf Rang 24 zurückgefallen.
Vor allem die enorm gestiegenen Energiepreise haben sich in diesem Zeitraum zu einem erheblichen Standortnachteil entwickelt (siehe "Produktion in der deutschen Industrie erneut rückläufig"). Auch deshalb beäugen die Industrieunternehmen die Klimaziele der Bundesregierung kritisch (Grafik):
Neun von zehn Unternehmen des Produzierenden Gewerbes gehen davon aus, dass die Produktionskosten hierzulande aufgrund der deutschen Klimaziele in den kommenden fünf Jahren weiter steigen werden.
Ähnlich viele erwarten eine stärkere Belastung von kleinen und mittleren Unternehmen, rund drei Viertel prognostizieren den Verlust von Arbeitsplätzen in energieintensiven Industrien.
Allerdings sehen die Firmen auch positive Aspekte: Gut 40 Prozent gehen davon aus, dass durch die deutschen Klimaziele die Innovationskraft der Unternehmen zunimmt, ein Viertel sieht Deutschland sogar in der Lage, diesbezüglich eine internationale Vorreiterrolle einzunehmen.
Unternehmen bewerten eigene Lage optimistischer
Was zudem auffällt: Die Unternehmen schätzen die Situation für ihren eigenen Betrieb deutlich positiver ein als für die Gesamtwirtschaft. Während 70 Prozent einen Rückgang der gesamtdeutschen Wirtschaftsleistung prognostizieren, erwartet nur jedes zweite Unternehmen Einbußen der eigenen Wettbewerbsfähigkeit. Und während acht von zehn Firmen damit rechnen, dass Unternehmen aus Deutschland in den kommenden fünf Jahren in Länder mit schwächeren Klimazielen abwandern, geht für sich nur jedes zehnte Unternehmen von einer solchen Maßnahme aus.
Die Stimmung in den Betrieben ist im Hinblick auf die Klimatransformation in Deutschland allgemein also deutlich schlechter als die Einschätzung der eigenen Lage – dazu passt, dass die meisten Firmen bereits Maßnahmen ergriffen haben, um klimafreundlicher zu werden:
Neun von zehn Unternehmen haben ihre Produktion energieeffizienter gestaltet, rund zwei Drittel setzen dabei zumindest in Teilen auf erneuerbare Energien.
Etwas mehr als die Hälfte der Firmen investiert zudem in grüne Technologien und Forschung, rund 42 Prozent achten bei der Auswahl von Lieferanten und Materialien auf Nachhaltigkeit.
Die Politik muss Rahmenbedingungen schaffen, unter denen die Unternehmen die notwendigen Investitionen in nachhaltige Produktionsverfahren tätigen können, ohne ihre Wettbewerbsfähigkeit zu beeinträchtigen.
Den Großteil der Maßnahmen setzen die Unternehmen dabei aus eigenem Antrieb um, gesetzliche Vorgaben und Marktdruck spielen nur eine untergeordnete Rolle. Schließlich versprechen sich die Firmen vom Klimaschutz auch Vorteile für das eigene Geschäft – sei es für die Rekrutierung und Motivation von Personal, die Attraktivität für Kunden und Geschäftspartner oder die Aussicht, langfristig Geld sparen zu können. Dass sie trotz dieser Vorzüge nicht noch stärker in den Klimaschutz investieren, liegt an verschiedenen Faktoren – wobei einer heraussticht (Grafik):
80 Prozent der Unternehmen geben an, die Bürokratie mache es ihnen schwerer, in klimafreundliche Prozesse zu investieren oder Produktionsverfahren entsprechend umzustellen.
Jeweils rund drei Viertel beklagen unverlässliche politische Rahmenbedingungen – zum Beispiel hinsichtlich der Infrastrukturplanung – sowie unklare oder widersprüchliche staatliche Vorgaben.
Somit liegen die drei größten Hemmnisse für die Unternehmen im direkten Einflussbereich der Politik. Durch gezielte Maßnahmen könnte der Bund also viele Probleme ohne großen finanziellen Aufwand überwinden und einen weiteren Schritt Richtung Klimaneutralität gehen, ohne die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen in Deutschland zu gefährden. Ein erster Ansatzpunkt wäre zum Beispiel, die zahlreichen Berichtspflichten für Unternehmen zu vereinfachen und Bewerbungs- sowie Genehmigungsprozesse bundesweit zu vereinheitlichen.