Studenten haben Fernweh
Die Zahl der deutschen Studenten an ausländischen Universitäten ist innerhalb von zehn Jahren um das Anderthalbfache gestiegen. Um den – politisch gewollten – Boom weiter zu fördern, sollen die Finanzierung eines Auslandsstudiums verbessert und die Anerkennung der Studienleistungen vereinfacht werden.
- Die Zahl der deutschen Studenten an ausländischen Universitäten ist innerhalb von zehn Jahren um das Anderthalbfache gestiegen.
- Bund und Länder wollen, dass künftig jeder zweite deutsche Student Auslandserfahrung sammelt – bislang ist es nur jeder dritte.
- An den Fachhochschulen werden lediglich 62 Prozent der ausländischen Studienleistungen anerkannt, an den Unis sogar nur 46 Prozent.
Im Jahr 2001 studierten mehr als 53.000 Deutsche im Ausland, zehn Jahre später waren es schon 133.800 (Grafik). Damit hat sich die Auslandsquote von 3 auf 6 Prozent verdoppelt. Die beliebtesten Gastländer waren 2011 Österreich, die Niederlande, Großbritannien, die Schweiz, die USA und Frankreich. Auf diese sechs Länder entfielen zusammen drei Viertel aller deutschen Auslandsstudenten (Grafik).
Das studentische Fernweh ist allerdings nicht in allen Fächern gleich stark ausgeprägt. So zieht es angehende Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler besonders oft ins Ausland, MINT-Studenten – also angehende Ingenieure, Mathematiker und Naturwissenschaftler – besuchen lieber eine heimische Uni. Für die MINTler sollten mehr Anreize für ein Auslandsstudium geschaffen werden, denn die europäische Industrie muss in Zukunft vernetzter arbeiten, braucht daher Mitarbeiter mit internationaler Ausbildung und Erfahrung.
Warum deutsche Studenten an ausländische Unis gehen, ist kein Geheimnis: Die einen interessieren sich für andere Kulturen und wollen internationale Erfahrungen sammeln, andere sind NC-Flüchtlinge. Der Numerus clausus treibt vor allem Medizinstudenten aus dem Land. Dass davon erstaunlich viele ausgerechnet nach Ungarn gehen – über 70 Prozent aller deutschen Studenten in Ungarn studieren Medizin – liegt daran, dass es dort ein großes Angebot an Kursen auf Deutsch gibt.
Mit Einführung der Bologna-Reform haben sich weitere Gründe für ein Auslandsstudium ergeben: Die Studenten können nun die Zeit zwischen Bachelor- und Masterstudium für einen studienbezogenen Auslandsaufenthalt nutzen, zum Beispiel für ein Praktikum. Viele entscheiden sich auch dafür, das komplette Masterstudium im Ausland zu absolvieren.
Bund und Länder wollen, dass künftig jeder zweite deutsche Student Auslandserfahrung sammelt – bislang ist es nur jeder dritte.
Der Grund für die Zurückhaltung ist – neben finanziellen Problemen – die oft schwierige Anerkennung von Studienleistungen aus dem Ausland. Zwar ist die „Lissabon-Konvention zur Anerkennung der Qualifikationen im Hochschulbereich“ schon 2007 in deutsches Bundesrecht umgesetzt worden. Demnach sollen Studienleistungen grundsätzlich anerkannt werden, sofern keine wesentlichen Unterschiede zu den nationalen Studieninhalten bestehen und sicher ist, dass die Studenten weiter erfolgreich studieren, forschen oder arbeiten können. Die deutschen Hochschulen tun sich aber nach wie vor schwer mit dieser großzügigen Auslegung.
An den Fachhochschulen werden lediglich 62 Prozent der ausländischen Studienleistungen anerkannt, an den Unis sogar nur 46 Prozent.
Laut Hochschulrektorenkonferenz (HRK) liegt dies vor allem daran, dass die Hochschulen die Lissabon-Konvention kaum kennen – ein Missstand, den die HRK mit einem Leitfaden ändern will.
Auch bei der Finanzierung wird nachgebessert. Neben den bekannten Möglichkeiten des Bafög oder eines Stipendiums im Rahmen des Erasmus-Austauschprogramms soll es künftig auch möglich sein, ein ganzes Masterstudium im Ausland mit zinsgünstigen, von der EU geförderten Studienkrediten zu finanzieren (Kasten).
EU-Kredit für Masterstudenten
Ab dem Wintersemester 2014/15 sollen Studenten, die ein bis zu zweijähriges Masterstudium im Ausland absolvieren, ein zinsgünstiges Darlehen von maximal 18.000 Euro bekommen können. Diese Regelung gilt für ein Auslandsstudium innerhalb der EU, in den EU-Kandidatenländern Türkei und Mazedonien sowie in den EFTA-Staaten Island, Liechtenstein und Norwegen; die Teilnahme der Schweiz ist wegen der Volksabstimmung vorläufig ausgesetzt. Bei diesen Krediten trägt die EU einen Teil des Ausfallrisikos, die Durchführung liegt beim Europäischen Investitionsfonds (EIF). Die nationalen Finanzdienstleister müssen sich beim EIF bewerben.
Den Zuschlag bekommt, wer die günstigsten Konditionen anbietet und dabei bestimmte Mindeststandards erfüllt: Die Zinsen für Studiendarlehen müssen unterhalb der üblichen Darlehenszinsen liegen; die Kredite müssen ohne Elternbürgschaft allen Studenten offenstehen, die die Vorausetzung für ein Masterstudium erfüllen; die Kredite können mit den Erasmus-Stipendien kombiniert werden; die Rückzahlung beginnt erst ein Jahr nach Studienende und kann für maximal ein Jahr unterbrochen werden.