Standortfaktor Strom
Im Vergleich zu anderen EU-Ländern ist Strom in Deutschland ziemlich teuer. Hohe Energiekosten belasten vor allem stromintensive Unternehmen. Das ließe sich ändern, denn der Preisanstieg für Strom geht vor allem auf staatliche Eingriffe zurück.
- Industrieunternehmen in Deutschland zahlen mehr für ihren Strom als im EU-Durchschnitt.
- Die energieintensive Industrie refinanziert ihre Abschreibungen seit Jahren nicht mehr vollständig.
- Es wird zunehmend an ausländischen Standorten produziert, wo die Energie günstiger ist als in Deutschland.
Die Energiewende ist nicht nur ein besonders aufwendiges Projekt, sondern auch ein teures: Um Unternehmen und Verbraucher zum Ausbau der erneuerbaren Energien zu bewegen, gibt es die EEG-Umlage. Kostenpunkt: mehr als 20 Milliarden Euro pro Jahr. Damit die zusätzlich erzeugte Sonnen- und Windkraft zu den Abnehmern kommt, braucht es neue Übertragungswege und Trassen. Die werden über Netzentgelte finanziert. Kosten: ein zweistelliger Milliardenbetrag in den kommenden Jahren. Und um Stromengpässe oder gar -ausfälle zu vermeiden – erneuerbare Energien stehen ja nicht immer zur Verfügung, sondern sind stark wetterabhängig –, sollen Kohlekraftwerke einsatzbereit gehalten werden. Geschätzter Kostenpunkt hierfür: einmalig 1 bis 2 Milliarden Euro – zuzüglich weiterer 230 Millionen Euro jährlich. Hinzu kommen eine Umlage für die Kraft-Wärme-Kopplung und so manches mehr.
Da all dies auf die Verbraucher abgewälzt wird, steigt der Strompreis. In keinem anderen EU-Land sind die staatlich induzierten Abgaben und Umlagen für Strom zuletzt so stark gestiegen wie in Deutschland (Grafik):
Industrieunternehmen in Deutschland zahlten im vergangenen Jahr 10,48 Cent für eine Kilowattstunde Strom – 2 Cent mehr als im EU-Durchschnitt.
Auf private Verbraucher entfällt rund ein Viertel des Stromverbrauchs in Deutschland. Etwa 70 Prozent verbraucht die Wirtschaft. Unternehmen aus Industrie, Handel, Gewerbe und Dienstleistungen zahlen mit 10,4 Milliarden Euro im Jahr rund die Hälfte der EEG-Förderung. Innerhalb der Wirtschaft ist die Industrie der größte Stromabnehmer, auf sie entfällt fast die Hälfte des gesamten Stromverbrauchs in Deutschland (Kasten).
Allerdings gibt es auch innerhalb des Produzierenden Gewerbes große Unterschiede: Wenigen sehr großen Verbrauchern stehen viele kleine und mittlere Abnehmer gegenüber. Bei den stromintensiven Unternehmen handelt es sich meist um größere Betriebe mit mehr als 1 Milliarde Euro Umsatz; zwei Drittel von ihnen beschäftigen jeweils mindestens 1.000 Mitarbeiter.
Obwohl Unternehmen aus energieintensiven Branchen in Deutschland teilweise Vergünstigungen bei der EEG-Umlage und anderen staatlichen Kostenkomponenten erhalten, investierten sie in den vergangenen Jahren nicht mehr so viel in neue Produktionsanlagen wie Betriebe anderer Branchen. In den energieintensiven Industrien wurden die Abschreibungen seit Beginn der Förderung der erneuerbaren Energien nicht mehr vollständig durch Investitionen ersetzt (Grafik):
Seit dem Jahr 2000 wurden in der energieintensiven Industrie jährlich nur knapp 90 Prozent der Abschreibungen refinanziert.
In der nicht energieintensiven Industrie betrug die Refinanzierungsquote dagegen über 100 Prozent.
Während Branchen wie die Metallerzeugung und -bearbeitung oder die Papierindustrie ihre Investitionen in Deutschland bremsen, legen gleichzeitig die Direktinvestitionen der energieintensiven Industrien im Ausland überdurchschnittlich stark zu. Es wird also zunehmend an ausländischen Standorten produziert, wo die Energie günstiger ist als in Deutschland.
Wenn sich stromintensive Unternehmen in Deutschland schlechter entwickeln als andere Unternehmen, ist dies nicht nur für die betroffenen Betriebe selbst kritisch. Aufgrund enger Verflechtungen mit anderen Industrien sowie Forschungs- und Entwicklungsnetzwerken können sich Verunsicherungen, Schwächen oder die Abwanderung von stromintensiven Unternehmen auch negativ auf die Gesamtwirtschaft auswirken. So haben acht von zehn Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes energieintensive Unternehmen als Lieferanten, vier von zehn arbeiten mit ihnen in Netzwerken zusammen.
Deshalb sind angemessene Standortbedingungen nicht nur für energieintensive Industrien wichtig, sondern für die Wirtschaft insgesamt. Dazu gehört eine verlässliche Energiepolitik, die den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit ermöglicht und Planungssicherheit bietet.
Der Strombedarf der Industrie
Die Industrie in Deutschland verbrauchte im Jahr 2014 rund 240 Terawattstunden, das entsprach gut 47 Prozent des gesamten deutschen Stromverbrauchs. Innerhalb der Industrie stehen dabei nur sehr wenige Großverbraucher einer Vielzahl von kleinen Verbrauchern gegenüber. 75 Prozent der Stromkunden verbrauchen maximal 1,8 Gigawattstunden im Jahr, 90 Prozent überschreiten die 6,6 Gigawattstunden nicht.
Die heutigen Ausnahmeregelungen bei der EEG-Umlage mildern die steigende Abgabenbelastung bei sehr großen Stromverbrauchern, jedoch kommen sie nur etwa 4 Prozent der Industrieunternehmen zugute. Im Ergebnis ist ein sehr großer Teil der Industrie von energiepolitischen Rahmenbedingungen in vollem Umfang betroffen.
Fast 10 Prozent der Industrieunternehmen in Deutschland erzeugen auch selbst Strom. Im Jahr 2012 waren 3.442 Industriebetriebe in der Eigenerzeugung tätig – dreimal so viele wie 2003. Im Jahr 2010 erzeugten die deutschen Industriefirmen mit gut 50 Terawattstunden besonders viel Strom selbst, aktuell sind es noch 43,8 Terawattstunden. Vor allem Unternehmen aus energieintensiven Branchen setzen auf Eigenerzeugung. Lange war Strom aus solchen Anlagen von der EEG-Umlage befreit. Seit letztem Jahr müssen neue Eigenstromanlagen ebenfalls zur Finanzierung des EEG beitragen.