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Teurer Standort Deutschland

Deutschland ist für die Industrie weiterhin der sechstteuerste Standort. Und der gerät nun in Gefahr, seine mühsam zurück erkämpfte Wettbewerbsfähigkeit wieder zu verspielen, wie eine Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft zeigt.

Kernaussagen in Kürze:
  • Im internationalen Arbeitskostenvergleich des Instituts der deutschen Wirtschaft war Deutschland 2016 der sechstteuerste Standort der Welt.
  • Noch höher waren die Arbeitskosten für die Industrie insbesondere in der Schweiz und Norwegen, günstiger jedoch in Frankreich und den USA.
  • Während in vielen teuren Ländern die Stundenlöhne nur moderat oder gar nicht gestiegen sind, legten sie in Deutschland um 2,4 Prozent zu – und auch die Diskussion über eine 28-Stunde-Woche mit Teillohnausgleich geht in die falsche Richtung.
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Die vom starken Franken gebeutelten Schweizer wittern schon Morgenluft: Jetzt solle die vermehrte Zeitsouveränität der Arbeitnehmer in Deutschland auch noch mit einem „Zustupf“ von 200 Euro belohnt werde, kommentierte neulich die Neue Zürcher Zeitung etwas gehässig die Forderung der IG-Metall nach einem Recht auf 28-Stunden-Woche mit Teillohnausgleich. Dabei würden die Deutschen ja ohnehin nicht übermäßig viel arbeiten.

Dass die Eidgenossen es amüsiert bis erfreut zur Kenntnis nehmen, wie fahrlässig Deutschland mit seiner – nach langer Durststrecke –zurückgewonnenen Wettbewerbsfähigkeit umgeht, verwundert nicht. Denn nach wie vor ist eine Arbeitsstunde im Verarbeitenden Gewerbe nirgendwo auf der Welt so teuer wie in der Schweiz, so das Ergebnis einer Analyse der Arbeitskosten (siehe Kasten unten), die das Institut der deutschen Wirtschaft für 45 Länder erstellt hat (Grafik):

Im Vergleich zu den umgerechnet fast 54 Euro pro Stunde, die Schweizer Industrieunternehmen im Jahr 2016 für den Faktor Arbeit berappen mussten, kamen die deutschen Produzenten mit knapp 40 Euro noch gut weg.

Internationaler Vergleich Arbeitskosten je Stunde im verarbeitenden Gewerbe Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Allerdings war die Bundesrepublik damit im internationalen Vergleich der sechstteuerste Arbeitsstandort für die Industrie – außer der Schweiz waren nur Norwegen, Dänemark, Belgien und Schweden noch teurer.

Frankreich dagegen – das angesichts Emmanuel Macrons vielversprechender Wirtschaftsreformen schon als aufgehender Stern am europäischen Wirtschaftshimmel gehandelt wird – lag im Arbeitskosten-Ranking einen Platz hinter Deutschland. Französische Arbeitskräfte waren 2016 je Stunde fast 2 Euro günstiger als die deutschen. Die USA folgten mit knapp 36 Euro Arbeitskosten pro Stunde sogar erst auf Platz elf.

Mit Arbeitskosten von 40 Euro je Stunde ist Deutschland der sechstteuerste Produktionsstandort der Welt.

Tatsächlich muss die Bundesrepublik aufpassen, dass sie wegen zu hoher Arbeitskosten nicht an Attraktivität als Industriestandort einbüßt. Denn: Im Jahr 2016 sind die deutschen Stundenlöhne und –gehälter um immerhin 2,4 Prozent gestiegen. Übertroffen hat das von jenen Ländern, deren Arbeitskosten noch höher sind als die deutschen, nur Dänemark mit einem Plus von 2,9 Prozent. Schweden und Belgien, aber auch Frankreich verzeichneten dagegen einen deutlich moderateren Lohnanstieg. Und in Norwegen und der Schweiz sind die Stundenlöhne in Euro umgerechnet sogar gesunken.

Osteuropa hat die niedrigsten Arbeitskosten

Weitere Ergebnisse der Arbeitskostenanalyse des IW:

Ostdeutschland kann nach wie vor mit niedrigen Arbeitskosten punkten. Mit etwas weniger als 27 Euro würden sich die neuen Länder – wären sie ein eigenständiger Staat – zwischen Großbritannien und Japan auf dem 17. Platz einsortieren.

In Osteuropa ist Arbeitskraft weiterhin extrem billig. In Bulgarien und Rumänien wird sogar deutlich günstiger als in China produziert. Aber auch in Lettland, Litauen, Polen, Ungarn und Kroatien kostet eine Arbeitsstunde noch weniger als 10 Euro.

Die südeuropäischen Krisenländer Portugal, Griechenland und Spanien fallen mit industriellen Arbeitskosten zwischen gut 11 und knapp 23 Euro pro Stunde gegenüber Deutschland deutlich ab – und können sich insofern kaum über Lohndumping in hiesigen Gefilden beschweren. Allenfalls Italien ist gemessen an seinen wirtschaftlichen Problemen mit 27,54 Euro auf Platz 14 im innereuropäischen Vergleich als teuer einzustufen.

 

Sie finden die Werte für alle 45 untersuchten Länder in der Excel-Tabelle, die der Grafik zum Download hinterlegt ist.

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