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Ukraine-Krieg treibt die Preise im Logistiksektor

Der Krieg in der Ukraine belastet die Logistikbranche enorm. Die Folgen reichen von stark steigenden Charterraten für Öltanker bis hin zu möglichen Versorgungs- und Lieferengpässen.

Kernaussagen in Kürze:
  • Der Krieg in der Ukraine belastet die Logistikbranche und ihre verschiedenen Verkehrsträger enorm.
  • Durch die Abkopplung Russlands von Logistiknetzen und den Rückzug von Logistikunternehmen und Verladern aus dem Land müssen zahlreiche Lieferketten und Transportwege neu ausgerichtet werden.
  • Dadurch steigen die Transportkosten von Gütern, was sich zwangsläufig in allen Verbraucherpreisen niederschlagen wird.
Zur detaillierten Fassung

Der russische Angriffskrieg in der Ukraine und die wirtschaftlichen Sanktionen der EU gegen die Invasoren verändern die Welthandelsströme. Durch die Abkopplung Russlands von Logistiknetzen und den Rückzug von Logistikunternehmen und Verladern aus dem Land muss die Logistikbranche zahlreiche Lieferketten und Transportwege umlenken und neu ausrichten. Die Folgen belasten die Branche enorm. Betroffen sind alle Verkehrsträger, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß:

Schienenverkehr. Der Hauptkorridor der „Neuen Seidenstraße“ – die größte Bahnverbindung nach China und immer bedeutender werdender Handelsweg zwischen Europa und Asien – läuft weitgehend durch Russland und erreicht dann über Belarus die polnische Grenze. Der größte Wettbewerbsvorteil der Schiene lag darin, dass sie größere Mengen als ein Flugzeug in kürzerer Zeit als ein Schiff nach China schaffen konnte – ein Vorteil, den beispielsweise Autobauer nutzten, um Getriebe und ähnliche Bauteile zu transportieren.

Viele der Güter fallen nun unter die als Sanktionen gegen Russland verhängten Embargos. Zudem weigern sich Logistiker und Verlader, mit der russischen Staatsbahn Geschäfte zu machen, sodass Transporte über diese Trassen derzeit kaum möglich sind – selbst China kann kaum mehr auf die Schienenverbindung zurückgreifen.

Zwar werden sporadisch erste Verbindungen auf dem sogenannten Südkorridor über die Türkei und Kasachstan angeboten, diese bieten aber kaum einen Geschwindigkeitsvorteil gegenüber dem Seeweg. Zudem sind die Kapazitäten der Strecken deutlich begrenzter.

Luftverkehr. Der russische Luftraum ist für Flugzeuge vieler Staaten gesperrt und muss umflogen werden, das sorgt etwa auf der Strecke Frankfurt–Tokio für einen Umweg von mehr als 1.000 Kilometern mit entsprechend höherem Sprit- und CO2-Verbrauch. Da Kerosin von den enorm gestiegenen Energiekosten betroffen ist, könnten deswegen die Preise im Luftverkehr anziehen. Das träfe auch die arabischen und chinesischen Fluggesellschaften, die weiterhin über Russland fliegen dürfen.

Hinzu kommt: Wegen des höheren Kerosinbedarfs können die ohnehin schon stark ausgelasteten Frachtflugzeuge weniger Ware laden, sodass auch die Frachtpreise wohl weiter steigen werden.

Der Krieg in der Ukraine belastet die Logistikbranche. Über alle Verkehrsträger hinweg ist mit steigenden Transportkosten zu rechnen, was sich auch in den Verbraucherpreisen niederschlagen wird.

Seeverkehr. Der größte Teil des Welthandels wird per Schiff abgewickelt. Das direkt vom Krieg betroffene Schwarze Meer liegt zwar eher am Rand der Hauptschifffahrtsrouten, ist aber eine der wichtigsten Verladeregionen für Weizen – also beeinflusst der Krieg auch die Seefracht.

Indirekt ist das zudem der Fall, weil sich viele westliche Ölkonzerne dazu entschlossen haben, nach Möglichkeit kein russisches Öl mehr abzunehmen, sodass die europäische Nachfrage verstärkt aus weiter entfernt liegenden Quellen bedient werden muss. Das führt zu global steigenden Transportkosten für Öl (Grafik):

Die Charterraten für Öltanker verdoppelten sich mit Beginn des russischen Einmarschs in die Ukraine innerhalb einer Woche – am 8. April 2022 lag der Indexwert bereits bei 1.547 Punkten.

Indexwerte der Charterraten für Öltanker, 1. Oktober 1998 = 1.000 Punkte Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Trotz eines zwischenzeitlichen leichten Rückgangs befanden sich die Preise auch rund fünf Wochen nach Kriegsbeginn weiterhin auf einem hohen Niveau – Anfang April lag die Charterrate für einen Öltanker bei rund 1.300 Indexpunkten pro Tag.

Dadurch, dass bisher per Bahn auf der Seidenstraße transportierte Güter nun außerdem häufiger den Seeweg nehmen müssen, ist damit zu rechnen, dass sich auch die Charterpreise von Containerschiffen erhöhen werden.

Straßenverkehr. Da der Gütertransport per Lkw vor allem auf kürzeren Distanzen genutzt wird, ist er von den Sanktionen gegen Russland weniger getroffen. Zu schaffen machen dem Sektor allerdings die hohen Dieselpreise – trotz der geplanten Hilfsmaßnahmen der Bundesregierung bedroht das derzeitige Preisniveau die Existenz vieler der meist margenschwachen Transportunternehmen.

Erschwerend kommt hinzu, dass sich das Frachtangebot gegenüber dem Vorjahr deutlich erhöht hat und die Kapazitäten weitgehend ausgelastet sind. Somit ist mit einem deutlichen Anstieg der Transportpreise zu rechnen, was sich zwangsläufig in allen Verbraucherpreisen niederschlagen wird.

Ein weiteres Problem: Schon vor dem Krieg gab es zu wenige Lkw-Fahrer – falls ukrainische Fahrer in ihre Heimat zurückkehren, um ihr Land zu verteidigen, würde sich der Mangel verschärfen.

Zwar sind in Deutschland weniger als 1.000 ukrainische Fahrer sozialversicherungspflichtig beschäftigt, in östlicheren Ländern sieht die Lage allerdings anders aus: In Polen sind beispielsweise rund 100.000 Ukrainer als Lkw-Fahrer angestellt – etwa ein Drittel aller dortigen Fahrer. Ähnlich hoch sind die Anteile in Litauen. Und die Laster beider Länder fahren viel durch die Bundesrepublik (Grafik):

Polnische und litauische Lkw hatten im vergangenen Jahr einen Anteil von rund einem Fünftel an der mautpflichtigen Fahrleistung auf deutschen Autobahnen.

So viele Tausend Kilometer fuhren Lastkraftwagen, die in diesen Ländern zugelassen waren, im Jahr 2021 in Deutschland Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Sollten diese im großen Stil wegfallen, wird es auf dem ohnehin leergefegten Arbeitsmarkt für Lkw-Fahrer kurzfristig keinen Ersatz geben und es kann zu Lieferengpässen kommen.

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